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Schlagwortarchiv für: Mangel

Redaktion

Untersuchungs- und Mängelrügeobliegenheit (§ 377 HGB)

Handelsrecht, Karteikarten, Rechtsgebiete, Uncategorized, Zivilrecht, Zivilrecht

A. Voraussetzungen

I. Beiderseitiges Handelsgeschäft i.S.v. §§ 343 f. HGB
II. Ablieferung der Ware

→ Käufer kommt in eine solche räumliche Beziehung zu der Ware, dass er deren Beschaffenheit prüfen kann (grds. Übergabe)

III. Mangelhaftigkeit der Ware

→ Mangelbegriff des § 377 HGB umfasst jedenfalls alle Mängel i.S.v. § 434 BGB

(P): Auch Rechtsmängel i.S.v. § 535 BGB umfasst?

IV. Keine Ordnungsgemäße Rüge
  1. Anzeige des Mangels

→ Rüge = formlose Anzeige des Mangels durch den Käufer an den Verkäufer

→ Rüge ist Wissenserklärung, die meistens Regeln über Willenserklärungen sind aber nach h.M. anwendbar

  1. Rechtzeitigkeit der Anzeige

→ Welche Untersuchungsmaßnahmen gefordert werden können, hängt gem. § 377 I HGB davon ab, was nach „ordnungsgemäßem Geschäftsgange tunlich ist“

→ § 77 IV HGB lässt rechtzeitige Absendung der Anzeige genügen. Anzeige wird allerdings erst mit dem Zugang beim Verkäufer wirksam (§ 130 I 1 BGB analog)

→ § 377 IV HGB verlagert lediglich Verzögerungs-, nicht Verlustrisiko

a) Offener Mangel: unverzüglich nach Ablieferung (§ 377 I HGB)

b) Verdeckter Mangel: unverzüglich nach Entdeckung (§ 377 III HGB)

V. Kein arglistiges Verschweigen des Mangels, § 377 V HGB

B. Rechtsfolge: Genehmigungsfiktion des § 377 II HGB

→ Präklusion der Mängelgewährleistungsansprüche

18.10.2023/0 Kommentare/von Redaktion
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2023-10-18 08:09:212023-10-18 08:09:23Untersuchungs- und Mängelrügeobliegenheit (§ 377 HGB)
Dr. Yannick Peisker

Das „neue“ Kaufrecht 2022 – Teil 2: Der Nacherfüllungsanspruch

Aktuelles, Examensvorbereitung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Jurastudenten und auch Praktiker werden die Nachricht mit gemischten Gefühlen entgegengenommen haben – mit dem Beginn des Jahres 2022 stehen größere Änderung im allseits prüfungs- und praxisrelevanten Kaufrecht an. Juraexamen.info gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen, die aufgrund der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie (EU) 2019/771 im Kaufrecht der §§ 433 ff. BGB erfolgen. Hierzu veröffentlichen wir eine Reihe von Beiträgen – in diesem zweiten Teil der Reihe steht der Nacherfüllungsanspruch des Käufers im Fokus.
I. Anforderungen der Richtlinie (EU) 2019/771 an die Nacherfüllung
Genuin unionsrechtliche Vorgaben und Anforderungen an die Nacherfüllung in Gestalt der Nachbesserung oder Nachlieferung trifft die Richtlinie (EU) 2019/771 in Art. 14.
Art. 14 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2019/771 beschreibt die Art und Weise der Erfüllung von Nachbesserung und Nachlieferung. Dies habe unentgeltlich (lit. a); innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit unterrichtet hat (lit. b) und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu erfolgen, wobei die Art der Waren sowie der Zweck, für den der Verbraucher die Waren benötigt, zu berücksichtigen sind (lit. c).
Abs. 2 regelt nunmehr die Frage, wie mit der mangelbehafteten Ware zu verfahren ist. Sofern die Vertragswidrigkeit durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung beseitigt wird, stellt der Verbraucher die Ware dem Verkäufer zur Verfügung. Der Verkäufer muss diese ersetzten Waren auf seine Kosten zurücknehmen.
Abs. 3 betrifft die Problematik der Nacherfüllung bei eingebauten Waren. Erfordert die Nachbesserung deren Entfernung, umfasst die Nacherfüllungspflicht nunmehr ausdrücklich die Entfernung der mangelbehafteten Ware sowie Montage oder Installierung nach Nachbesserung oder Nachlieferung, oder aber auch eine entsprechende Kostenübernahme.
Zuletzt regelt Abs. 4, dass der Verbraucher für eine normale Verwendung der ersetzten Waren für die Zeit vor der Ersetzung nicht zu zahlen braucht.
Um diese in der Richtlinie (EU) 2019/771 getroffenen Anforderungen in nationales Recht umzusetzen, hat der Gesetzgeber einige Anpassungen des § 439 BGB vorgenommen.
II. Die Umsetzung in deutschen Recht
Textliche Änderungen hat der Gesetzgeber durch Gesetz v. 25.6.2021 (BGBl. I S. 2133) durch Anpassung des Abs. 3 S. 1, durch Streichung des Abs. 3 S. 2, durch Einfügen eines neuen Abs. 5 und die Verschiebung des bisherigen Abs. 5 in Abs. 6 verbunden mit der Einführung eines neuen Abs. 6 S. 2 vorgenommen. Nachfolgend sollen die einzelnen Änderungen untersucht und ihre Auswirkung auf die bisher geltende Rechtslage beurteilt werden.
1. Aufwendungen für den Aus- und Einbau, § 439 Abs. 3 BGB nF.
439 Abs. 3 BGB betrifft die klassischen Einbaufälle, in denen der Käufer die gekaufte Sache in eine andere Sache eingebaut, oder an eine andere Sache angebracht hat. Abs. 3 S. 1 verpflichtet in diesem Fällen, sofern der Einbau oder die Anbringung der Art der gekauften Sache und ihrem Verwendungszweck entspricht, den Verkäufer dazu, die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften Sache und den Einbau oder das Anbringen der mangelhaften Sache zu tragen.
Wichtig ist: Diese Pflicht wird durch die Neuregelung des Abs. 3 im Grundsatz nicht angerührt.
Lediglich der Ausnahmetatbestand ist betroffen. So verwies § 439 Abs. 3 S. 2 BGB aF. auf § 442 Abs. 1, wobei es für die Kenntnis des Käufers auf den Zeitpunkt des Einbaus/Anbringens ankam. Dies hatte nach früherer Rechtslage zur Folge, dass der Anspruch des Käufers auf Aufwendungsersatz nach Abs. 3 S. 1 in den Fällen ausgeschlossen war, in denen er bereits bei Einbau oder Anbringen der gekauften Sache Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von ihrer Mangelhaftigkeit besaß. Mit dieser Vorschrift setzte der nationale Gesetzgeber seinerseits (überschießend, also nicht nur für Verbraucher, sondern für alle Käufe geltend) die Rechtsprechung des EuGH um, nach der ein Ersatz von Aus- und Einbaukosten nur bei Gutgläubigkeit des Verbrauchers bestehen könne (BT-Drs. 19/27424, 26).
Dieser Ausnahmetatbestand des S. 2 fällt nunmehr weg.
Stattdessen wurde Abs. 3 S. 1 dergestalt angepasst, dass ein Aufwendungsersatzanspruch nur besteht, wenn die Sache eingebaut oder angebracht wurde „bevor der Mangel offenbar wurde“. Was genau unter dieser Begrifflichkeit zu verstehen ist, bleibt ungeklärt. Die Richtlinie (EU) 2019/771 selbst verhält sich hierzu nicht, ebenso wenig die nationalen Regelungen.
Vertreten lässt sich sowohl eine objektive Sichtweise, sodass es auf die Erkenntnismöglichkeit eines Durchschnittskäufers ankomme (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2067), jedoch scheint auch eine Betrachtungsweise aus Sicht des Käufers nicht ausgeschlossen.
Darüber hinaus ist fraglich, ob die positive Kenntnis entscheidend und erforderlich ist, oder ob bereits grob oder einfach fahrlässige Unkenntnis ausreichend ist. Mit Blick auf die EuGH Entscheidung zur Richtlinie (EG) 1999/44, der die Gutgläubigkeit des Käufers forderte (EuGH, Urt. v. 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, NJW 2011, 2269) und die frühere Umsetzung in nationales Recht durch Verweis auf § 442 BGB, ist davon auszugehen, dass auch vorliegend bereits grob fahrlässige Unkenntnis schädlich ist. Sofern der nationale Gesetzgeber eine anderweitige Regelung hätte treffen wollen, hätte er dies in der Gesetzesbegründung wohl deutlicher hervorgehoben.
Rechtlich bringt die Änderung des § 439 Abs. 3 BGB nach hier vertretener Auffassung daher keine Änderungen, das letzte Wort ist hier jedoch juristisch noch nicht gesprochen.
In dem Zusammenhang soll kursorisch erwähnt werden, dass die bisherige Regelung des § 475 Abs. 4 BGB aF. ersatzlos gestrichen wurde. Der dortige S. 2 sah die Möglichkeit des Verkäufers vor, den Aufwendungsersatz nach Abs. 3 S. 1 auf einen angemessenen Betrag zu beschränken, sofern die andere Art der Nacherfüllung wegen der Höhe der Aufwendungen nach § 439 Abs. 2 oder Abs. 3 S. 1 BGB unverhältnismäßig ist. Diese Vorschrift galt aufgrund ihrer Verortung in § 475 BGB ausschließlich für den Kauf einer Ware eines Verbrauchers von einem Unternehmer. Diese Schlechterstellung des Verbrauchers im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufes gegenüber anderen Käufern wird nunmehr aufgehoben. Eine Beschränkung auf einen angemessenen Betrag ist daher nicht mehr möglich.
2.Verweigerung der Nacherfüllung, § 439 Abs. 4 BGB nF.
§ 439 Abs. 4 BGB selbst bleibt unverändert. An dieser Stelle soll jedoch erneut auf den ersatzlosen Wegfall des § 475 Abs. 4 BGB aF. hingewiesen werden. Nach alter Rechtslage stand dem Unternehmer als Verkäufer, wenn die eine Art der Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen war oder der Unternehmer sie nach § 275 Abs. 2 oder 3 BGB oder § 439 Abs. 4 S. 1 BGB verweigern konnte, in Bezug auf die andere Art der Nacherfüllung nicht der Einwand des § 439 Abs. 4 S. 1 BGB zu. Es bestand daher nur ein relatives Verweigerungsrecht des Verkäufers (BeckOK BGB/Faust, 60. Ed. Stand 1.11.2021, § 475 Rn. 33 ff.).
Mit der Abschaffung dieser Regelung kann sich der Verkäufer daher auch im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs auf eine Totalverweigerung berufen (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2069).
3. Pflicht des Käufers, dem Verkäufer die Sache zur Verfügung zu stellen, § 439 Abs. 5 BGB nF.
§ 439 Abs. 5 BGB regelt nunmehr ausdrücklich die Pflicht des Käufers, dem Verkäufer die Sache zum Zwecke der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen.
Dies stellt im Grundsatz eine Kodifikation bisher geltender Rechtsprechungsgrundsätze dar. Denn nach bisheriger Judikatur des BGH liegt kein taugliches Nacherfüllungsverlangen vor, solange der Käufer dem Verkäufer keine Gelegenheit biete, die Ware zu begutachten und sie ihm hierfür nicht am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung stelle (BGH, Urt. v. 19.7.2017 – VIII ZR 278/16, NJW 2017, 2758 Rn. 21). Nach bisher geltender Rechtslage handelt es sich bei der Überlassung der mangelbehafteten Kaufsache an den Verkäufer um eine Obliegenheit des Käufers. Ohne ein taugliches Nacherfüllungsverlangen liegt keine ordnungsgemäße Fristsetzung innerhalb der §§ 281, 323 BGB vor, sodass die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Rücktritts, Schadensersatz und Minderung regelmäßig ausgeschlossen ist (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2067).
Wohingegen einige Autoren die nunmehr ausdrückliche Kodifikation weiterhin als Obliegenheit einordnen wollen (so wohl Lorenz, NJW 2021, 2065, 2067), spricht vieles dafür, nunmehr von einer erzwingbaren rechtlichen Pflicht auszugehen.
So wird in der Begründung zum Gesetzentwurf wie folgt formuliert:

