Unfall beim Frühstückskaffee in der Ferienwohnung: Haftet der Vermieter?
Geplant war ein schöner und erholsamer Familienurlaub. Dafür wurde extra eine Ferienwohnung gemietet. Der Urlaub endete nach einem tragischen Unfall in eben dieser Ferienwohnung jedoch im Rettungshubschrauber auf dem Weg ins Krankenhaus. Ob der Vermieter in diesem Fall schadensersatzpflichtig ist, hatte das OLG Oldenburg zu entscheiden (Urt. v. 25.11.2024 – 9 U 40/23).
Das Urteil stellt unser Gastautor Micha Mackenbrock nachfolgend vor. Er hat an der Universität Bonn Rechtswissenschaften studiert und das erste Staatsexamen abgeschlossen. Nun ist er Mitarbeiter in einer mittelständigen Anwaltskanzlei und widmet sich seinem Promotionsvorhaben im Arbeitsrecht.
I. Der Sachverhalt
1. Die Ausgangslage
Anfang 2020 planten die Eltern zusammen mit ihrer sechsjährigen Tochter T einen Urlaub auf einer Nordseeinsel. Über das Internet wurde dafür eine Ferienwohnung gemietet. Der Buchungsbestätigung waren Allgemeine Geschäftsbedingungen beigefügt, dort heißt es unter anderem:
1. Im Falle eines nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig vom Vermieter verursachten Mangels der Mietsache ist die etwaige Haftung des Vermieters auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung ausgeschlossen.
2. Die vertragliche, wie auch die deliktische Haftung des Vermieters oder der FF ist in ihrer Höhe maximal auf die vereinbarte Miete begrenzt.
2. Der Unfall
Am ersten Morgen nach der Anreise im Mai 2020 wollte die Mutter der T Kaffee kochen. Dafür füllte sie zunächst kaltes Wasser in die zum Wohnungsinventar gehörende Glaskanne und startet dann den Brühvorgang in der dazugehörigen Kaffeemaschine. Wenige Minuten später nahm sie die Kanne aus der Maschine und schenkte den heißen Kaffee am Esstisch aus. Dabei löste sich der Henkel der Kanne und die Kanne kippt nach vorne. Dabei ergoss sich der heiße Kaffee über der Tochter. Diese erleidet dabei großflächige Verbrennungen 2. Grades am Oberkörper und den Armen. Per Rettungshubschrauber musste sie in eine Klinik gebracht und dort behandelt werden. Die Brandnarben werden voraussichtlich ihr Leben lang zu sehen sein.
Nun verlangte die T Schadensersatz von dem Vermieter aus § 536a Abs. 1 BGB. T behauptete, der Griff der Kaffeekanne sei bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, jedenfalls aber bei Übergabe der Wohnung beschädigt gewesen. Dem Vermieter hätte vor der Überlassung der Ferienwohnung auffallen müssen, dass sich der Henkel von der Kanne ablöst.
II. Die Entscheidung
1. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Der Mietvertrag nach §§ 535, 549 BGB wurde zwischen den Eltern und dem Vermieter vereinbart. Die geschäftsunfähige T (§ 104 Nr. 1 BGB) dagegen war hingegen selbst keine Mietvertragspartei. Jedoch liegt hier ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor. Das ergäbe sich schon daraus, dass die T in der Vertragsurkunde, dem Mietvertrag, als mitreisende Person Erwähnung findet, so das OLG. Damit kann die T einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter geltend machen.
2. Kein Haftungsausschluss gemäß den AGB
Bestünde ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 536a Abs. 1 BGB, dann wäre dieser jedenfalls nicht nach den AGB ausgeschlossen.
Nach § 309 Nr. 7 lit. a und lit. b BGB kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Haftung für Schäden aufgrund der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit nicht ausgeschlossen oder begrenzt werden. Für sonstige Schäden ist ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbegrenzung nur bei einfacher Fahrlässigkeit zulässig. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Nr. 7 lit. a sind Haftungsbeschränkungen oder -ausschlüsse hinsichtlich der genannten Rechtsgüter – Leben, Körper und Gesundheit – unabhängig vom Grad des Verschuldens stets unwirksam.
Im vorliegenden Fall schlossen die AGB sowohl die verschuldensunabhängige Haftung als auch die Haftung für einfache Fahrlässigkeit in Bezug auf Schäden an Leben, Körper und Gesundheit aus. Eine derartige Klausel verstößt folglich gegen § 309 Nr. 7 lit. a BGB. Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion kann die Klausel auch nicht auf einen zulässigen Inhalt beschränkt werden. Unter das Klauselverbot fallen auch summenmäßige Beschränkungen des Anspruchs, sodass auch Nr. 2 der AGB nicht mit § 309 Nr. 7 BGB vereinbar ist.
