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Du bist hier: Startseite1 > Mittäterschaft

Schlagwortarchiv für: Mittäterschaft

Redaktion

Mittäterschaft  (§ 25 II StGB)

Karteikarten, Strafrecht, Uncategorized

A. Strafbarkeit des tatnächsten Beteiligten als Alleintäter

B. Strafbarkeit des weiteren Beteiligten als Mittäter, § 25 II StGB

I. Tatbestand

1. Objektiv

a) Vorliegen von besonderen Merkmalen des objektiven Tatbestands in der Person des Mittäters (z.B. Garantenstellung bei einem unechten Unterlassungsdelikt)

b) Beurteilung als mittäterschaftliche Begehung

aa) Erbringung eines objektiven Verursachungsbeitrags

bb) Gemeinsamer Tatplan

cc) i.Ü. Bewertung als mittäterschaftliche Begehung umstritten:

Rspr.: Der Beteiligte muss mit Täterwillen handeln, d.h. die Tat als eigene wollen.

Lit.: Der Beteiligte muss Tatherrschaft haben, d.h., die Tat nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen können. Z.T. wird dazu auch Mitwirkung unmittelbar am Tatort gefordert, z.T. soll ein Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium ausreichen, sofern er das Tatgeschehen wesentlich vorzeichnet.

2. Subjektiv: Der Vorsatz muss sich insbesondere auch auf die Elemente des § 25 II StGB beziehen.
3. Tatbestandsverschiebung nach § 28 II StGB

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

09.10.2023/0 Kommentare/von Redaktion
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2023-10-09 10:00:002023-10-10 06:07:45Mittäterschaft  (§ 25 II StGB)
Tobias Vogt

Neue Wendung im Kudamm-Raser-Fall

Examensvorbereitung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Es war ein Paukenschlag, als das Landgericht Berlin zum ersten Mal Raser wegen Mordes verurteilte. Rechtskräftig ist die Entscheidung hinsichtlich eines der beiden Angeklagten immernoch nicht. Nach mehreren Zurückweisungen des BGH erging nun das dritte Urteil des LG Berlin (Urt. v. 02.03.2021, Az. 529 Ks 6/20) in diesem Verfahren. Statt wie noch in seinen beiden ersten Urteilen befand das LG Berlin den Angeklagten, der nicht selbst mit dem Wagen des Opfers kollidierte, nicht wegen gemeinschaftlichem Mord, sondern wegen versuchten Mordes für schuldig. Diese erneute Entscheidung dürfte abermals Prüfer dazu animieren, diesen höchst examensrelevanten Fall mit seinen zahlreichen Tücken etwa im Bereich der Abgrenzung des Eventualvorsatzes zur bewussten Fahrlässigkeit, der Mittäterschaft und der Mordmerkmale als Klausursachverhalt zu nutzen.
 
I. Bisheriger Verfahrensgang:
 
Den ersten Aufschlag lieferte das LG Berlin (Urteil vom 27.2.2017, Az. 535 Ks 8/16). Dieses verurteilte die beiden Raser, die sich an einer roten Ampel haltend mit Gestiken und dem Spiel mit dem Gas zu einem spontanen Autorennen hochschaukelten, in dessen Fortgang sie mit Geschwindigkeiten von über 160 km/h mehrere rote Ampeln überfuhren, wegen gemeinschaftlichen Mordes, nachdem einer der beiden Angeklagten während dieses Rennens mit dem Wagen eines anderen Verkehrsteilnehmers kollidierte, der an den Folgen des Unfalls starb.
 
Der BGH hat mit Urteil vom 1.3.2018 (Az. 4 StR 399/17) das Urteil des LG Berlin aufgehoben und zurückverwiesen (siehe dazu ausführlich unser Beitrag). Der BGH bemängelte hier zum einen, dass das LG den Tötungsvorsatz nur zu einem Zeitpunkt festgestellt hat, in dem die Täter die Kollision nicht mehr verhindern konnten. Die Feststellungen trugen daher keinen Tötungsvorsatz zum Tatzeitpunkt. Des Weiteren habe das LG den Tötungsvorsatz nicht ausreichend begründet, sich insbesondere nicht hinreichend mit der möglichen Eigengefährdung der Täter auseinandergesetzt. Schließlich bemängelte der BGH auch die Bejahung von Mittäterschaft.
 
Das LG Berlin kam mit Urteil vom 26.03.2018 (Az. 532 Ks 9/18) aber auch nach der Zurückverweisung abermals zum gleichen Ergebnis: Gemeinschaftlicher Mord (siehe ausführlich unser Beitrag).
 
Da das LG nun jedoch den Tötungsvorsatz eingehend auch unter Berücksichtigung der Eigengefährdung begründete – aufgrund der gut ausgestatteten Sportwagen sei schon nicht sicher, ob die Täter sich selbst derart gefährdet sahen, jedenfalls nahmen sie den Tod anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf, da sie das Rennen um jeden Preis gewinnen wollten – bestätigte der BGH (Urteil vom 18.6.2020 – 4 StR 482/19) nun die Verurteilung des Angeklagten, der den tödlichen Unfall verursachte, wegen Mordes. Hierbei bejahte der BGH jedoch entgegen dem LG Berlin lediglich die Mordmerkmale der Heimtücke und der Tötung aus niedrigen Beweggründen, lehnte jedoch das Mordmerkmal des gemeingefährlichen Mittels ab. Denn erforderlich ist nicht nur, dass das Mittel objektiv in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Es bedarf auch eines entsprechenden Vorsatzes des Täters. Diesem konnte jedoch im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen werden, dass er über den Primäraufprall hinausgehende weitere Unfallfolgen für sich oder Dritte für möglich hielt und in Kauf nahm.
 
Hinsichtlich des weiteren Angeklagten verwies der BGH die Sache wieder an das LG Berlin zurück. Es bemängelte wie schon in seiner Entscheidung aus 2018 die Bejahung eines für die Mittäterschaft notwendigen gemeinsamen Tatplans. Denn ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt setzt voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist; es genügt nicht, dass sich die Täter lediglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschließen, durch das ein Mensch zu Tode kommt, so der BGH.
 