„Mit § 439 Absatz 5 BGBE wird dies nunmehr gesetzlich geregelt. Systematik und Wortlaut der unionsrechtlichen Vorgabe deuten indes darauf hin, dass es sich nicht bloß um eine Obliegenheit des Käufers handelt, sondern um eine erzwingbare Pflicht.“

Eine rechtliche Pflicht genießt gegenüber einer Obliegenheit den Vorteil, dass sie vom Verkäufer (Schuldner) dem Käufer (Gläubiger) des Nacherfüllungsanspruches als Einrede gemäß § 273 BGB entgegengehalten werden kann – bereits dieser ist somit nicht durchsetzbar (Wilke, VuR 2021, 283, 289). Darüber hinaus ist ein Nacherfüllungsverlangen zur Geltendmachung der Rechte aus § 437 BGB insbesondere im Verbrauchsgüterkauf nicht immer notwendig (siehe § 475d BGB). Diese Rechte aus § 437 BGB, insbesondere § 323 und § 281 BGB, setzen jedoch einen fälligen und einredefreien Anspruch voraus, welcher im Falle der Einordnung als Pflicht – und damit nicht als Obliegenheit – aufgrund von § 273 BGB gerade nicht besteht. Dies zeigt die rechtliche Schwäche einer Einordnung als Obliegenheit auf.
4. Erfüllungsort der Nacherfüllung
Zum Erfüllungsort selbst verhält sich die Richtlinie (EU) 2019/771 oder auch das BGB nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass auch in Zukunft die bisherige Rechtsprechung des BGH Geltung entfacht (nachzulesen in BGH, Urt. v. 19.7.2017 – VIII ZR 278/16, NJW 2017, 2758 Rn. 21 ff.). Danach gilt auch im Kaufrecht grundsätzlich die allgemeine Vorschrift des § 269 BGB. Bei einem Verbrauchsgüterkauf kommt es somit entscheidend darauf an, ob die Nacherfüllung mit solchen Unannehmlichkeiten verbunden ist, dass der Erfüllungsort ausnahmsweise am Wohnsitz des Verbrauchers liegt. Das Abstellen auf die mit der Nacherfüllung verbundenen Unannehmlichkeiten in diesem Rahmen findet in Art. 14 Abs. 1 lit. d Richtlinie (EU) 2019/771 erneut eine brauchbare Stütze im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 269 BGB.
5. Rücknahmepflicht des Verkäufers, § 439 Abs. 6 S. 2 BGB nF.
Korrespondierend zur Überlassungspflicht des Käufers regelt § 439 Abs. 6 S. 2 BGB nF. die Pflicht des Verkäufers, die ersetzte Sache zurückzunehmen. Dieser S. 2 steht in Zusammenhang mit Abs. 6 S. 1. Es handelt sich hierbei um den § 439 Abs. 5 BGB aF. Nach dieser Norm kann der Verkäufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 BGB verlangen, sofern er zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache liefert.
Abs. 6 S. 2 betrifft damit die Konstellation, dass der Verkäufer eine neue Sache im Wege der Nachlieferung bereitstellt, er aber die alte Sache nicht zurücknimmt. Aus der Praxis dürfte dies insbesondere bei großen Versandhändlern der Fall sein, die den mit der Rücknahme einer defekten Sache verbundenen Aufwand nicht tragen wollen.
Bereits ohne ausdrückliche Normierung der Pflicht des Verkäufers, die ersetzte Sache zurückzunehmen, war jedoch nach alter Rechtslage anerkannt, dass die Rücknahmepflicht einer mangelhaften Sache Kehrseite der aus § 433 Abs. 2 BGB folgenden Abnahmeverpflichtung des Käufers darstellt (OLG Köln, Urt. v. 21.12.2005 – 11 U 46/05, NJW-RR 2006, 677; BeckOK BGB/Faust, 60 Ed. Stand 1.11.2021, § 439 Rn. 28). Nichtsdestotrotz tendierte der BGH bisher dazu, eine entsprechende Rücknahmeverpflichtung des Verkäufers nur bei einem berechtigten oder besonderen Interesse des Käufers anzunehmen (BGH, Urt. v. 9.3.1983 – VIII ZR 11/82, NJW 1983, 1479, 1480). Diese Position hat sich jedenfalls mit der ausdrücklichen Kodifizierung der Rücknahmeverpflichtung des Verkäufers erledigt.
6. Summa: Kaum rechtliche Änderungen
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die rechtliche Beurteilung des Nacherfüllungsanspruches sich auch nach dem 1.1.2022 größtenteils nicht ändern wird. Für das Examen bedarf es hier daher nur kaum einer inhaltlichen Auffrischung.
Neu sein dürfte die Einordnung der Überlassung der Kaufsache an den Verkäufer bei ihrer Mangelhaftigkeit als rechtliche Pflicht des Käufers sein, mit den oben dargestellten Folgen in Bezug auf die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Frage des tauglichen Nacherfüllungsverlangens. Hier lohnt es sich, auch in der Klausur präzise zu arbeiten und den Unterschied zwischen Obliegenheit und rechtlicher Pflicht herauszuarbeiten.
Zur Rechtssicherheit trägt die Kodifikation der Verkäuferpflicht zur Rücknahme der mangelhaften Kaufsache bei Neulieferung bei, hier kommt es nun nicht mehr auf das Vorliegen eines berechtigten Käuferinteresses an.
Rechtsunsicherheit wird durch die Richtlinie (EU) 2019/771 und die mit ihr verbundenen Änderungen im nationalen Recht lediglich im Rahmen der klassischen Einbaufälle geschaffen. So bedarf es in Zukunft der gerichtlichen Klärung, wann der Mangel „offenbar“ wird. Einer Problematisierung bedarf es hier daher in jedem Falle auch in der Prüfungssituation.

03.01.2022/0 Kommentare/von Dr. Yannick Peisker
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannick Peisker https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannick Peisker2022-01-03 09:00:112022-01-03 09:00:11Das „neue“ Kaufrecht 2022 – Teil 2: Der Nacherfüllungsanspruch
Dr. Lena Bleckmann