Im Ergebnis sind Nr. 1 und Nr. 2 der AGB daher insgesamt unwirksam. Ein AGB-bedingter Haftungsausschluss besteht damit nicht.
3. Keine Haftung des Vermieters nach § 536a Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB wegen vorhandenem Mangel
Nach § 536a Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB haftet der Vermieter verschuldensunabhängig, wenn ein Mangel bereits bei Vertragsschluss vorhanden war. Hier wurde der Mietvertrag im Februar 2020 geschlossen.
Anfänglich ist ein Mangel dann, wenn sich die Schadensursache in die Zeit vor Vertragsschluss zurückverfolgen lässt, auch wenn er erst später für einen Schaden des Mieters ursächlich wird. Ausreichend ist mithin, wenn bei Vertragsschluss die Gefahrenquelle vorhanden war oder die Schadensursache vorlag (OLG Oldenburg Urt. v. 25.11.2024, Az.: 9 U 40/23, BeckRS 2024, 32749, Rn. 31).
Hier kann die T aber nicht beweisen, dass die Kaffeekanne schon bei Vertragsschluss über einen Defekt verfügte. Dafür liegen schon keine Indizien vor. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die Kaffeekanne ein Alltagsgegenstand ist. Da sie als solcher regelmäßig und stetig benutzt wird, ist die Abnutzung ein allmählich stattfindender, schleichender Prozess. Es ließe sich somit nicht genau feststellen, ob die Kaffeekanne bereits bei Vertragsschluss im Februar 2020 einen Mangel aufwies (OLG Oldenburg Urt. v. 25.11.2024, Az.: 9 U 40/23, BeckRS 2024, 32749, Rn. 34).
4. Keine Haftung des Vermieters nach § 536a Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB wegen späterer Mangelentstehung
Ein Anspruch besteht auch nicht nach § 536a Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB wegen eines später entstehenden und zu vertretenden Mangels. Zwar hat der Vermieter die Kaffeekanne als Inventar zusammen mit der Ferienwohnung vermietet. Die T als Klägerin trägt die Darlegungs- und Beweislast des Verschuldens des beklagten Vermieters. Eine Ausnahme gilt, wenn feststeht, dass die Schadensursache im Herrschafts- und Einflussbereich des Vermieters liegt. In diesem Fall muss sich der Vermieter entlasten. Diese Ausnahme basiert auf der mietrechtlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach Verantwortungsbereichen. Das gilt aber dann nicht, wenn ungeklärt bleibt, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache gesetzt worden ist. Denn ansonsten müsste der Vermieter den schwer zu erbringenden Beweis vorlegen, dass er sich pflichtgemäß verhalten hat.
Im hier entschiedenem Fall kann laut dem OLG davon ausgegangen werden, dass die Kaffeekanne im Zeitpunkt der Übergabe der Ferienwohnung noch funktionsfähig war. Denn wäre die Bruchstelle bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden gewesen, hätte die Mutter der Klägerin die Kanne nicht mit kaltem Wasser befüllen können, ohne dass sie vom Henkel abgebrochen wäre.
Und selbst wenn die Kanne zum Zeitpunkt der Übergabe schon einen kleinen Riss an der Halterung des Henkels gehabt hätte, hätte dies dem Vermieter nicht auffallen müssen. Das Gericht meint nämlich, dass der Vermieter nicht verpflichtet ist, eine Kaffeekanne, in die sich problemlos Wasser einfüllen lässt und die mithin gebrauchstauglich ist, auf etwa vorhandene kleinste Beschädigungen an versteckter Stelle hin zu untersuchen (OLG Oldenburg Urt. v. 25.11.2024, Az.: 9 U 40/23, BeckRS 2024, 32749, Rn. 42).
5. Kein deliktischer Anspruch
Schon mangels Verschuldens scheidet auch eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB aus.
6. Ergebnis
Die T hat keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Zahlung von Schadensersatz.
Hmh, kann schwierig problematisch wirken.
Es könnte noch ein Problem mit Verkehrssicherungspflicht und einer Schutzpflicht bestehen?
Danach könnte grundsätzlich pflichtwidrig vorgehen, wer als Vermieter bei Vermietung Gegenstände überlässt, welche bei gewöhnlichem Gebrauch zu schweren Verletzungen führen können?
Bei einer Pflichtverletzung könnte Verschulden zunächst grundsätzlich zu vermuten sein?
Ob eine Entlastung gelingen kann, erschiene zweifelhaft.
Es müsste wohl etwa dargelegt werden, dass die Fehlerursache vom Vermieter vorher nicht bemerkt werden konnte?
Dafür müsste vielleicht die genauere Fehlerursache aufgeklärt werden?
Eventuell könnte es dem Vermieter für eine Haftungsentlastung zudem noch obliegen darzulegen, dass kein gewöhnlicher Gebrauch vorlag?