II. Aktuelle Entscheidung des LG Berlin:
 
Nachdem der BGB nun wiederholt die fehlerhafte Bejahung eines gemeinsamen Tatplans gerügt hatte, geht auch das LG Berlin nicht mehr von einer Mittäterschaft aus. Der Todeserfolg ist dem Angeklagten, der selbst nicht mit dem Wagen des Verstorbenen kollidierte, demnach nicht nach § 25 Abs. 2 StGB zurechenbar.
 
Das LG verurteilte ihn jedoch folgerichtig wegen versuchten Mordes. Denn schließlich habe er ebenso wie der andere Fahrer um das Rennen zu gewinnen bewusst in Kauf genommen, dass er selbst derart mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kollidiert, dass dieser stirbt. Es hat lediglich vom Zufall abgehangen, dass nicht er, sondern der Fahrer, mit dem er sich ein Rennen lieferte, unmittelbar den Tod herbeigeführt hat.
 
Da bei der riskanten Rennfahrt auch die Beifahrerin des Angeklagten verletz wurde, wurde dieser auch wegen tateinheitlich begangener fahrlässiger Körperverletzung nach § 229 StGB verurteilt. In einer Klausur ist zunächst auf eine in Betracht kommende vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB einzugehen und an dieser Stelle ebenfalls ausführlich zu prüfen, ob ein Verletzungsvorsatz vorliegt. Hier spielt die mögliche Eigengefährdung eine noch größere Rolle als bei der Frage nach dem Tötungsvorsatz in Bezug auf andere Verkehrsteilnehmer. Denn wenn der Täter eine Verletzung seiner Beifahrerin bewusst in Kauf genommen hätte, müsste er auch eine eigene Verletzung in Kauf genommen haben. Da er aber aufgrund der Ausstattung seines Wagens darauf vertraute, selbst bei einer Kollision nicht verletzt zu werden, galt dies auch in Bezug auf seine Beifahrerin. Gibt es im Klausursachverhalt dagegen Hinweise darauf, dass der Angeklagte eine eigene Verletzung und die seiner Beifahrerin ebenfalls in Kauf nahm, könnte dagegen eine vorsätzliche Körperverletzung bejaht werden.
 
Ebenfalls schuldig gesprochen wurde der Angeklagte wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 a) und d) StGB, da er die durch Ampelzeichen geregelte Vorfahrt des Geschädigten nicht beachteten, an einer Straßenkreuzung zu schnell fuhren und dadurch Leib und Leben des Geschädigten gefährdete.
 
In einem Klausurgutachten ebenfalls zu prüfen ist eine Strafbarkeit nach den weiteren Verkehrsdelikten § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB und § 315d Abs. 1, Abs. 2 StGB. Eine Strafbarkeit nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB ist jedoch zu verneinen, da das Fahrzeug zur Fortbewegung und nicht primär als Waffe eingesetzt wurde und es daher an einer pervertierten Nutzung fehlt, die für die Bejahung eines verkehrsfremden Eingriffs in den Straßenverkehr notwendig wäre.
 
III. Fazit:
 
– Zunächst einmal zeigt die aktuelle Entscheidung, dass die Täter zwingend getrennt zu prüfen sind. Zu beginnen ist mit dem tatnächsten Täter, der mit dem Wagen des Opfers kollidierte.
 
– Bei der Prüfung des Vorsatzes ist zunächst einmal darauf zu achten, dass der Vorsatz zu einem Zeitpunkt vorliegen muss, in dem der Täter noch einen Tatbeitrag leisten konnte, nicht also erst in dem Zeitpunkt, als die Kollision ohnehin unausweichlich war.
 
– Sodann ist anhand aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob der Täter mit Eventualvorsatz handelte oder nur mit bewusster Fahrlässigkeit. Hierbei ist auch auf die mögliche Eigengefährdung einzugehen, die zwar gegen einen Tötungsvorsatz sprechen kann, diesen jedoch auch nicht per se ausschließt.
 
– In Betracht kommen die Mordmerkmale Heimtücke, niedrige Beweggründe und gemeingefährliches Mittel. Insbesondere bei letzterem kann jedoch der Vorsatz in Bezug auf die Gefährdung einer Mehrzahl an Menschen problematisch sein.
 
– Dem Mitangeklagten, der selbst nicht mit dem verstorbenen Opfer kollidierte, ist der Todeserfolg nur über § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen, wenn ein gemeinsamer auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichteter Tatplan vorlag. Sich zu einem gemeinsamen, riskanten Straßenrennen zu entschließen, reicht hierfür nicht aus, auch wenn hierdurch letztendlich ein Mensch zu Tode kam. Daher hat der Mitangeklagte sich nur wegen versuchtem Mord strafbar gemacht.
 
– Von dem bedingten Tötungsvorsatz in Bezug auf andere Verkehrsteilnehmer kann nicht auf einen Verletzungsvorsatz der Beifahrerin geschlossen werden, so dass bei einer Verletzung dieser ggf nur eine fahrlässige Körperverletzung vorliegt.
 
– Nicht zu vergessen ist in einer Klausur zudem die Prüfung der Straßenverkehrsdelikte §§ 315b, 315c 315d StGB.
 
Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf unsere Besprechung zu einem etwas anders gelagerten Raser-Fall, in dem der BGH (Beschluss vom 16.1.2019, 4 StR 345/18) eine Verurteilung wegen Mordes bestätigte.
 
Zudem noch einmal die Links zu den Besprechungen des ersten BGH-Entscheidung und dem zweiten LG Berlin-Urteil in dem hiesigen Verfahren: hier und hier

04.03.2021/1 Kommentar/von Tobias Vogt
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tobias Vogt https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tobias Vogt2021-03-04 13:00:502021-03-04 13:00:50Neue Wendung im Kudamm-Raser-Fall
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Kein Versuchsbeginn bei Klingeln an der Tür