Das „neue“ Kaufrecht 2022 – Teil 1: Der Sachmangelbegriff des § 434 BGB

Aktuelles, Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Kaufrecht, Lerntipps, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Jurastudenten und auch Praktiker werden die Nachricht mit gemischten Gefühlen entgegengenommen haben – mit dem Beginn des Jahres 2022 stehen größere Änderung im allseits prüfungs- und praxisrelevanten Kaufrecht an. Juraexamen.info gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen, die aufgrund der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie (EU) 2019/771 im Kaufrecht der §§ 433 ff. BGB erfolgen. Hierzu veröffentlichen wir eine Reihe von Beiträgen – in diesem ersten Teil der Reihe steht neben allgemeinen Informationen zur Richtlinie der neue Sachmangelbegriff im Fokus.
I. Warum eine Kaufrechtsreform?
Doch zunächst einige Hintergrundinformationen zum Grund für die doch recht umfangreichen Änderungen im BGB. Man mag sich fragen, was den deutschen Gesetzgeber dazu veranlasst hat, grundlegende Fragen das Kaufrechts neu zu regeln. Wie so oft steckt hierhinter eine Umsetzungsverpflichtung aus dem Europarecht (Art. 288 Abs. 3 AEUV).
Die Richtlinie (EU) 2019/771 hat es sich ausweislich ihres Art. 1 zum Ziel gesetzt, „zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, indem gemeinsame Vorschriften über bestimmte Anforderungen an Kaufverträge zwischen Verkäufern und Verbrauchern festgelegt werden, insbesondere Vorschriften über die Vertragsmäßigkeit der Waren, die Abhilfen im Falle einer Vertragswidrigkeit, die Modalitäten für die Inanspruchnahme dieser Abhilfen sowie über gewerbliche Garantien.“
Die Mitgliedsstaaten wurden zur Umsetzung der Richtlinie bis zum 1. Juli 2021 verpflichtet, ab dem 1. Januar 2022 sollen die neuen Regelungen gelten (Art. 26 Richtlinie (EU) 2019/771). Der deutsche Gesetzgeber hat die Umsetzungsfrist mit dem Erlass des Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags v. 25. Juni 2021 (BGBl. 2021, I, S. 2133) haarscharf eingehalten. Viel Spielraum bei der Umsetzung der Richtlinie blieb ihm nicht – anders als noch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die im Zuge der Schuldrechtsreform 2002 umgesetzt wurde, ist die aktuelle Warenkaufrichtlinie vollharmonisierend. Dies geht aus Art. 4 der Richtlinie hervor: „Sofern in dieser Richtlinie nichts anderes bestimmt ist, dürfen die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht keine von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichenden Vorschriften aufrechterhalten oder einführen; dies gilt auch für strengere oder weniger strenge Vorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus.“ Die Mitgliedsstaaten dürfen das von der Richtlinie vorgegebene Schutzniveau mithin nicht nur nicht unter- sondern ebenso nicht überschreiten – die Vorgaben sollen im gesamten europäischen Binnenmarkt gleichermaßen gelten.
Die zentralen Begrifflichkeiten werden in Art. 2 der Richtlinie (EU) 2019/771 definiert, ihr Anwendungsbereich ist mit Kaufverträgen zwischen einem Verbraucher und einem Verkäufer (Art. 3 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2019/771) grundsätzlich weit gefasst, wobei die Einschränkungen der Abs. 3-7 zu berücksichtigen sind.
II. Anforderungen der Richtlinie (EU) 2019/771 an die Vertragsmäßigkeit von Waren
Nun zum Sachmangel. Ein Sachmangel liegt nach allgemeinem Verständnis vor, wenn die Ist-Beschaffenheit der Kaufsache von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Ganz maßgeblich ist daher, welche Anforderungen an die Soll-Beschaffenheit der Kaufsache zu stellen sind bzw. wie diese zu bestimmen ist. Hierzu machen die Art. 5 ff. der Richtlinie (EU) 2019/771 nähere Vorgaben. Nach Art. 5 Richtlinie (EU) 2019/771 liefert der Verkäufer dem Verbraucher Waren, die – soweit anwendbar – die Voraussetzungen der Art. 6, 7 und 8 der Richtlinie erfüllen. Ausweislich der Überschrift des Artikels ist dies als Definition dessen zu verstehen, was die Vertragsgemäßheit von Waren voraussetzt. Art. 6 Richtlinie (EU) 2019/771 bezieht sich auf subjektive Anforderungen an die Vertragsgemäßheit von Waren, Art. 7 Richtlinie (EU) 2019/771 demgegenüber auf objektive Anforderungen, sowie schließlich Art. 8 Richtlinie (EU) 2019/771 auf die Vertragswidrigkeit der Waren aufgrund unsachgemäßer Montage oder Installation. Da Art. 5 Richtlinie (EU) 2019/771 die Voraussetzungen der Art. 6, 7 und 8 kumulativ als Anforderungen nennt, ist eine Ware nur dann als vertragsgemäß anzusehen, wenn die Vorgaben aller drei Artikel erfüllt sind, soweit nicht Ausnahmen greifen.
III. Die Umsetzung im deutschen Recht
So hat auch der deutsche Gesetzgeber die Anforderungen der Richtlinie verstanden. Aus diesem Grund nennt § 434 Abs. 1 BGB in der ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung drei kumulative Voraussetzungen für die Freiheit der Kaufsache von Sachmängeln: „Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.“
Zu betonen ist auch hier wieder das Wörtchen „und“ – dass die genannten Anforderungen alternativ erfüllt sind, genügt für die Sachmangelfreiheit nicht, sie müssen vielmehr kumulativ vorliegen. Wohlgemerkt gilt dieser neue Mangelbegriff nicht nur für Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern, sondern für das Kaufrecht im Allgemeinen. In den Absätzen 2, 3 und 4 des § 434 BGB n.F. präzisiert das Gesetz, wann eine Sache den subjektiven, objektiven sowie Montageanforderungen entspricht. Hierauf wird näher einzugehen sein.
Zunächst jedoch ein Vergleich mit dem (noch) geltenden Recht. Bislang geht der strukturiert arbeitende Klausurkandidat auf der Suche nach einem Sachmangel in mehreren Schritten vor: Ausgehend vom subjektiven Fehlerbegriff prüft er, ob eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt. Ist das der Fall, ist allein diese ausschlaggebend. Die Anforderungen an das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung sind jedoch nicht zu niedrig anzusetzen: Erforderlich ist mindestens eine konkludente Einigung, wobei nicht bereits die übliche Beschaffenheit als konkludent vereinbart gilt (BeckOK BGB/Faust, § 434 Rn. 41). Die übliche Beschaffenheit als objektives Kriterium ist vielmehr erst später in der Prüfung unter § 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB zu berücksichtigen. Vorher noch ist bei Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung zu fragen, ob sich die Kaufsache gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Man arbeitete sich mithin vom subjektiven Fehlerbegriff, von der spezifischen Parteivereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB, über die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung erst hin zu objektiven Anhaltspunkten nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Weiterhin konnte sich die Mangelhaftigkeit aus abweichenden Werbeangaben (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB), aus Montagefehlern (§ 434 Abs. 2 BGB) oder aber aus Aliud- oder Mankolieferungen (§ 434 Abs. 3 BGB) ergeben.
Ist all das bislang Gelernte nun hinfällig, wenn subjektive und objektive sowie Montageanforderungen kumulativ erfüllt sein müssen? Ganz so ist es wohl nicht.
1. Zu den subjektiven Anforderungen
Zum einen findet sich auch im neuen § 434 BGB viel Bekanntes wieder. So entspricht eine Sache nach § 434 Abs. 2 S. 1 BGB n.F. den subjektiven Anforderungen, wenn sie (1) die vereinbarte Beschaffenheit hat, (2) sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und (3) mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird – vieles ist insoweit bereits aus dem bisherigen § 434 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 sowie Abs. 2 S. 2 BGB geläufig.
Über die vorausgesetzte Verwendung müssen sich die Parteien einigen – Art. 6 lit. b Richtlinie (EU) 2019/771 setzt insoweit die Zustimmung des Verkäufers voraus, die Vollharmonisierung verbietet hier jedenfalls im Anwendungsbereich der Richtlinie eine zugunsten des Verbrauchers günstigere Interpretation, die eine übereinstimmend unterstellte Verwendung genügen lässt (vgl. Wilke, VuR 2021, 283).
Ob die fehlende Montageanleitung bislang unter § 434 Abs. 2 S. 2 BGB fiel, war umstritten (hierfür BeckOK BGB/Faust, § 434 Rn. 102 m.W.N.; für die Anwendung des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Palandt/Weidenkaff, § 434 Rn. 48), in der neuen Fassung der Norm ist die Zuordnung nunmehr eindeutig. Damit das Fehlen von Zubehör und Montageanleitung einen Sachmangel im subjektiven Sinne darstellen kann, ist erforderlich, dass ihr Vorhandensein vereinbart wurde – insoweit ergibt sich keine Änderung in der Rechtslage, auch nach dem bisherigen § 434 BGB hätte ein solches Fehlen vereinbarter Lieferbestandteile einen Sachmangel begründet (Lorenz, NJW 2021, 2065 (2066)).
§ 434 Abs. 2 S. 2 n.F. präzisiert weiter, dass zu der Beschaffenheit nach S. 1 Nr. 1 auch die Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben, gehört. Die Begriffe der Funktionalität, Kompatibilität und Interoperabilität sind in Art. 2 Nr. 8, 9 und 10 Richtlinie (EU) 2019/771 definiert.
Dass die Art der Sache Merkmal der Beschaffenheit ist, könnte ein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachmangels bei Aliud-Lieferungen sein. Andererseits regelt § 434 Abs. 5 BGB n.F. ausdrücklich, dass die Lieferung einer anderen Sache als die vertraglich geschuldete einem Sachmangel gleichsteht. Anwendungsfälle, in denen die Art der Sache nicht der Vereinbarung entspricht, zugleich aber nicht bereits ein Aliud geliefert wird, sind jedenfalls auf den ersten Blick nicht ersichtlich (ähnlich Wilke, VuR 2021, 283 (285)). Die Rechtsprechung wird hier zeigen müssen, ob sich die Regelungsbereiche des § 434 Abs. 5 n.F. und § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 1 BGB n.F. tatsächlich vollständig decken. Sollte dem so sein, wäre § 434 Abs. 5 n.F. überflüssig – dass das Aliud als Sachmangel gilt, ist dann unerheblich, wenn die Abweichung in der Art der Sache bereits ein Sachmangel ist.
Die Aufnahme des Merkmals der Menge in § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB n.F. könnte bislang bestehende Fragen hinsichtlich der Zuviel-Lieferung klären – oder aber weitere aufwerfen. Während § 434 Abs. 3 BGB in der aktuellen Fassung dem Wortlaut nach nur die zu geringe Menge umfasst, ist § 434 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB n.F. insoweit offener formuliert. Da das Äquivalenzinteresse durch eine Zuviellieferung allerdings nicht beeinträchtigt wird, kann durchaus bezweifelt werden, ob eine solche trotz der nun möglichen Subsumtion unter den Wortlaut erfasst sein soll (Wilke, VuR 2021, 283 (285)). Gegen eine Einbeziehung auch der Zuviellieferung spricht auch die Gesetzesbegründung zu § 434 Abs. 5 BGB n.F.: Der deutsche Gesetzgeber bezieht sich hier ausdrücklich nur auf zu geringe Liefermengen (BT-Drucks. 19/27424, S. 25). Ob dies dem Verständnis des europäischen Richtliniengebers entspricht, ist damit natürlich nicht gesagt.
Die Aufzählung der Beschaffenheitsmerkmale ist nicht abschließend, wie der Zusatz „oder sonstige Merkmale“ zeigt. Die Parteien können also weitere Merkmale als Bestandteile der Beschaffenheit vereinbaren.
2. Zu den objektiven Anforderungen
Die objektiven Anforderungen an die Kaufsache stellt § 434 Abs. 3 n.F. auf. Hierzu gehört, dass die Kaufsache (1) sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, (2) eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung a) der Art der Sache und b) der öffentlichen Äußerungen, die von dem
Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden, sowie (3) der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und (4) mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
Die erstgenannten Punkte sind weitgehend aus § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB a.F. bekannt. Dass die Sache einer zur Verfügung gestellten Probe oder einem Muster entsprechen muss, ist als ausdrückliche Regelung neu, inhaltlich dürfte dies indes kaum eine Erweiterung des Mangelbegriffs bedeuten. Bislang ging man insoweit von einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung aus (Wilke, VuR 2021, 283 (284)). Ebenfalls nicht neu ist, dass das Fehlen zu erwartenden Zubehörs oder zu erwartender Verpackung oder Montage- oder Installationsanleitungen oder anderen Anleitungen zu einem Mangel führt (bislang über § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, vgl. Wilke, VuR 2021, 283 (284), zu vereinbarten Bestandteilen der Lieferung siehe bereits oben 1.).
In S. 2 werden wiederum, wie schon für die subjektiven Anforderungen, Merkmale aufgeführt, die zur Beschaffenheit – diesmal der üblichen Beschaffenheit – gehören. Überwiegend kann hier auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden. Zu den objektiven Merkmalen der Beschaffenheit zählt allerdings insbesondere auch die Haltbarkeit der Sache. „Haltbarkeit“ ist dabei die Fähigkeit der Sache, ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei normaler Verwendung zu behalten, Art. 2 Nr. 13 Richtlinie (EU) 2019/771. In Erwgr. 32 der Richtlinie (EU) 2019/771 heißt es hierzu:

„Damit Waren vertragsgemäß sind, sollten sie eine Haltbarkeit haben, die für Waren derselben Art üblich ist und die der Verbraucher in Anbetracht der Art der spezifischen Waren, einschließlich der möglichen Notwendigkeit einer vernünftigen Wartung der Waren, wie etwa der regelmäßigen Inspektion oder des Austausches von Filtern in einem Auto, und unter Berücksichtigung öffentlicher Erklärungen, die von dem Verkäufer oder im Auftrag des Verkäufers oder einer anderen Person in vorhergehenden Gliedern der Vertragskette abgegeben wurden, vernünftigerweise erwarten kann. Bei der Beurteilung sollten auch alle anderen maßgeblichen Umstände berücksichtigt werden, wie beispielsweise der Preis der Ware und die Intensität oder Häufigkeit der Verwendung seitens des Verbrauchers“

Mithin geht es insbesondere darum, welche berechtigten Erwartungen der Käufer an die Haltbarkeit einer Sache haben darf, wobei Preis sowie übliche Nutzung der Sache zu berücksichtigen sind. Hingegen begründet § 434 Abs. 3 S. 2 BGB n.F. keine Haltbarkeitsgarantie, wie die Gesetzesbegründung ausdrücklich klarstellt:

„Daraus folgt, dass der Verkäufer dafür einzustehen hat, dass die Sache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Fähigkeit hat, ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei normaler Verwendung zu behalten. § 434 Absatz 3 BGB-E begründet hingegen keine gesetzliche Haltbarkeitsgarantie. Der Verkäufer haftet nach § 434 Absatz 3 BGB-E nicht dafür, dass die Sache tatsächlich ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei normaler Verwendung behält.“ (BT-Drucks. 19/27424, S. 24)

Insgesamt sind die nun geregelten, objektiven Anforderungen für sich genommen nicht neu. Die genannten Merkmale waren auch nach bisheriger Rechtslage bereits zu berücksichtigen, soweit es auf die objektive Beschaffenheit der Kaufsache ankam. Neu ist allerdings das Rangverhältnis der objektiven Beschaffenheitsmerkmale zu den subjektiven Anforderungen an die Kaufsache – hierzu sogleich unter 3.
3. Zu den Montageanforderungen
Schnell abgehandelt werden können die Montageanforderungen, die in § 434 Abs. 4 BGB n.F. geregelt sind. Die dortige Umsetzung des Art. 8 Richtlinie (EU) 2019/771 entspricht dem Regelungsgehalt nach dem bisherigen § 434 Abs. 2 BGB (vgl. BT-Drucks. 19/27424, S. 25; Lorenz, NJW 2021, 2065 (2066)).
4. Zur Gleichrangigkeit der objektiven und subjektiven Anforderungen
So steht nun fest, was unter den in § 434 Abs. 1 BGB n.F. genannten Anforderungskategorien zu verstehen ist. Zeit, sich mit der dort angeordneten und für das deutsche Recht neuen Gleichrangigkeit dieser Anforderungen auseinanderzusetzen.
Wenn Mangelfreiheit nur dann vorliegt, wenn die Kaufsache den subjektiven und objektiven Anforderungen entspricht, kann sie dann wegen objektiver Mängel vertragswidrig sein, obwohl die Parteien sich zuvor über diese verständigt hatten? Das ginge zu weit. In einem solchen Fall könnte etwa ein gebrauchtes Auto, das stärkere Abnutzungen aufweist, als es bei Fahrzeugen desselben Alters üblicherweise zu erwarten ist, kaum noch verkauft werden. Das entspricht nicht dem Sinn und Zweck der Neuregelungen. Einem solchen Ergebnis beugt § 434 Abs. 3 S. 1 BGB n.F. vor: Dort heißt es „Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie (…)“. Die Parteien können die Bedeutung der objektiven Anforderungen mithin durch eine negative Beschaffenheitsvereinbarung zurücktreten lassen. Soweit es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, kann eine solche auch konkludent abgeschlossen werden, was bei Kenntnis und Billigung der Abweichungen von der objektiven Beschaffenheit durch den Käufer regelmäßig der Fall sein dürfte.
Nicht so allerdings im Verbrauchsgüterkaufrecht. Der negativen Beschaffenheitsvereinbarung sind insoweit durch § 476 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. Grenzen gesetzt. Dort heißt es:

„Von den Anforderungen nach § BGB § 434 Absatz BGB § 434 Absatz 3 oder § BGB § 475b Absatz BGB § 475B Absatz 4 kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Vertrag abgewichen werden, wenn 1.) der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und 2.) die Abweichung im Sinne der Nummer 1 im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.“

Soweit die objektiven Anforderungen (siehe oben 2.) nicht eingehalten sind, muss der kaufende Verbraucher eigens, dürfte heißen mittels individueller Information (Lorenz, NJW 2021, 2065 (2073)), und vor Abgabe seiner Vertragserklärung, sei es nun Angebot oder Annahme, hierüber informiert werden. Selbst die Zustimmung zum Abschluss eines Vertrages nach entsprechender Information genügt jedoch nicht für die Annahme einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung, vielmehr muss zusätzlich (siehe Wortlaut „und“ in § 476 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB n.F.) ausdrücklich und gesondert vereinbart werden, dass die Abweichung von der objektiven Beschaffenheit keine Mangelhaftigkeit der Kaufsache bedeutet.
Sind diese Anforderungen beim Verbrauchsgüterkauf nicht eingehalten, ist die Abweichung von den objektiven Anforderungen nicht i.S.d. § 434 Abs. 3 S. 1 BGB n.F. wirksam vereinbart worden und kann daher einen Sachmangel begründen. Nun mag man denken, die praktischen Auswirkungen könnten nicht allzu groß sein – kennt der Käufer den Mangel oder kennt er ihn grob fahrlässig nicht und hat der Verkäufer ihn weder arglistig verschwiegen noch eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen, sind doch seine Rechte wegen des Mangels nach Maßgabe des durch die Reform unberührten § 442 BGB ausgeschlossen. Auf diesem Wege sollen die Grenzen des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. jedoch nicht ausgehebelt werden können (vgl. Lorenz, NJW 2021, 2065 (2068)). Die Anwendung des § 442 BGB ist im Verbrauchsgüterkaufrecht nach § 475 Abs. 3 S. 2 BGB n.F. ausgeschlossen. Soll mithin eine nicht den objektiven Anforderungen nach § 434 Abs. 3 BGB n.F. entsprechende Sache im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs verkauft werden, kann der Ausschluss der Mängelgewährleistung wegen dieser Abweichung von den objektiven Anforderungen nur erreicht werden, indem der Verbraucher eigens und vor Abgabe seiner Vertragserklärung unterrichtet wird und die Abweichung ausdrücklich und gesondert vereinbart wird.
III. Summa
Damit kommt diese erste Betrachtung des „neuen Kaufrechts“ zu einem Ende. Die Änderungen hinsichtlich des Sachmangelbegriffs sind im Wortlaut durchaus umfangreich, wie schon die im Vergleich zur bisherigen Fassung des § 434 BGB erheblich gewachsene Länge der Norm zeigt. Die inhaltlichen Auswirkungen sind letztlich jedoch nicht so gravierend, wie es die erste Lektüre insbesondere des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. befürchten lassen mag. Mit einer sauberen und gewissenhaften Arbeit anhand des Gesetzestextes dürften sich hier schon viele Probleme lösen lassen. Aufmerksamkeit ist indes insbesondere im Verbrauchsgüterkaufrecht geboten. Hier dürfte die Gleichrangigkeit von subjektiven und objektiven Anforderungen für die Mangelfreiheit aufgrund der erschwerten Möglichkeit negativer Beschaffenheitsvereinbarungen größere Bedeutung erlangen.

21.12.2021/0 Kommentare/von Dr. Lena Bleckmann
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-12-21 08:00:252021-12-21 08:00:25Das „neue“ Kaufrecht 2022 – Teil 1: Der Sachmangelbegriff des § 434 BGB
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zum Rechtsmangel beim Autokauf

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In einer aktuellen Entscheidung vom 26.02.2020 (Az.: VIII ZR 267/17) hat sich der BGH abermals mit dem extrem klausur- und examensrelevanten Gebiet des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts auseinandergesetzt. Konkret ging es um die Haftung eines Gebrauchtwagenverkäufers bei der Eintragung des Fahrzeugs in die Fahndungsliste des Schengener Informationssystems (SIS) nach Gefahrübergang. Der Fall, der sich hervorragend eignet, um die Feinheiten des Mängelrechts aufzuzeigen und daher problemlos Einzug in Klausuren finden kann, hat zwei Schwerpunkte: Zum einen geht es um die Abgrenzung des Sach- vom Rechtsmangel im Falle öffentlich-rechtlicher Beschränkungen; vor allem aber – und das ist das Neue an der vorliegenden Entscheidung – stellt sich die Frage, ob ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang dann angenommen werden kann, wenn zwar nicht der Rechtsmangel an sich, aber die Umstände, die kausal zum Rechtsmangel geführt haben, im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlagen.
 
A) Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: K kaufte am 12.07.2011 von V einen gebrauchten Pkw. Noch am selben Tag wurde der Kaufpreis entrichtet und das Fahrzeug, zusammen mit einer rechtmäßig ausgestellten Zulassungsbescheinigung II, die den V als Eigentümer auswies, an den K übergeben. Am 06.03.2013 wurde der K mit dem Fahrzeug bei der Rückkehr aus der Türkei an der serbischen Grenze angehalten. Das Fahrzeug wurde dort auf der Grundlage einer Interpol-Meldung mit der Begründung beschlagnahmt, es werde in Rumänien als Gegenstand einer Straftat gesucht. Über das Polizeipräsidium Dortmund erhielt der Kläger in der Folgezeit zudem die Mitteilung, dass das Fahrzeug seit dem 22.05.2014 im Schengener Informationssystem (SIS) zwecks Sicherstellung ausgeschrieben sei. Als Fahrzeughalter sei in Rumänien seit dem 22.12.2008 das Unternehmen U und die B als Besitzerin gemeldet. An dieses Unternehmen wurde das beschlagnahmte Fahrzeug in der Folge herausgegeben. Der K ist empört und wendet sich an V: Er begehre die Verschaffung von Eigentum und Besitz an dem Fahrzeug, hilfsweise sofortige Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung, nebst Zinsen.
In erster Instanz wurde die Klage vollständig abgewiesen. Das LG Köln hat es für erwiesen erachtet, dass das Fahrzeug nicht abhandengekommen war; deshalb habe der K gutgläubig das Eigentum erwerben können, sodass weder ein Sach- noch ein Rechtsmangel anzunehmen sei (LG Köln, Urt. v. 26.10.2016 – 12 O 254/14, n.v.). Das OLG Köln hat in der Berufung das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den V auf den Hilfsantrag zur Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) nebst Zinsen verurteilt (OLG Köln, Urt. v. 09.11.2017 – 18 U 183/16, n.v.). In der Revisionsinstanz verfolgte der V nunmehr die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
 
B) Rechtsausführungen
Damit stellte sich für den BGH die Frage, ob dem V ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB zustand.
 
I. Kaufvertrag
Ein Kaufvertrag zwischen den Parteien besteht ohne Zweifel. Da aus dem Sachverhalt nicht hervorgeht, ob dem V eine Strafbarkeit, etwa wegen Hehlerei (§ 259 StGB), anzulasten ist, ist insbesondere nicht von der Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 134 BGB oder § 138 BGB auszugehen (zur Unwirksamkeit eines Kaufvertrags bei Verstoß gegen § 259 StGB s. MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 42).
 
II. Rechtsmangel bei Gefahrübergang
Weiterhin dürfte der Verkäufer seiner Pflicht aus dem Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB zur Verschaffung der Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln nicht nachgekommen sein. Es müsste also – wie der K vorträgt – ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang vorliegen.
 
1. Rechtsmangel
Bei der Eintragung des Fahrzeugs in das SIS müsste es sich also zunächst um einen Rechtsmangel handeln. Gemäß § 435 S. 1 BGB ist eine Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Zur vollständigen Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht obliegt es dem Verkäufer also nicht nur, das Eigentum als solches zu übertragen. Er muss vielmehr auch sicherstellen, dass dem Käufer die Sache frei von Rechten Dritter verschafft wird, damit dieser als Eigentümer – wie es § 903 S. 1 BGB vorsieht – mit der Sache nach Belieben verfahren kann (BT-Drucks. 14/6040, S. 218). Hiervon ausgehend ist ein Rechtsmangel dann gegeben, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers darstellen, indem sie geeignet sind, ihn an der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 S. 1 BGB zustehenden Rechtsposition zu hindern (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 4; BeckOK BGB/Faust, 53. Edt., Stand: 01.02.2020, § 435 Rn. 6). In Betracht kommen dabei grundsätzlich alle dinglichen Rechte (beispielsweise (Grund-)Pfandrechte, Dienstbarkeiten wie Nießbrauch), aber auch obligatorische Rechte eines Dritten, soweit ihre Ausübung den Käufer in seiner aus § 903 BGB folgenden Eigentümerstellung beeinträchtigt (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 7). Erfasst werden hiervon auch solche Eingriffsbefugnisse, Einschränkungen und Bindungen, welche auf öffentlichem Recht beruhen (hierzu MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 10). Öffentlich-rechtliche Einschränkungen können indes auch einen Sachmangel bedeuten. Denn für die Qualifikation eines Umstandes als Sachmangel ist nicht allein seine physische Beschaffenheit maßgeblich. Vielmehr können auch Umstände, die sich letztlich als Nutzungs- oder Verwendungsbeeinträchtigungen auswirken, als Sachmangel einzuordnen sein. Daher ist an dieser Stelle eine Abgrenzung des Rechtsmangels vom Sachmangel erforderlich.
 