Examensvorbereitung, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht AT

In nahezu jeder strafrechtlichen Examensklausur muss eine Versuchsprüfung vorgenommen werden. Eine sichere Beherrschung der Versuchsvoraussetzungen ist unentbehrlich, wobei neben dem Vorliegen eines Tatentschlusses oder einer Rücktrittsproblematik auch das unmittelbare Ansetzen i. S. v. § 22 StGB – zu dem sich nun wieder einmal der BGH mit Beschluss v. 8.5.2018 (Az.: 5 StR 108/18) geäußert hat – den Schwerpunkt der Prüfung bilden kann. Dies lässt sich zur Erhöhung des Schwierigkeitsgrads auch gut mit weiteren Problemen, zB dem Versuchsbeginn bei einer wie im vorliegenden Fall gegebenen Mittäterschaft, kombinieren, sodass von einer gesteigerten Examensrelevanz auszugehen ist.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht und abgewandelt):
A, B und C schlossen sich zusammen, um sich künftig in arbeitsteiligem Vorgehen der Wohnungsschlüssel älterer Menschen zu bemächtigen, in deren Wohnungen einzudringen und dort werthaltige Gegenstände und Geld zu entwenden. Hierzu klingelten sie zunächst an der Tür des 103 Jahre alten O, welcher die Tür mit vorgelegter Sicherungskette öffnete. Unter einem Vorwand bat der A um Einlass. Beim O kam allerdings angesichts des Erscheinens der fremden Personen Misstrauen auf, sodass er die Tür wieder schloss. A, B und C verweilten noch einige Zeit vor der Tür, in der Hoffnung, dass der O die Wohnung irgendwann verlassen werde. Dann sollte sich B dem Wohnungsschlüssel ermächtigen, damit die Tat noch ausgeführt werden konnte. Der O verließ seine Wohnung aber nicht, A, B und C gaben schließlich auf und fuhren mit dem Auto wieder weg.
Auf dem Heimweg fiel ihnen der 73 Jahre alte U als geeignetes Opfer auf. Wie zuvor vereinbart, stieg die C aus dem Auto aus, bedrängte den U körperlich und versuchte, in seine Jackeninnentasche zu greifen, um den Wohnungsschlüssel zu erlangen. Der U entgegnete jedoch nur „Verfatz dich!“ und stieß die C von sich. Diese gab auf und stieg unverrichteter Dinge wieder ins Auto.
 
B. Lösung
Hinsichtlich der Strafbarkeit der Beteiligten ist allein problematisch, ob diese bereits i. S. v. § 22 StGB unmittelbar zum schweren Bandendiebstahl gemäß § 244a StGB angesetzt haben. Den Eintritt in das Versuchsstadium hat der BGH aber – in beiden Fällen – verneint.
I. Zunächst könnte problematisiert werden, ob im ersten Tatkomplex (Geschehen mit dem O) überhaupt ein Versuchsbeginn für B und C in Betracht kommt, hat doch nur der A um Einlass gebeten. Das gleiche Problem stellt sich – und hier noch deutlicher – im zweiten Tatkomplex (Geschehen mit dem U) hinsichtlich des Versuchsbeginns für A und B, indem der U lediglich von C bedrängt wird, während A und B im Auto warten. Es stellt sich also die Problematik des Versuchsbeginns bei der Mittäterschaft.
1. Nach der von der hM vertretenen Gesamtlösung (s. hierzu z. B. BGH v. 23.1.1958 – 4 StR 613/57, BGHSt 11, 271; v. 2.6.1993 – 2 StR 158/93; BeckOK-StGB/Beckemper/Cornelius, § 22 Rn. 59) wird der Versuchsbeginn für alle Beteiligten einheitlich beurteilt. Danach wird nicht auf die gesonderten Tatbeiträge abgestellt, sondern es treten alle Mittäter ins Versuchsstadium ein, wenn einer unmittelbar ansetzt. Insofern käme auch ein Versuchsbeginn für die Mittäter, die nicht die unmittelbare Handlung vornehmen, sondern sich lediglich im Hintergrund aufhalten, in Betracht.
2. Dagegen prüft die Einzellösung den Versuchsbeginn für jeden Mittäter gesondert (s. z. B. Bloy, ZStW 113 (2001), 93; Kratzsch, JA 1983, 587; LK-StGB/Roxin, § 25 Rn. 198 ff.), sodass der einzelne Mittäter erst dann ins Versuchsstadium eintritt, wenn er zu der Handlung, die seine Mittäterschaft begründet, unmittelbar ansetzt (BeckOK-StGB/Beckemper/Cornelius, § 22 Rn. 60).
3. Die Gesamtlösung ist vorzugswürdig, da die Einzellösung dem Grundgedanken der Mittäterschaft – der gegenseitigen Zurechnung der im Rahmen des Tatplans liegenden Tatbeiträge – nicht gerecht wird (BGH v. 23.1.1958 – 4 StR 613/57, BGHSt 11, 271, 276; BeckOK-StGB/Beckemper/Cornelius, § 22 Rn. 61). Zudem würde derjenige Mittäter unbillig privilegiert, der seinen Tatbeitrag erst zu einem späten Zeitpunkt erbringen soll.
 
II. Hierauf kommt es aber ohnehin nicht an, wenn auch für den jeweils unmittelbar Handelnden ein unmittelbares Ansetzen zu verneinen ist. Fraglich ist also, ob der Eintritt in das Versuchsstadium angenommen werden kann. Nach der herrschenden gemischt objektiv-subjektiven Theorie ist dies – wie der BGH ausführt –

„nicht erst der Fall, wenn der Täter ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, sondern schon dann, wenn er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich dementsprechend auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen; der Täter muss subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (vgl. etwa BGH, Urteile vom 16. September 1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.; vom 26. Oktober 1978 – 4 StR 429/78, BGHSt 28, 162, 163; Beschluss vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, NStZ 2001, 415, 416 mwN).

Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.
Vorliegend geht der BGH in beiden Fällen davon aus, dass zwar „wichtige Vorbereitungshandlungen“ vorgenommen wurden. Gleichwohl „waren die Maßnahmen noch nicht so weit gediehen, dass ihr Tun ohne weitere Zwischenakte unmittelbar in die Verwirklichung des Straftatbestandes des § 244a StGB hätte einmünden können.“
Dies konkretisiert der BGH für das Geschehen mit O wie folgt:

„Bei Tat 1 setzte die Ausführung des Diebstahls voraus, dass der Zeuge [O] die Sicherheitskette abnehmen, die Tür öffnen, die […] Angeklagten einlassen und sich […] ablenken lassen würde. Erst dann hätten die anderen Täter die Wohnung durchsuchen und Gegenstände entwenden können. Damit sollte ihr Tun noch nicht unmittelbar in Wegnahmehandlungen einmünden (vgl. schon RG JW 1926, 2753; siehe auch BGH, Urteil vom 6. Oktober 1977 – 4 StR 404/77; Beschluss vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, aaO, jeweils mwN).
Soweit sich die Strafkammer für ihren gegenteiligen Standpunkt auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stützt, in denen bereits das Klingeln an der Tür als Versuchsbeginn angesehen wurde (vgl. etwa BGH, Urteile vom 16. September 1975 – 1 StR 264/75, aaO, S. 203 f.; vom 11. Juli 1984 – 2 StR 249/84, NStZ 1984, 506 mwN), sind diese auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Sie betreffen Raubdelikte, bei denen der Täter nach dem Öffnen der Tür sofort Gewalthandlungen gegen das Opfer vollführen wollte und damit – anders als vorliegend – bereits ein Tatbestandsmerkmal des § 249 StGB erfüllt hätte.“

Anmerkung: Diese Annahme ist sicherlich nicht unproblematisch, berücksichtigt man, dass der BGH in früheren Entscheidungen gleichwohl den Versuchsbeginn bereits beim Klingeln an der Tür angenommen hat. Verwiesen wird hier insbesondere auf das Urteil v. 16.9.2015 (Az.: 2 StR 71/15), in dem der BGH zum Versuchsbeginn beim Diebstahl(!) ausgeführt hat:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl vor, wenn ein Diebstahl aus der Wohnung eines Opfers dadurch ermöglicht werden soll, dass sich ein Täter unter einem Vorwand Einlass verschafft, um das Tatopfer abzulenken und dann zu bestehlen. Der Angriff auf den fremden Gewahrsam beginnt in diesen Fällen bereits mit dem Begehren um Einlass (BGH, Urteil vom 12. März 1985 – 5 StR 722/84; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 – 3 StR 105/10). Nach der zuvor bereits bei anderen Opfern vielfach erfolgreich praktizierten Vorgehensweise hatten die Angeklagten hier die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ mit dem nicht unter einem Rücktrittsvorbehalt stehenden unmittelbaren Einwirken auf das zuvor bereits ausgespähte Tatopfer an der Wohnungstür überschritten. Zu diesem Zeitpunkt war auch eine konkrete Gefährdung des Opfervermögens bereits eingetreten. Dass das Gelingen und damit die Vollendung der Tat letztlich noch von dem Erfolg der Täuschung und von dem Auffinden von Wertgegenständen innerhalb der Wohnung abhängig war, und der Diebstahl hier „ohne Zutun“ der Angeklagten gescheitert ist, hindert nicht den Eintritt ins Versuchsstadium.“

Inwiefern sich die vorliegende Konstellation davon unterscheiden soll, erschließt sich nicht.
In Bezug auf das Geschehen mit dem U lehnt der BGH den Eintritt in das Versuchsstadium mit folgender Begründung ab:

„Entsprechendes gilt für Tat 2. In Bezug auf den Diebstahl von Gegenständen aus der Wohnung des ausgewählten Tatopfers hätten die Angeklagten diese noch aufsuchen und öffnen müssen (vgl. zum Versuchsbeginn bei der Beschaffung von [Nach-]Schlüsseln z.B. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 – 4 StR 429/78, aaO, S. 163 f.; Beschluss vom 24. Mai 1991 – 5 StR 4/91, BGHR StGB § 22 Ansetzen 14). Allerdings käme die Verwirklichung des § 244a StGB auch hinsichtlich des Wohnungsschlüssels selbst in Betracht, wobei insoweit der Versuchsbeginn nicht zweifelhaft erschiene (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 1957 – 5 StR 299/57, GA 1958, 191). Jedoch kann den Feststellungen nicht entnommen werden, ob die Angeklagten den Eigentümer insoweit dauernd enteignen wollten, also mit Zueignungsabsicht handelten. Dies versteht sich nach Lage des Falles auch nicht von selbst. Denn es liegt im Bereich des nicht nur denktheoretisch Möglichen, dass die Angeklagten etwa den für sie nach Gebrauch wertlosen Wohnungsschlüssel in der Wohnung zurückzulassen beabsichtigten.“

Mithin ist in beiden Fällen ein unmittelbares Ansetzen zu verneinen, sodass eine Strafbarkeit wegen versuchten schweren Bandendiebstahls ausscheidet.
 
Gegeben ist allerdings eine Strafbarkeit wegen Verabredung des Verbrechens des schweren Bandendiebstahls gemäß §§ 244a, 30 II StGB. Eine Straffreiheit nach § 31 StGB kommt nicht in Betracht, da die Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben wurde.
Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen stets auch an § 30 II StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.
 
C. Fazit
Festzuhalten bleibt: Das Klingeln an der Tür kann bereits den Eintritt ins Versuchsstadium bedeuten, muss es aber nicht. Insbesondere vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung (BGH v. 16.9.2015, Az.: 2 StR 71/15), lässt die Rechtsprechung eine klare Linie diesbezüglich wohl eher vermissen. In der Klausur muss daher – wie immer – auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt und anhand des konkreten Sachverhaltes argumentiert werden.
 

30.08.2018/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2018-08-30 10:00:252018-08-30 10:00:25BGH: Kein Versuchsbeginn bei Klingeln an der Tür
Redaktion

Schema: Mittäterschaft, § 25 II StGB

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes

Schema: Mittäterschaft (§ 25 II StGB)

  • Grundsätzlich erfolgt eine getrennte Prüfung der Beteiligten.
  • Ausnahmsweise ist die Strafbarkeit der Beteiligten gemeinsam zu prüfen, insbesondere wenn sie derart arbeitsteilig zusammengewirkt haben, dass der objektive Tatbestand nur unter Berücksichtigung der Tatbeiträge aller Beteiligten verwirklicht ist.