Anmerkung: Die Abgrenzung des Rechts- vom Sachmangel ist nicht nur theoretischer Natur. Die Einordnung als Rechtsmangel hätte unter anderem zur Folge, dass der auf Sachmängel zugeschnittene § 477 BGB (Beweislastumkehr bei Verbraucherverträgen) keine Anwendung findet.  
 
Als Faustformel lässt sich festhalten, dass solche Mängel, die an die Beschaffenheit der Sache anknüpfen, Sachmängel darstellen, auch wenn sie dazu führen, dass Dritte Rechte gegen den Käufer geltend machen können, die ihn in der ungestörten Ausübung der Eigentümerbefugnisse beeinträchtigen (BeckOK BGB/Faust, 53. Edt., Stand: 01.02.2020, § 435 Rn. 10 m.w.N.). Das heißt: Solche öffentlich-rechtlichen Beschränkungen (beispielsweise Enteignungen, Beschlagnahmen), die ihre Grundlage in der Beschaffenheit der Sache (also ihrer Zusammensetzung, ihrem physischen Zustand) haben, sind als Sachmangel einzuordnen (BGH, Urt. v. 26.2.2020 – VIII ZR 267/17, BeckRS 2020, 4703, Rn. 13; Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 18 ff.). In der Vergangenheit wurde dies beispielsweise für Beschränkungen der Bebaubarkeit, die an die Beschaffenheit (insbesondere die Lage) eines Grundstücks anknüpfen, angenommen (hierzu BGH, Urt. v. 11.12.1992 – V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396; Urt. v. 17.03.1989 – V ZR 245/87, NJW 1989, 2388). Auch gilt dies konsequenterweise für Beschlagnahmen, wenn sich das Recht zur Beschlagnahme aus der Zusammensetzung bzw. dem Zustand der Kaufsache ergibt, so etwa bei Lebensmitteln, bei denen der Verdacht des Salmonellenbefalls besteht (BGH, Urt. v. 14.06.1972 – VIII ZR 75/71, NJW 1972, 1462). Anders ist dagegen zu urteilen – also ein Rechtsmangel anzunehmen – wenn das Recht zum öffentlich-rechtlichen Eingriff aus „äußeren“ Umständen, die zwar eine Beziehung zur Sache aufweisen, ihr aber nicht unmittelbar anhaften, herrührt, wie beispielsweise aus der Nichtzahlung von Abgaben für die Sache. Wie aber ist in Bezug auf die SIS-Ausschreibung eines Fahrzeugs zu urteilen? Die SIS-Ausschreibung bedeutet, dass das betreffende Fahrzeug zwecks Sicherstellung oder Beweissicherung in einem Strafverfahren gesucht wird. Damit gründet der dem Fahrzeug anhaftende Mangel (Gefahr der Beschlagnahme) nicht auf der physischen Beschaffenheit (beispielsweise technischen Aspekten), sondern auf dem äußeren Umstand, dass das Fahrzeug im Kontext einer Straftat verwendet wurde. Wendet man konsequent die Faustformel an, kommt man auf dieser Basis unzweifelhaft zur Annahme eines Rechtsmangels. Denn – so der BGH:

„[M]it der SIS-Ausschreibung eines Kraftfahrzeugs zur Fahndung ist die konkrete, im gesamten Schengen-Raum bestehende Gefahr verbunden, dass das Fahrzeug bei einer Halteränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle von staatlichen Behörden rechtmäßig sichergestellt oder beschlagnahmt wird (Senatsurteil vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, aaO Rn. 24) mit der Folge, dass es der Käufer – unabhängig von einem etwaig bestehenden, für die Beurteilung eines Rechtsmangels nicht maßgebenden Eigentumsherausgabeanspruch eines (Vor-)Eigentümers – nicht mehr ungestört im In- und Ausland nutzen kann.“ (Rn. 13).

Ein Rechtsmangel liegt damit vor.
 
Anmerkung: Lesenswert – und zur Vertiefung des Verständnisses empfehlenswert – ist auch das Urteil vom 18.01.2017, in dem der BGH ausführlich erörtert hat, dass die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem SIS zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung einen erheblichen Rechtsmangel bedeutet, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Im Zuge dessen hat der BGH eine ausführliche Abgrenzung des Rechts- vom Sachmangel bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen in Bezug auf die Kaufsache vorgenommen (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666).
 
2. Bei Gefahrübergang
Der Rechtsmangel muss aber auch im Zeitpunkt des Gefahrübergangs – und hierin liegt die Krux des Falls – vorgelegen haben. Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist hier gemäß § 446 Abs. 1 BGB nach den Ausführungen des BGH der Zeitpunkt der Übergabe, also im konkreten Fall der 12.07.2011. Die SIS-Ausschreibung erfolgte aber erst am 22.05.2014, weshalb man vor diesem Hintergrund – ganz simpel – das Vorliegen eines Rechtsmangels im Zeitpunkt des Gefahrübergangs verneinen müsste.
 
Anmerkung: Die – soweit erkennbar – allgemeine Meinung in der Literatur sieht das bei Rechtsmängeln gleichwohl anders. Hiernach soll der maßgebliche Zeitpunkt anders als beim Sachmangel nicht die Übergabe, sondern der Zeitpunkt sein, in dem sich der Erwerb vollziehen soll, also regelmäßig der Zeitpunkt des Eigentumserwerb (der zugegebenermaßen oftmals mit der Übergabe zusammenfallen wird), s. hierzu MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 6 m.w.N. Hierauf soll jedoch nicht näher eingegangen werden, dient der Beitrag der Besprechung der BGH-Entscheidung, in der bei der Beurteilung konsequent auf den Zeitpunkt der Übergabe abgestellt wurde.
 
Das Berufungsgericht hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass zwar der unmittelbare Rechtsmangel erst am 22.05.2014 begründet wurde, der Sachverhalt, der zu der Eintragung in das SIS geführt habe, aber schon am 12.07.2011 vorgelegen habe. Dass dies zur Annahme eines Mangels bei Gefahrübergang aber nicht genüge, hat der BGH in seiner Entscheidung ausführlich dargelegt:

„Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang nicht schon dann vor, wenn die letztlich zur späteren Eintragung in das SIS führende Ausgangslage […] bereits bei der nach § 446 Satz 1 BGB den Gefahrübergang herbeiführenden Übergabe des Fahrzeugs bestanden hat. Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Frage, ob in der Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die SIS-Fahndungsliste ein Rechtsmangel liegt, darauf abgestellt, dass diese Eintragung bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestand (Senatsurteile vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, aaO Rn. 14; vom 26. April 2015 – VIII ZR 233/15, aaO). Grund hierfür ist der Umstand, dass der Käufer mit der Aufnahme des Fahrzeugs in die SISFahndungsliste in der ungestörten Nutzung der Kaufsache und damit in der Ausübung der ihm – nach Übergabe – gebührenden Rechtsposition eines Eigentümers (§ 903 BGB) konkret beeinträchtigt ist. Erst mit der Eintragung in das SIS verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter – hier in Gestalt strafprozessrechtlicher Zugriffsbefugnisse auf das verkaufte Fahrzeug – so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest mit der Folge, dass allein das Vorliegen eines tatsächlichen Geschehens, das wegen seiner erst nach Gefahrübergang erkannten strafrechtlichen Bedeutung für eine spätere SISFahndung – und in deren Folge für eine etwaige Beschlagnahme – in irgendeiner Weise kausal geworden ist […] für die Annahme eines Rechtsmangels nicht genügt.“ (Rn. 14 ff.)

Eine andere Sichtweise würde die Haftung des Gebrauchtwagenverkäufers in unzumutbarer Weise überdehnen:

„Denn dieser müsste selbst bei dem Verkauf von Fahrzeugen, die eine lückenlos dokumentierte Historie aufweisen, auf lange Zeit für ein bei Gefahrübergang für ihn weder erkennbares noch beherrschbares tatsächliches Geschehen einstehen, das irgendwann einen staatlichen Zugriff auf das Fahrzeug ermöglicht.“ (Rn. 17).

Dies hatte der BGH indes schon einmal anders gesehen: In einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 hatte es der BGH bei einer nach § 111b StPO rechtmäßig durchgeführten Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten Fahrzeugs für die Annahme eines Rechtsmangels bei Gefahrübergang als ausreichend erachtet, dass der Sachverhalt, aufgrund dessen die spätere Beschlagnahme erfolgte, bereits bei Gefahrübergang vorlag (BGH, Urt. v. 18.02.2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1). Die diesem Sachverhalt zugrunde liegende Konstellation unterscheide sich jedoch derart vom vorliegenden Fall, dass nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden könnten. Konkret:

„Der in dem Senatsurteil vom 18. Februar 2004 (VIII ZR 78/03, aaO) zu beurteilende Sachverhalt zeichnete sich dadurch aus, dass bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine Diebstahlsanzeige vorlag und strafrechtliche Ermittlungen – auch gegen den Käufer des Fahrzeugs – wegen des Verdachts der Hehlerei geführt wurden, in deren Folge es 16 Tage nach der Übergabe zu einer (rechtmäßigen und danach richterlich bestätigten) Beschlagnahme durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden kam (Senatsurteil vom 18. Februar 2004 – VIII ZR 78/03, aaO). Somit drohte in jenem Fall bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine alsbaldige behördliche Beschlagnahme, die die Annahme eines bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rechtsmangels begründen konnte. Eine derartig „verdichtete“ Situation einer unmittelbar drohenden behördlichen Beschlagnahme bestand angesichts der vom Berufungsgericht zum zeitlichen Ablauf hier getroffenen Feststellungen bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger jedoch nicht. Somit kann […] auch insoweit ein bei Gefahrübergang vorhandener Rechtsmangel nicht bejaht werden.“ (Rn. 19).

Im vorliegenden Fall kann die Tatsache, dass der Sachverhalt, der zu der Eintragung in das SIS geführt habe, also nur deswegen nicht zur Annahme eines Sachmangels „bei Gefahrübergang“ führen, weil sich die Situation zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht hinreichend verdichtet hatte im Sinne eines unmittelbar drohenden behördlichen Einschreitens.
 
III. Ergebnis
Letztlich scheitert nach Auffassung des BGH ein Anspruch auf Rückabwicklung aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB, dass im Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch kein Rechtsmangel vorlag.
 
C) Fazit
Die wichtigsten Aussagen des BGH können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Ein Sachmangel liegt in Abgrenzung zum Rechtsmangel immer dann vor, wenn der betreffende Umstand an die Beschaffenheit der Sache anknüpft, auch wenn er dazu führt, dass Dritte Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Hiervon ausgehend liegt in der SIS-Ausschreibung eines Fahrzeugs zur Fahndung ein Rechtsmangel.
  • Ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang liegt nicht bereits dann vor, wenn die Umstände, die zur späteren Ausschreibung führen, bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Denn eine konkrete Beeinträchtigung der Eigentümerposition ist erst mit der Eintragung in das SIS zu befürchten, denn erst dann verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss. Anders geurteilt werden kann allenfalls dann, wenn im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine „alsbaldige“ behördliche Maßnahme droht, wenn sich die Situation also bereits so verdichtet hat, dass die der Maßnahme zugrunde liegenden Umstände in engem zeitlichem Abstand zur Durchführung (hier: Eintragung in das SIS) führen.

Die Entscheidung des BGH ist in Bezug auf die Äußerungen zum Gefahrübergang mehr als zweifelhaft, aber für die Praxis hinzunehmen. Aus streng dogmatischer Sicht hat der BGH freilich recht – der Rechtsmangel und nicht die für ihn irgendwie kausalen Umstände müssen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorliegen. Gleichwohl erscheint das Urteil gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung aus dem Jahre 2004, in der der BGH ausdrücklich anerkannt hat, dass bereits dem Rechtsmangel zugrunde liegende Umstände genügen können, nahezu willkürlich. Denn wann ist der zeitliche Zusammenhang noch gewahrt, dass von einem unmittelbar bevorstehenden behördlichen Eingriff ausgegangen werden kann? Als Eckpunkte kann man sich allenfalls – wenn auch wenig hilfreich – merken, dass eine Beschlagnahme, die 16 Tage nach Gefahrübergang folgt, wohl bereits hinreichend „drohte“; sind dagegen nach Übergabe drei Jahre vergangen, bevor es zur Eintragung ins SIS kommt, kann dies zur Annahme des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs nicht genügen – auch wenn die Umstände, die zur Maßnahme geführt haben, bereits in diesem Zeitpunkt abschließend vorlagen. In einer Klausur kommt es daher auf die Argumentation an: Wichtig ist, dass sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt wird, ob die öffentlich-rechtliche Beschränkung bereits hinreichend drohte. Nur dann kann ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang angenommen werden.

20.04.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-04-20 09:00:362020-04-20 09:00:36BGH: Neues zum Rechtsmangel beim Autokauf
Charlotte Schippers

Wohnraummiete: Schnarchen des Nachbarn als Mangel im Altbau?

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Etwas älter ist das nachfolgend besprochene Urteil des AG Bonn vom 25. März 2010 (Az.: 6 C 598/08). Nichtsdestoweniger ist der Sachverhalt unterhaltsam und sorgte für mediales Aufsehen. Mit dem Fall können einerseits das Basiswissen der Prüflinge im Mietrecht, einem beliebten Examensthema, und andererseits ihre Fähigkeit zur Argumentation mit den Sachverhaltsangaben abgefragt werden. Mithin ist das vorliegende Urteil auch für den Klausursteller im Examen attraktiv und sollte deshalb jedem Examenskandidaten geläufig sein.
Das AG Bonn hatte sich also nun damit zu beschäftigen, ob das Schnarchen eines Mieters für die Mieter der Nachbarwohnung einen Sachmangel an der Mietwohnung darstellt. Wie es dazu kam, ist schnell erzählt:
 
Sachverhalt (leicht abgewandelt und gekürzt)
Geklagt hatten die Mieter (M und N) gegen ihre Vermieterin (V). Die betreffende Altbauwohnung wurde unter anderem als „renoviert“, „modernisiert“ sowie „in ruhiger Lage“ befindlich inseriert. Auch beim dem Telefonat mit der Maklerin wurde auf Nachfrage darauf hingewiesen, dass es sich um eine ruhige Wohnung handle, über der Wohnung sei schließlich nur noch der Speicher. Allerdings war die Wohnung tatsächlich hellhörig. Insbesondere störend für M und N war, dass das Schnarchen des Mieters der unter ihrer Wohnung liegenden Wohnung so laut war, dass sie in ihrem eigenen Schlafzimmer nicht schlafen konnten, was auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Ein Hinweis auf fehlende Schallisolierung sowie das Schnarchen erfolgte durch die Maklerin nicht.
V machte geltend, dass sich bisher noch kein Mieter über die schlechte Isolierung beklagt habe. Auch würden Mieter der unter dem schnarchenden Mieter liegenden Wohnung sich nicht darüber beschweren. Außerdem handelt es sich bei dem Haus um eines aus der Gründerzeit: Maßgeblich seien technischen Gegebenheiten zur Zeit der Errichtung des Gebäudes – der Schallschutz sei jedenfalls nicht schlechter als der, der bei Altbauten üblich ist.
M und N rügten eine fehlerhafte Schallisolierung der Wohnung und machten eine Minderung der Miete geltend.
War die Minderung gerechtfertigt?
 
Lösung
Infrage kommt eine Minderung der Miete nach § 536 BGB. Gem. § 536 Abs. 1 BGB ist der Mieter bei Vorliegen eines Mangels, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache aufhebt oder mindert, von der Pflicht zur Zahlung der Miete entweder vollständig oder in angemessener Höhe befreit.
Nach Feststellung, dass ein wirksamer Mietvertrag vorliegt, ist entscheidend, ob der Wohnung ein Mangel anhaftet. Ein Mangel ist jede negative Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit.
 
I. Zunächst ist die Frage nach einem Mangel mit Blick auf die möglicherweise nicht hinreichende Schallisolierung zu begutachten:
Hierfür ist der Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes maßgeblich, vgl. BGH, Urt. v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03. So kann der Mieter von einem Altbau ohne besondere Absprachen mit dem Vermieter nicht mehr als einen Mindeststandard, der heutigen Maßstäben gerecht wird, erwarten. Das Gleiche gilt auch für ein modernisiertes Mietobjekt: Dass ein neuzeitlicher Standard bzgl. Schalldämmung etc. eingehalten wurde, kann nicht zugrunde gelegt werden; insbesondere wegen der für Altbauten typischen Deckenkonstruktionen. Da der Schallschutz aber, wie auch gutachterlich festgestellt wurde, nicht schlechter war als der, der bei Altbauten üblich ist, kann hierin also kein Mangel begründet werden.
 
II. Auch in den Schnarchgeräuschen des Nachbarn liegt kein Mangel:

„Zum einen kann bei der Anmietung einer Altbauwohnung, die regelmäßig über die für Altbauwohnungen charakteristischen Holzbalkendecken – (und damit nach Feststellungen des Sachverständigen einhergehend auch über geringeren Schallschutz) – verfügt, vom Mieter nicht vorausgesetzt werden, dass keinerlei Wohngeräusche der Nachbarn in die Wohnung dringen. […] Darüber hinaus haben die Parteien auch keine weitergehende Vereinbarung über den Schallschutz der Mietsache getroffen, wonach das aus der Nachbarwohnung durchdringende Geräusch eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit und damit einen Mietmangel darstellte.“

Der Mangel kann nach Auffassung des AG Bonn hierüber nur dann begründet werden,

„wenn die Parteien über den allgemein von einen (sic!) Altbau zu fordernden Schallschutz hinaus eine Vereinbarung dahingehend getroffen hätten, dass jedwede Wohngeräusche, auch solche mit einer tiefen Frequenz nicht aus der Nachbarwohnung zu vernehmen seien“.

Es untersuchte demnach noch, ob nicht eine Vereinbarung der Parteien hinsichtlich der nachbarlichen Wohngeräusche getroffen wurde.
 
1. Eine solche könnte sich durch die Werbung für die Wohnung als „in ruhiger Lage“ begründen lassen. Allerdings sind nach der Verkehrsauffassung hiermit Lage und Außenverhältnisse gemeint, nicht aber die Geräuschquellen im Haus, sodass dies ausscheidet.
 
2. Die Vereinbarung, es handle sich um eine „ruhige Wohnung“ mit Bezug auf den darüber gelegenen Speicher spricht ebenfalls gegen eine Vereinbarung darüber, dass sonstige Wohngeräusche nicht zu vernehmen wären:

„Die Vereinbarung einer „ruhigen Wohnung” bezieht sich nach der Verkehrsanschauung in erster Linie auf das Wohnverhalten der Mitmieter und den damit einhergehenden Wohngeräuschen, insbesondere im Hausflur, Balkonen und Kellerräumen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass zur Begründung des Merkmals „ruhige Wohnung” nach dem Vortrag der Kl. auf den über der Wohnung liegenden Speicher Bezug genommen worden ist. Dass es sich vorliegend um ein „unruhiges Haus” handele, wonach durch entsprechendes Wohnverhalten der Mitmieter mannigfaltige Wohngeräusche in die Wohnung der Kl. dringen, wurde von den Kl. schon nicht vorgetragen.

 
3. Eine weitere Auslegung dahingehend, dass eine Zusicherung getroffen werden sollte, dass über den normalen Schallschutz hinaus das Durchdringen sämtlicher Wohngeräusche, auch solcher wie Schnarchen des Nachbarn, ausgeschlossen sei, kann demnach nicht stattfinden. Dies bedürfe einer detaillierteren Vereinbarung, die dies ausdrücklich aufgreift.
Folglich liegt kein Mangel vor.
 
III. Damit waren M und N, da kein Mangel vorliegt, nicht zur Minderung der Miete gem. § 536 BGB berechtigt.
 
Fazit
Es zeigt sich, dass es in Fällen wie diesen auf die Kenntnis mietrechtlicher Gewährleistung ankommt. Infrage kommt beispielsweise auch die Überlegung, wie sie im Originalfall zugrunde lag, ob ein Kündigungsfolgeschaden geltend gemacht werden kann: Dabei käme es auf ein Kündigungsrecht von M und N an, also wiederum auf das Vorliegen eines Mangels. Maßgeblich geht es darum, die relevanten Punkte strukturiert in der Prüfung unterzubringen.