A. Strafbarkeit des tatnächsten Beteiligten

Prüfung erfolgt wie bei einem Alleintäter.
B. Strafbarkeit der weiteren Beteiligten als Mittäter, § 25 II StGB

I. Tatbestandsmäßigkeit


1. Objektiver Tatbestand

a) Vorliegen von besonderen Merkmalen des objektiven Tatbestands in der Person des Mittäters (zB Garantenstellung bei einem unechten Unterlassungsdelikt).

b) Beurteilung als mittäterschaftliche Begehung

aa) Erbringung eines objektiven Verursachungsbeitrags
Ausreichend ist zunächst jeder Beitrag, den der Beteiligte zur Tat geleistet hat.

bb)  Gemeinsamer Tatplan
– Der Tatplan kann bereits vor der Tat gefasst sein, aber auch eine spontane Willensübereinkunft während der Tatausführung ist möglich.
– Tatplan kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen.

cc) Im Übrigen Bewertung als Mittäterschaft umstritten:
– Nach der Rspr. ist erforderlich, dass der Beteiligte mit Täterwillen handelt, die Tat also als eigene möchte und sich nicht bloß dem anderen Beteiligten unterordnet.
– Nach der hL wird Tatherrschaft verlangt, der Beteiligte muss die Tat nach seinem Willen hemmen und ablaufen lassen können. Dabei wird z.T. die Mitwirkung unmittelbar am Tatort gefordert, z.T. soll auch ein Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium ausreichen, sofern dieser das Geschehen während der Tat im Wesentlichen vorzeichnet.

2. Subjektiver Tatbestand
Der Vorsatz muss sich insbesondere auch auf die Elemente des § 25 II StGB beziehen.

3. Tatbestandsverschiebung nach § 28 II StGB

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

10.08.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-08-10 10:00:042017-08-10 10:00:04Schema: Mittäterschaft, § 25 II StGB
Redaktion

Die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB)

Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB)” von Prof. Dr. Klaus Geppert

befasst sich mit einem strafrechtlichen Grundlagenthema. Als Zurechnungstatbestand spielt die Mittäterschaft immer dann eine Rolle, wenn in Klausursachverhalten (was vor allem im ersten Examen nicht selten der Fall sein dürfte) mehr als ein möglicher Täter auftritt. Zu Beginn werden einige Grundfragen der Mittäterschaft (Ausschluss bei eigenhändigen Delikten/Voraussetzungen/gibt es eine fahrlässige Mittäterschaft?) erläutert. Der Hauptteil nimmt verschiedene besonders prüfungsrelevante Sonderfragen (Versuchsbeginn, sukzessive Mittäterschaft, Mittäterexzess etc.) in den Blick. Diese werden anhand aktueller Rechtsprechungsbeispiele erörtert. Insgesamt eignet sich der Aufsatz vor allem zur Auffrischung bereits erworbenen Wissens.
Den Beitrag findet Ihr hier.

18.12.2012/0 Kommentare/von Redaktion
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2012-12-18 10:00:302012-12-18 10:00:30Die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB)
Christian Muders

Strafrechts-Klassiker: Der Verfolger-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

BGH, Urteil v. 23.01.1958 – 4 StR 613/57 (= BGHSt 11, 268 ff.)

Vereinbaren mehrere Teilnehmer einer Straftat, daß jeder auf etwaige Verfolger zu schießen habe, um ihre Festnahme um jeden Preis zu verhindern, und schießt einer von ihnen auf Grund dieser Abrede irrtümlich auf einen Tatbeteiligten, den er nur verletzt, so ist auch dieser als Mittäter wegen versuchten Mordes zu bestrafen.

1. Der Sachverhalt
Der Angeklagte P hatte zusammen mit den früheren Mitangeklagten M und T in der Nacht zum 21. April 1952 versucht, in das Lebensmittelgeschäft von A in L einzudringen, um dort zu stehlen. Jeder der Täter war dabei mit einer geladenen Pistole bewaffnet, wobei vereinbart war, dass auch auf Menschen gefeuert werden solle, wenn die Gefahr der Festnahme eines der Teilnehmer drohe. Als P die Fensterscheibe des Schlafzimmers der Eheleute A, das er für einen Büroraum gehalten hatte, eingedrückt und M die Fensterflügel ins Zimmer hinein aufgestoßen hatte, war der Geschäftsinhaber A ans Fenster gegangen, hatte die Fensterflügel wieder zugestoßen und sich wild gestikulierend und brüllend vor das Fenster gestellt. Darauf gaben M und T je einen Schuss auf die Fenster ab, wobei die sich gerade aus ihrem Bett erhebende Frau des A schwer verletzt wurde. Danach liefen T und M hintereinander auf die Straße zu. An der vorderen Hausecke bemerkte M rückwärts schauend, dass ihm in einer Entfernung von nicht mehr als 2 bis 3 m eine Person folgte. Diese war P. M hielt ihn aber für einen Verfolger und fürchtete von ihm ergriffen zu werden. Um der vermeintlich drohenden Festnahme und der Aufdeckung seiner Täterschaft zu entgehen, schoss er auf die hinter ihm hergehende Person; dabei rechnete er mit einer tödlichen Wirkung seines Schusses und billigte diese Möglichkeit. Das Geschoss traf P am rechten Oberarm, durchschlug aber nur den gefütterten Ärmel seines Rockes und verfing sich im aufgekrempelten Hemdärmel.
2. Die Kernfrage
Die Vorinstanz hatte nicht nur M und T, sondern auch den angeschossenen P wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft verurteilt, §§ 211 Abs. 1, 2, 25 Abs. 2 StGB. Mit der hiergegen gerichteten Revision wollte der P geklärt wissen, ob er als Mittäter eines Mordversuchs in Betracht kommt, obwohl er doch gleichzeitig das Opfer desselben gewesen ist und er mit dem Schuss des M gegen ihn selbst – selbstverständlich – keinesfalls einverstanden war, so dass sich der M hiermit außerhalb des gemeinsamen Tatplans bewegt habe.
3. Das sagt der BGH
Das Gericht hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und die Verurteilung des P wegen mittäterschaftlichen versuchten Mordes aufrechterhalten.
a) Es hat dabei zunächst einmal klargestellt, dass der Umstand, dass P selbst Opfer der Tat geworden ist, rechtlich durchaus Berücksichtigung findet, und zwar in der für P geltenden Wertung der Tat als bloßer Versuch, die zu einer wenigstens fakultativen Milderung seiner Strafbarkeit nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB führt. Diese Vergünstigung wird vorliegend freilich durch den Umstand verdeckt, dass auch alle anderen Mittäter nur wegen Versuchs bestraft werden, was aber auf andere Gründe zurückzuführen ist. Der BGH verdeutlicht dies an dem hypothetischen Fall, dass der im konkreten Sachverhalt als Schütze fungierende M von vornherein nur einen Angriff mit Verletzungsvorsatz durchgeführt hätte, so dass im Unterschied zum vorliegenden Geschehen nur eine Bestrafung wegen vollendeter Körperverletzung in Rede stehen würde:

Wenn z.B. die Diebe vereinbart hätten, ihre Verfolger nicht zu töten, sondern etwa dadurch unschädlich zu machen, daß sie ihnen zum Zwecke der Blendung Gift oder andere Stoffe in die Augen spritzten (…) und wenn M auf Grund einer solchen Abrede P derart in der Meinung angegriffen hätte, er sei ein Verfolger, so würde sich P´s Tatbeitrag rechtlich als ein versuchtes Verbrechen nach § 229 StGB darstellen, M dagegen hätte sich eines vollendeten Verbrechens nach dieser Vorschrift schuldig gemacht. Denn er hätte vorsätzlich einem anderen die in § 229 StGB bezeichneten Stoffe beigebracht (…).

Der BGH hebt dabei hervor, dass die Tatsache, dass M tatsächlich seinen Kumpan und nicht einen von ihm vorgestellten Verfolger angegriffen hat, als bloßer error in persona zu werten ist, der für seine Strafbarkeit keine Bedeutung hat:

Insoweit läge nämlich bei M – ebenso wie im Falle der Mordabrede – eine sog. Objektsverwechslung vor, die nur bei Ungleichwertigkeit der angegriffenen Rechtsgüter strafrechtlich von Bedeutung ist (…).

Demgegenüber führt die Objektverwechslung bei dem eigentlichen Opfer der Tat, P, durchaus zu einem signifikanten Unterschied, da niemand taugliches Opfer seiner selbst sein kann:

Für P aber wäre die Tatsache, daß er selbst der Verletzte, also nicht „ein anderer“ im Sinne jener Vorschriften war, ein „Mangel am Tatbestand“, der aber der Beurteilung der Tat als untauglicher Versuch nicht entgegenstehen würde, weil P durch seinen Tatbeitrag (die Verabredung der Tat und deren geistige Unterstützung durch seine Gegenwart) M´s Entschluß, einem – damals noch unbekannten – Menschen Gift beizubringen, und die Verwirklichung dieses Entschlusses mitverursacht und als Ergänzung seines eigenen gleichwertigen Tatanteils von vornherein gewollt haben würde. Dem könnte auch nicht entgegengehalten werden, daß P´s untauglicher Versuch kein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut gefährdet habe, weil das Gesetz die eigene Gesundheit des Täters gegen ihn selbst nicht schütze. Denn beim untauglichen Versuch kommt es nicht auf die Gefährdung eines bestimmten gegenwärtigen Rechtsguts an, weil schon die allgemeine Auflehnung gegen die rechtlich geschützte Ordnung gefährlich ist (…).

b) Im Anschluss an diese Überlegungen bejaht der BGH sodann die für eine Zurechnung des Mordversuchs an P im konkreten Fall erforderlichen Voraussetzungen, nämlich die gemeinsame Tatausführung und den gemeinschaftlichen Tatplan, auch im Hinblick auf dessen Person. Zum Tatplan:

(…) dabei muß er zur Zeit dieser geistigen Mitwirkung den ganzen Erfolg der Straftat als eigenen mitverursachen, d.h. im vorliegenden Falle die etwaige Erschießung eines Verfolgers durch seinen Tatbeitrag sich zu eigen machen wollen. Das hat das Landgericht mit der Feststellung des ein für allemal verabredeten Waffengebrauchs zur Verhinderung drohender Festnahme und der auf dieser Abrede beruhenden Gefahrengemeinschaft aller drei Mittäter, die M gewissermaßen zum Schießen „verpflichtete“, hinreichend begründet.

Sodann bejaht der BGH auch die Tatherrschaft des P zum Zeitpunkt der relevanten Tathandlung, also des Schusses durch M:

P war auch im fraglichen Zeitraum an der Tatherrschaft beteiligt. Er hätte bei der räumlichen Nähe seiner beiden Tatgenossen deren Tun jederzeit steuern und sie auffordern können, dieses Mal entgegen der Abrede nicht auf Verfolger zu schießen. Daß er dies bis zur Abgabe des Schusses nicht getan hat, begründet seine Mitverantwortung auch für den auf ihn abgegebenen Schuß (vgl. dazu Maurach, aaO., S. 504 b). Dieser Schuß entsprach, da er einem vermeintlichen Verfolger galt, der Abrede aller Beteiligten, überschritt mithin auch nicht den Rahmen des vom Vorsatz des Angeklagten Umfaßten und muß ihm daher voll zugerechnet werden (vgl. RGSt 54, 177, 179 f.).

Schlussendlich macht der BGH noch deutlich, dass es im Hinblick auf den gemeinsamen Tatplan unschädlich sei, dass der P selbstverständlich keinen Schuss auf sich selbst gewollt habe, was eine Zurechnung der Tathandlung jedoch nicht hindere:

Entgegen der Meinung der Revision kommt es innerhalb dieses Rahmens nicht darauf an, ob P im Augenblick des Schusses mit diesem selbst einverstanden war. Nachdem er durch seinen früheren Tatbeitrag mit Tätervorsatz den Stein ins Rollen gebracht hatte, hätte eine Sinnesänderung ihn nur nach den Grundsätzen des Rücktritts vom Versuch (§ 46 StGB) straflos machen können. Dazu aber wäre Voraussetzung, daß er entweder auch seine Mittäter zur Aufgabe ihres Tötungsvorsatzes bestimmt oder aber sonstwie seinem eigenen Tatbeitrag die ursächliche Wirkung für das weitere strafbare Tun der anderen entzogen hätte (…). Daß dies hier nicht geschehen ist, der Angeklagte vielmehr bis zum Schluß und zur Zeit der Abgabe des Schusses in ständigem Zusammenwirken mit den beiden anderen an ihrer ursprünglichen Abrede festgehalten hat, ergeben die klaren Feststellungen des Landgerichts.