12.12.2019/3 Kommentare/von Charlotte Schippers
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2019-12-12 09:12:032019-12-12 09:12:03Wohnraummiete: Schnarchen des Nachbarn als Mangel im Altbau?
Dr. Sebastian Rombey

BGH: Neues zum Haftungsausschluss bei (formgebundenen) Kaufverträgen

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Der BGH hat sich mit Urteil vom 25. Januar 2019 – V ZR 38/18, BeckRS 2019, 11002 mit der Reichweite eines Haftungsausschlusses in einem formgebundenen Kaufvertrag beschäftigt. Da die Frage, ob auch in Verkaufsexposés enthaltene Angaben von einem allgemein formulierten Haftungsausschluss erfasst werden, von grundlegender Bedeutung ist, kann von einer erhöhten Prüfungsrelevanz des Falles ausgegangen werden, zumal der Fall auch klassische kaufrechtliche Probleme wie die umstrittene teleologische Reduktion des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB bei formgebundenen Verträgen oder die Wirksamkeit einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung enthält. Im Einzelnen:
I. Der Sachverhalt in Kürze (dem Tatbestand des Urteils entnommen und vereinfacht)
Mit notariellem Vertrag vom 2. Mai 2013 kauften die Klägerin (K) und ihr Ehemann (E) von der Verkäuferin (V) unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 750.000 €. Abschnitt V Nr. 1 des notariellen Kaufvertrags lautet:
„(…) Die Zulässigkeit einer weiteren Bebauung oder bestimmten Verwendung gehört nicht zur vereinbarten Beschaffenheit des Grundbesitzes.“
In dem Verkaufsexposé dagegen heißt es:
„Es besteht die Erlaubnis, zwei bis drei Pferdeboxen auf dem hinteren Grundstücksteil zu errichte[n]. Daneben gibt es eine angrenzende Weide, die gepachtet werden kann.“
Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen das Grundstück im Oktober 2013 in Besitz. Nachdem sich erwiesen hatte, dass weder eine Baugenehmigung für die Errichtung von Pferdeboxen bestand noch eine solche Bebauung genehmigungsfähig war, erklärten sie den Rücktritt von dem Kaufvertrag und verlangen nun von der Verkäuferin die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück.
II. Die wesentlichen Erwägungen des Fünften Zivilsenats
K, die für sich sowie in Prozessstandschaft für E klagt, könnte einen Anspruch gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück nach erklärtem Rücktritt aus einem Rückgewährschuldverhältnis haben, § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 433, 434, 437 Nr. 2 Alt. 1 BGB.
1. Ein Kaufvertrag zwischen K und V liegt fraglos vor, §§ 433, 311b I BGB.
2. Ferner müsste das Grundstück im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft gewesen sein, § 446 S. 1 BGB.
a) Bzgl. der fehlenden rechtlichen Möglichkeit, Pferdeboxen im hinteren Teil des Grundstück errichten zu können, kommt das Vorliegen eines Sachmangels in Betracht, § 434 BGB. Dafür muss die tatsächliche Ist-Beschaffenheit von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweichen, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Zwar enthält nicht der Kaufvertrag, wohl aber das Verkaufsexposé, das nach § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ebenfalls bei der Mangelfreiheit zu berücksichtigen ist, den Hinweis auf die „Erlaubnis, zwei bis drei Pferdeboxen“ zu errichten. Da dies jedoch in tatsächlicher Hinsicht nicht der Fall ist, liegt ein Sachmangel vor, der bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, namentlich im Moment der Grundstücksübertragung, bestand.
Anmerkung: Ein Rechtsmangel im Sinne des § 435 S. 1 BGB, bei dem Dritte in Bezug auf die Sache Rechte gegen den Käufer geltend machen können, lag hier nicht vor, da es sich bei der fehlenden Baugenehmigung bzw. Genehmigungsfähigkeit der Pferdeboxen um öffentlich-rechtliche Beschränkungen handelt, der Staat als solcher insoweit aber nicht „Dritter“ ist.
b) Gleichwohl könnte man gemeinsam mit Stimmen aus dem Schrifttum annehmen, dass bei formbedürftigen Verträgen eine teleologische Reduktion des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB angezeigt ist, da öffentliche Äußerungen des Verkäufers – wie etwa Verkaufsexposés – gerade nicht der entsprechenden Form des jeweiligen Vertrages unterliegen, sodass zur Vermeidung von Umgehungen der formgebundene Vertrag selbst einen Hinweis auf den Inhalt der öffentlichen Äußerung oder jedenfalls dahingehende Andeutungen enthalten müsse – alles andere sei wertungswidersprüchlich (sog. Andeutungstheorie, vgl. Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233, 239; Herrler, NJW 2017, 152 f.; ausf. BeckOK-BGB/Faust, 51. Ed. 2019, § 434 BGB Rn. 78).
Die Rechtsprechung ist jedoch anderer Ansicht, was der BGH in der vorliegenden Entscheidung abermals bestätigt [Rn. 13]:

„Entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Ansicht […] ist die Vorschrift des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB ohne Einschränkungen auf Grundstückskaufverträge anwendbar; insbesondere ist sie nicht teleologisch dahin zu reduzieren, dass die nach der öffentlichen Äußerung zu erwartende Beschaffenheit im Vertrag einen Niederschlag gefunden haben muss. Das Gesetz unterscheidet zwischen einer von den Vertragsparteien vereinbarten und der gesetzlich vorgegebenen Beschaffenheit der Kaufsache. Die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten kann, zählen zu der nach dem Gesetz geschuldeten Beschaffenheit, wie sich daraus ersehen lässt, dass es in § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB heißt, diese Eigenschaften gehörten zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2. Schon nach der Gesetzessystematik wäre es deshalb fragwürdig, bei beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäften allein die Vorschrift des § 434 Abs.1 Satz 3 BGB – für die Sollbeschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB wird Entsprechendes, soweit ersichtlich, von niemandem vertreten – im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass die öffentliche Äußerung Erwähnung im Vertrag gefunden haben muss.“

Zweifelsohne: Wortlaut und Systematik lassen nur wenig Raum für eine teleologische Reduktion. Doch damit nicht genug [Rn. 14]:

„Vor diesem Hintergrund überzeugt auch der Einwand nicht, dass es wertungsmäßig keinen Unterschied machen könne, ob der Verkäufer Angaben zur Kaufsache in einer öffentlichen Äußerung mache oder, etwa anlässlich der Besichtigung des Grundstücks, nur gegenüber dem Käufer […]. Zwar ist […] zu beurteilen, welche Rechtsfolgen eine Information des Verkäufers über die Kaufsache nach sich zieht (sofern die Haftung hierfür nicht wirksam ausgeschlossen wurde). Der Maßstab ist aber ein jeweils anderer.“

Auch dem ist zuzustimmen: Es kann nicht gleich bewertet werden, wenn der Verkäufer eine Angabe allein gegenüber der Öffentlichkeit tätigt, gegenüber dem Käufer aber eine abweichende und daher vorgehende Äußerung tätigt und diese darüber hinaus auch noch notariell beurkunden lässt. Mit den Worten des BGH [Rn. 14]:

„Eine öffentliche Äußerung des Verkäufers richtet sich an die Öffentlichkeit und prägt die Erwartung an die Beschaffenheit der Sache. Deshalb steht diese Eigenschaft den in § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB bezeichneten Eigenschaften gleich. Wann eine Äußerung des Verkäufers, die nur an den (späteren) Käufer gerichtet war, zu einer vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB führt, ist dagegen eine Frage der Auslegung. Hierzu hat der Senat den Auslegungsgrundsatz entwickelt, dass eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks durch den Verkäufer vor Vertragsschluss, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führt […].“

Damit rekurriert der Senat auf die Vermutung der Vollständigkeit eines formgebundenen Vertrages und lehnt eine teleologische Reduktion mit guten Gründen ab.
c) Allerdings könnte man in Abschnitt V Nr. 1 des notariellen Kaufvertrages eine von den Angaben des Exposés abweichende und diesen vorgehende Beschaffenheitsvereinbarung sehen, die gerade die Zulässigkeit der weiteren Bebaubarkeit des Grundstücks ausnimmt. Anders formuliert: Treffen die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung, kommt es auf § 434 Abs. 1 S. 3 BGB nicht mehr an. Oder besser: Der subjektive Mängelbegriff geht öffentlichen Äußerungen vor.
Darin wiederum liegt ein klassisches Examensproblem: die negative Beschaffenheitsvereinbarung. Eine solche ist indessen richtigerweise unwirksam, da sich die Parteien positiv über das Vorhandensein einer Eigenschaft einigen können, nicht aber auf das Fehlen derselben. Dem liegt der nachvollziehbare Gedanke zu Grunde, dass Verkäufer nicht in der Lage sein sollen, durch die Aufnahme einer langen Liste denkbarer Mängel in den Kaufvertrag eine mögliche Haftung auszuschließen und so das System des Kaufrechts auszuhebeln, das den Mängelbegriff in seinen Mittelpunkt rückt. Eine negative Beschaffenheitsvereinbarung ist daher unbeachtlich.
Der BGH und Teile der Literatur halten eine Unterscheidung zwischen positiven und negativen Beschaffenheitsvereinbarungen dagegen für überflüssig und gehen davon aus, dass beide gleichermaßen wirksam sein können. Sie grenzen danach ab, ob die Kaufsache positiv oder negativ beschrieben wird (dann Beschaffenheitsvereinbarung) oder die Formulierung eher auf einen partiellen Haftungsausschluss hindeutet [Rn. 18]:

„Abzugrenzen ist die Beschaffenheitsvereinbarung allerdings von der auf eine bestimmte Eigenschaft bezogenen Haftungsbeschränkung […]. Regeln die Kaufvertragsparteien, dass eine bestimmte Eigenschaft des Kaufobjekts nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehört, liegt darin keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn es wird kein bestimmter (ggf. auch mangelhafter) Zustand der Kaufsache als vertragsgemäß festgelegt; vielmehr ist eine solche Abrede darauf gerichtet, für eine bestimmte Beschaffenheit nicht einstehen zu wollen.
Gemessen daran handelt es sich bei der Regelung in Abschnitt V Nr. 1 des notariellen Kaufvertrags, wonach die Zulässigkeit einer weiteren Bebauung oder bestimmte Verwendung nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehört, nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine bestimmte Eigenschaft in Bezug auf die Bebauung oder Verwendung des Grundstücks wird gerade nicht vereinbart. Eine gegenüber den Angaben im Exposé vorrangige Beschaffenheitsvereinbarung hätte einen bestimmten Zustand des Grundstücks in Bezug auf die Pferdehaltung zum Gegenstand haben müssen (z.B. ‚Pferdeboxen können nicht errichtet werden‘). Daran fehlt es.“

Damit liegt nach beiden Sichtweisen keine Beschaffenheitsvereinbarung vor (entweder gar keine, oder sie ist nicht wirksam), sodass ein Mangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag, §§ 434, 446 BGB.
3. Gleichwohl könnte der Rücktritt aus anderen Gründen nicht in Betracht kommen. Dann müsste der im Kaufvertrag enthaltene Haftungsausschluss wirksam sein, was sich nach § 444 BGB bemisst. Nach dessen Alt. 1 könnte sich V nicht auf den Haftungsausschluss berufen, wenn er den Sachmangel gegenüber K arglistig (also mindestens mit Eventualvorsatz) verschwiegen hat.
Klausurtipp: Es ist ratsam, diesen Punkt vor die (hier fehlende) Fristsetzung für die Ausübung des Rücktrittsrechts zu ziehen, da es auch bei der Entbehrlichkeit der Fristsetzung auf das Vorliegen von Arglist ankommt, § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB.
Dafür müsste sich der Haftungsausschluss allerdings zunächst einmal überhaupt auf öffentliche Äußerungen des Verkäufers erstrecken, was insoweit fraglich ist, als § 434 Abs. 1 S. 3 BGB dies allein bei Mängeln ausdrücklich anordnet, eine entsprechende Bestimmung in § 444 BGB aber fehlt. Das stört den BGH indes nicht, wohl letztlich, da bei Arglist des Verkäufers eine entsprechende Schutzwürdigkeit nicht gegeben ist [Rn. 21]:

„Der vereinbarte allgemeine Haftungsausschluss erfasst […] auch die nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB zu erwartenden Eigenschaften eines Grundstücks […]“