4. Fazit
Die vorgehend präsentierte BGH-Entscheidung stellt einen zeitlosen Klassiker dar, der so oder in ähnlicher Konstellation (gerne auch mit anderen Rechtsgütern, etwa Beeinträchtigung des Eigentums eines Mittäters) jederzeit in einem Examensfall verarbeitet werden kann.
a) Knackpunkt des Falles ist dabei sicherlich die Frage, ob dem P im Hinblick auf den subjektiven gemeinsamen Tatplan tatsächlich ein Schuss auf ihn selbst zugerechnet werden kann, was er ja keinesfalls wollte, oder ob insofern nicht ein Exzess des M vorliegt. Insofern erscheint das Ergebnis des BGH aber durchaus richtig, auch wenn sein zuletzt vorgenommener Rekurs auf die Grundsätze des Rücktritts vom Versuch m.E. nicht sonderlich überzeugend ist: Denn es geht vorliegend ja nicht um eine vom BGH zuletzt angesprochene „Sinnesänderung“ des P, dieser wollte vielmehr von vornherein nicht, dass auf ihn geschossen wird.
b) Entscheidend erscheint daher vielmehr, ob man für einen zurechnungsausschließenden Exzess des handelnden Mittäters zugunsten der Übrigen allein auf das objektive Geschehen abstellt oder aber auch die subjektive Intention des Handelnden bei seiner Tat berücksichtigt: Objektiv betrachtet war der Schuss gegen P sicherlich nicht vom gemeinsamen Tatplan erfasst, subjektiv gesehen hingegen durchaus, da der M ja mit seinem Schuss – wie abgesprochen – einen vermeintlichen Verfolger treffen wollte. Für eine Zurechnung der vorliegenden Konstellation spricht dabei, dass die Fehlvorstellung für M gerade kein relevanter Tatbestandsirrtum, sondern ein unerheblicher Motivirrtum in Gestalt des error in persona ist. Dass dieser die anderen Mittäter aber entlasten soll, widerspricht bereits den Grundsätzen dieser Rechtsfigur, wonach jeder Mittäter auch für den anderen handelt, das arbeitsteilige Vorgehen also gerade nicht zu einer Entlastung der einzelnen Beteiligten im Hinblick auf nicht eigenhändig ausgeführte Tatteile führen soll: Hätte ein anderer Mittäter als M den fraglichen Schuss irrtümlich abgegeben, wäre er ebensowenig straflos geblieben, so dass die Tatsache, dass dies von M übernommen wurde, gleichfalls nicht zu Gunsten der Übrigen wirken kann. Ergänzend kann außerdem auf einen Vergleich zur Wirkung des error in persona bei anderen Beteiligungskonstellationen abgestellt werden: So wird sowohl bei der Anstiftung (Rose-Rosahl-Fall) als auch der mittelbaren Täterschaft die Zurechnung einer Objektverwechslung beim Vordermann zu Lasten des Hintermanns regelmäßig zumindest dann angenommen, wenn der Irrtum im Rahmen des allgemeinen Risikos der Tat begründet liegt. Letzteres kann aber auch für den vorliegenden Fall der Mittäterschaft unzweifelhaft angenommen werden, da bei der Abrede, auf Verfolger zu schießen, aufgrund der Hektik und Anspannung dieser Situation mit Fehlentscheidungen der vorliegenden Art gerechnet werden muss, so dass diese sozusagen dem Tatplan „immanent“ sind. Damit verbleibt aber als einziger zweifelhafter Umstand noch die Tatsache, dass P von der Tat selbst betroffen wurde, also nicht nur als Täter, sondern ebenso als Opfer derselben auftritt. Dieser Umstand kann indes unabhängig von der Frage des „ob“ der Strafbarkeit im Rahmen der Rechtsfolgenbestimmung berücksichtigt werden, namentlich durch den – hier allerdings nicht einschlägigen – § 61 StGB (Absehen von Strafe bei schweren Folgen), aber auch im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen, die bei der Bestimmung der konkreten Strafe anzustellen sind und auch die Folgen der Tat umfassen.
c) Bezüglich der Prüfungsreihenfolge in der Klausur ist noch anzumerken, dass das Vorgehen des BGH, welches hier chronologisch zum Urteil abgebildet wurde, in Teilbereichen selbstverständlich umzustellen ist: Danach wäre in einem ersten Schritt – wie auch sonst bei der Mittäterschaft – die Strafbarkeit des M, der den Schuss ja alleine abgegeben hat, zu prüfen und hierbei auch die Irrelevanz seiner Personenverwechslung (bei der Frage nach dem Vorliegen eines Tatbestandsirrtums gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB) zu thematisieren. Im Anschluss an die Feststellung seiner Strafbarkeit ist dann die mittäterschaftliche Zurechnung dieser Tat an den getroffenen P zu untersuchen, wobei dann im Rahmen des gemeinsamen Tatentschlusses die Frage zu klären ist, ob sich der Schuss des M (wenigstens aus seiner Perspektive) nicht als zurechnungsfreier Exzess darstellt – hier können dann auch die Erwägungen, die der BGH zu Beginn seiner Entscheidung aufführt (Berücksichtigung der eingetretenen Selbstverletzung bereits durch die Einordnung der Tat als bloß untauglichen Versuch des P), verarbeitet werden. Schlussendlich ist zu betonen, dass mit guten Argumenten selbstverständlich auch ein von der Lösung des BGH abweichendes Ergebnis vertretbar ist, wobei der Begründungsaufwand hier allerdings höher liegen dürfte als wenn konservativ der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt wird.

11.10.2012/2 Kommentare/von Christian Muders
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-10-11 10:00:272012-10-11 10:00:27Strafrechts-Klassiker: Der Verfolger-Fall
Christian Muders

BGH: Vollendeter Raub bei heimlicher Abkehr eines Mittäters vom Tatplan

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Anm. zu BGH, Beschl. v. 08.05.2012 – 5 StR 88/12 (= NStZ 2012, 508)
1. Um was geht’s?
A und J führten einen von beiden geplanten Raub dergestalt aus, dass A das Opfer O körperlich in Schach hielt, während sein Kumpan J sich in die Wohnung des O begab und nach Geld suchte. Nachdem er fündig geworden und wieder aus der Wohnung gekommen war, spiegelte er dem A allerdings vor, nichts gefunden zu haben, da er die Beute für sich behalten wollte.
Nachdem die erste Instanz (auch) den A wegen vollendetem Raub verurteilt hat, macht dieser mit der Revision geltend, dass für ihn allenfalls eine versuchte Tatbegehung in Betracht komme, da nach seinem Vorstellungsbild eine Vollendung der gemeinsam begangenen Raubtat beim Verlassen des Tatorts nicht vorgelegen habe.
2. Was sagt der BGH?
Der BGH hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und die Verurteilung wegen vollendeten Raubes beibehalten. Er hat zur Erklärung folgendes ausgeführt:

Zwar war die Erwartung eines „fünfstelligen Betrags“ aus der Tatbeute nach den Feststellungen wesentlich dafür, dass sich der Angeklagte zur Mitwirkung an der Tat bereiterklärte. Seine Beuteerwartung war damit bestimmend für die Erbringung seines Tatbeitrages und sein eigenes Interesse an der Tat. Dies ändert aber nichts daran, sondern belegt indes, dass das gesamte objektive Tatgeschehen im gemeinsamen Tatplan lag und mithin vom Vorsatz des Angeklagten gedeckt war. Im Zeitpunkt der Wegnahme des Geldes durch J. hatte er auch die für den Mittäter eines Raubes erforderliche Zueignungsabsicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 – 4 StR 204/11, StraFo 2011, 408). Der Angeklagte hat auf der Grundlage gemeinsamen Wollens und in der Erwartung, einen Teil der Beute zu erhalten, vor und während des tatbestandsmäßigen Geschehens im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit J. Tatbeiträge erbracht, welche die Tatbestandsverwirklichung maßgeblich förderten.

Zur Unterstützung seines Ergebnisses führt das Gericht außerdem noch einen Vergleich mit dem hypothetischen Fall einer eigenhändigen Aufgabe der Tat durch A an:

Der vorliegende Fall, dass sich ein Mittäter in Abkehr vom gemeinsamen Tatplan das vorgefundene Geld alleine zueignen will, kann im Ergebnis nicht anders beurteilt werden als derjenige, dass sich der Angeklagte selbst vom gemeinsamen Tatplan distanziert und daher die weitere Tatvollendung nicht beobachten und beeinflussen kann: Selbst wenn der Angeklagte in dem Moment, als sein Mittäter das Geld wegnahm, die Tatbegehung abgebrochen hätte, wäre er in Anbetracht seiner fortwirkenden Tatbeiträge gleichwohl wegen vollendeten (mittäterschaftlichen) Raubes strafbar gewesen (vgl. § 24 Abs. 2 StGB). Die spätere Fehlvorstellung des Angeklagten über die Tatvollendung ändert an deren Zurechnung erst recht nichts.

3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
a) Der Beschluss stammt bereits vom Mai 2012, ist also schon etwas älteren Datums. Dennoch ist es nicht fernliegend, dass sein Abdruck in der aktuellen Ausgabe der NStZ Prüfer, die noch auf der Suche nach einem geeigneten Fall sind, dazu animiert, sich des Sachverhalts als Vorbild für einen eigenen Prüfungsfall anzunehmen. Die Geschehnisse sind so einfach gehalten, dass sie sich für eine mündliche Prüfung hervorragend eignen, aber auch als Teilaspekt einer größeren schriftlichen Klausur Verwendung finden können, zumal die Vermögensdelikte im Strafrecht ein „Examensdauerbrenner“ sind.
b) Inhaltlich ist dem BGH in vollem Umfang zuzustimmen, wobei sein ergänzender hypothetischer Vergleich mit einem Rücktritt des A meines Erachtens allerdings eher verwirrend erscheint, da eine freiwillige Aufgabe der Tat (durch wen auch immer) hier gerade nicht vorliegt. Vielmehr ergibt sich das stimmige Ergebnis unter konsequenter Anwendung der Grundsätze der Mittäterschaft, wobei die Besonderheiten des Raubes als „kupiertes Erfolgsdelikt“ zu beachten sind. Danach wird der zweiaktige, objektive Tatbestand des Raubes vorliegend in geradezu „klassischer Manier“ als Fall eines mittäterschaftlichen Vorgehens durchgeführt: Während der eine Beteiligte (A) die Nötigungshandlung ausführt (Gewalt durch das körperliche „In-Schach-halten“), führt der andere die Wegnahme innerhalb der Wohnung des Opfers aus. Letztere Handlung ist dem draußen wartenden A wiederum über § 25 Abs. 2 StGB zurechenbar, da er 1.) selbst einen wesentlichen Tatbeitrag in Gestalt der Nötigung ausführt und 2.) dieses Verhalten auch dem beiderseitig verabredeten Vorgehen entsprach. Dass J dabei – sozusagen „im Exzess“ – von dem gemeinsamen Tatplan insofern abgewichen ist, als er vor oder nach der abgesprochenen Ansichnahme des Geldes die Absicht fasste, selbiges alleine für sich zu behalten, ist dabei für die mittäterschaftliche Zurechnung unschädlich. Denn diese kann sich ohnehin nur auf die objektiven Tatteile beziehen, während subjektive Elemente (wie Vorsatz, aber auch eine Bereicherungs- oder Zueignungsabsicht) sowie Sonderpflichtmerkmale zwingend stets in persona des jeweiligen Tatbeteiligten vorliegen müssen. Dementsprechend führt auch die Tatsache, dass der A schlussendlich leer ausgegangen ist, nicht zur Annahme eines (für ihn) bloß versuchten Raubes. Denn der Raub ist, entsprechend der Kriterien beim Diebstahl, bereits dann vollendet, wenn die Wegnahme erfolgreich abgeschlossen wurde, was bei kleineren Gegenständen wie Geld mit dem Einstecken in eine dem Täter gehörige „Gewahrsamsenklave“ der Fall ist – auf eine anschließende objektive Zueignung, wie sie etwa für die Unterschlagung nach § 246 StGB gefordert wird, kommt es gerade nicht an. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der jeweilige Täter das von ihm – nach dem oben Gesagten – höchstpersönlich zu verwirklichende subjektive Merkmal der „Zueignungsabsicht“ zum Zeitpunkt der Tat – und d.h. nach § 8 S. 1 StGB: der Tathandlung – aufweist (Koinzidenzprinzip). Letzteres kann vorliegend im Hinblick auf A aber nicht zweifelhaft sein, da er sowohl zum Zeitpunkt der Nötigung als auch der ihm zuzurechnenden Wegnahme durch J noch in Erwartung eines zu erlangenden Geldbetrages vor der Wohnung des O ausharrte.

27.09.2012/11 Kommentare/von Christian Muders
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-09-27 10:00:342012-09-27 10:00:34BGH: Vollendeter Raub bei heimlicher Abkehr eines Mittäters vom Tatplan

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