Das kann man wegen der soeben ins Feld geführten Systematik auch anders sehen. Oder aber man argumentiert mit dem BGH: Wenn § 434 Abs. 1 S. 3 BGB öffentliche Äußerungen unter den Mangelbegriff fasst, muss sich auch ein Haftungsausschluss darauf beziehen können. Mit dieser Problematik muss man sich indes dann nicht mehr näher befassen, wenn der Haftungsausschluss ohnehin unwirksam ist auf Grund von Arglist, unabhängig von der Erstreckung auf die öffentliche Äußerung im Verkaufsexposé. Das ist insoweit naheliegend, als V „ins Blaue hinein“ angegeben hat, eine weitere Bebaubarkeit sei gegeben, ohne seiner Offenbarungspflicht im Hinblick auf bestehende Zweifel nachzukommen [Rn. 22 ff.]:

„Arglistig im Sinne von § 444 BGB handelt bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels, wer einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Sachmangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.
Die Offenbarungspflicht der Beklagten […] ergab sich bereits daraus, dass die unrichtige Angabe in dem Verkaufsexposé über die Zulässigkeit der Errichtung von Pferdeboxen eine Fehlvorstellung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten hervorgerufen hat […]. Die Beklagte […] hielt den Sachmangel auch mindestens für möglich. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war sie damit einverstanden, dass die Angabe zu einer Errichtung von Pferdeboxen in das Exposé aufgenommen wurde, obwohl sie wusste, dass hierfür keine sichere Tatsachengrundlage bestand, nachdem die amtliche Bauakte lediglich „Indizien“ dafür bot, dass eine Bebauung mit Pferdeboxen bauordnungsrechtlich zulässig war.“

Da auch die billige Inkaufnahme vorliegend unproblematisch gegeben war, ist der partielle Haftungsausschluss auf Grund arglistigen Mangelverschweigens unwirksam und erfasst den betreffenden Mangel nicht.
Anmerkung: Im Originalfall hatte ein Makler das Verkaufsexposé verbreitet, da er allerdings auch die entscheidenden Verhandlungen mit K und E führte, muss V sich dessen Wissen zurechnen lassen, § 166 BGB analog.
4. An den weiteren Rücktrittsvoraussetzungen (insbesondere der Nachfristsetzung, die auf Grund von Arglist des V unterbleiben konnte, und der Rücktrittserklärung, § 349 BGB) bestehen keine Bedenken.
Ergebnis: K hat daher nach wirksam ausgeübtem Rücktritt einen Anspruch gegen V aus dem Rückgewährschuldverhältnis auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück.
III. Summa
Die Entscheidung lehrt gleich dreierlei:

  • Der BGH lehnt eine teleologische Reduktion des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB bei formgebundenen Verträgen ab, die Literatur befürwortet sie teilweise.
  • Eine (negative) Beschaffenheitsvereinbarung, die öffentlichen Äußerungen nach § 434 Abs. 1 S. 3 BGB vorgeht, ist von einem partiellen Haftungsausschluss abzugrenzen; liegt nur letzterer vor, sind öffentliche Äußerungen berücksichtigungsfähig.
  • Ein Haftungsausschluss kann sich auch auf öffentliche Äußerungen eines Verkäufers erstrecken; seine Wirksamkeit entfällt aber, wenn eine Offenbarungspflicht Arglist im Sinne von § 444 Alt. 1 BGB begründet.

12.09.2019/2 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2019-09-12 09:01:272019-09-12 09:01:27BGH: Neues zum Haftungsausschluss bei (formgebundenen) Kaufverträgen
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung beim Werkvertrag

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Werkvertragsrecht, Zivilrecht

In seinem Urteil vom 7.2.2019 (Az.: VII ZR 63/18) hat sich der BGH der Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung beim Werkvertrag gewidmet. Der Fall ist ein Paradebeispiel, anhand dessen die extrem klausur- und examensrelevante Problematik ausführlich erörtert werden kann.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht)
Im Januar 2016 beauftragte die Klägerin B den Beklagten U mit der Wartung ihres Pkw. Im Zuge der Wartungsarbeiten tauschte der U unter anderem den Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen aus. Am 9. Februar 2016 traten – so die Behauptung der B – erhebliche Probleme mit der Lenkung auf, sodass sie das Auto in eine andere Werkstatt abschleppen lassen musste, weil der U bis zum 10. Februar 2016 Betriebsferien hatte. Dort habe sich herausgestellt, dass der U den Keilrippenriemen nicht richtig gespannt habe. Der aus diesem Grund gerissene Riemen habe sich um die Welle und das Gehäuse der Lichtmaschine gewickelt und diese beschädigt. Überreste des Riemens hätten sich um die Riemenscheibe der Servolenkungspumpe gewickelt mit der Folge, dass die Riemenscheibe gebrochen und die Dichtung der Servolenkungspumpe beschädigt worden sei. Zudem seien Teile des Riemens in den Riementrieb des Zahnriemens gelangt. Die B ließ Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine ersetzen und verlangt nunmehr von U die hierbei unstreitig entstandenen Reparaturkosten i.H.v. 1.715,57 € nebst Zinsen.
 
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
 
B) Rechtsausführungen
Der BGH hat mit Urteil vom 7.2.2019 das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Den Schwerpunkt der Entscheidung bildet die höchst klausur- und examensrelevante Abgrenzung von Schadensersatz statt der Leistung von Schadensersatz neben der Leistung, insbesondere die Einordnung sog. Mangelfolgeschäden.
 
I. Allgemeine Grundsätze zur Abgrenzung des Schadensersatzes statt vom Schadensersatz neben der Leistung
Ist eine Pflichtverletzung in Form einer mangelhaften Werkleistung i.S.v. § 633 BGB gegeben, ist in der Folge zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB zu differenzieren. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung und erfasst das Leistungsinteresse des Bestellers. Grundsätzlich ist hierfür – abgesehen von den normierten Ausnahmen – eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erforderlich, damit der Unternehmer eine letzte Gelegenheit erhält, seiner Pflicht zur geschuldeten Leistung, also der Herstellung eines mangelfreien Werks, nachkommen zu können. In Abgrenzung hierzu sind über § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB, der ausweislich keine Fristsetzung verlangt, die über das Leistungsinteresse hinausgehenden Vermögensnachteile, insbesondere Folgeschäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers als dem Werk selbst oder an dessen Vermögen, zu ersetzen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 225, 263). Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB kann also Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Man muss sich daher stets die Testfrage stellen, ob der aufgrund eines Werkmangels entstandene Schaden durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung beseitigt werden kann – und dann auf dieser Grundlage ermitteln, ob § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB oder §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB einschlägig ist.
 
II. Die Entscheidung des BGH vom 7.2.2019
Nach diesen Maßstäben nahm der BGH hinsichtlich der verschiedenen Schäden eine dogmatisch konsequente differenzierte Betrachtungsweise ein: So wurde bezüglich der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe ein Anspruch aus § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB hergeleitet; ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens konnte sich allerdings nur aus § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ergeben.
 
1. Über § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB ersatzfähige Mangelfolgeschäden
Anders als das Berufungsgericht kam der BGH zu dem Ergebnis, dass es sich bezüglich der Kosten für Lichtmaschine und Servolenkungspumpe um über §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB neben der Leistung ersatzfähige Mangelfolgeschäden handelte, für die es keiner Fristsetzung bedurfte: „Für derartige Folgeschäden kommt die Setzung einer Frist zur Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 4, § 281 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Denn der Zweck dieser Fristsetzung, dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit einzuräumen, ein mangelfreies Werk herzustellen, kann nicht erreicht werden in Bezug auf Schäden, die durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht zu beseitigen sind.“ (Rn. 19) Der BGH argumentiert also mit dem Telos des Fristsetzungserfordernisses, der darin besteht, dass dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit zur mangelfreien Leistung gewährt werden soll. Gerade diesem Sinn und Zweck entspreche es aber nicht, wenn bei Schäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers als dem Werk selbst eine Fristsetzung verlangt würde.
Allerdings bedarf es in einem vorherigen Schritt im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB der Ermittlung der konkret geschuldeten Werkleistung. Denn nur dann kann auch festgestellt werden, wann Schäden vorliegen, die an anderen Rechtsgütern als dem Werk selbst eingetreten sind. Besonders schwierig ist dies in der – wie hier vorliegenden – Konstellation, in der die einzelnen Teile, bei denen Schäden eingetreten sind, einer Gesamtsache – hier: dem Auto – zugehörig sind. Der BGH kam basierend auf diesen Erwägungen zu folgendem Auslegungsergebnis:

„Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte mit der Wartung des Kraftfahrzeugs der Klägerin beauftragt. Ein Wartungsvertrag über ein Kraftfahrzeug beinhaltet regelmäßig dessen Überprüfung auf Funktions- und Verkehrstüchtigkeit im vereinbarten Umfang und damit insbesondere auch die Aufdeckung etwaiger Schäden der zu überprüfenden Bereiche. Auch der Austausch von Verschleißteilen kann davon umfasst sein. Die Reparatur von im Rahmen der Wartung aufgedeckten Schäden gehört dagegen nicht zur geschuldeten Leistung eines Wartungsvertrags. Sie ist nur bei einer entsprechenden Vereinbarung durchzuführen. Entgegen der Auffassung der Revision umfasste der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ferner den Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens. Dabei kann dahinstehen, ob derartige Arbeiten regelmäßig zum geschuldeten Leistungsumfang eines Vertrags über die Wartung eines Kraftfahrzeugs gehören. Denn die Parteien haben diese Arbeiten hier – spätestens mit der (konkludenten) Abnahme der ausgeführten Arbeiten seitens der Klägerin durch Abholung des Kraftfahrzeugs und Begleichung der Rechnung des Beklagten – zum Gegenstand ihrer vertraglichen Vereinbarungen gemacht. Die vom Beklagten geschuldete Werkleistung bestand danach in der ordnungsgemäßen Wartung des Kraftfahrzeugs einschließlich des Austauschs des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens. Hierauf beschränkte sich indes auch die Leistungspflicht des Beklagten. Demgegenüber handelt es sich bei den Schäden an der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe um Folgeschäden, die durch die mangelhafte Werkleistung des Beklagten – das mangelhafte Spannen des Keilrippenriemens – entstanden sind, und die durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht mehr beseitigt werden können. Diese Schäden betreffen vielmehr zuvor unbeschädigte Bestandteile des Kraftfahrzeugs und nicht das geschuldete Werk selbst.“ (Rn. 21-25)

Der BGH nahm also aufgrund der Vereinbarung der Parteien, der U habe das Fahrzeug ordnungsgemäß zu warten sowie den  Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen auszutauschen, an, dass sich hierauf die geschuldete Werkleistung beschränkte. Bei den Schäden an Lichtmaschine und Servolenkungspumpe handelt es sich daher um Schäden, die an anderen Rechtsgütern als dem Werk selbst eingetreten sind.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Entscheidungen des BGH, nach denen die Nacherfüllung alle Arbeiten umfasst, die zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes erforderlich sind (vgl. beispielhaft BGH Urt. v. 22.3.1979 – VII ZR 142/78, juris, Rn. 17, und Urt. v. 29.11.1971 – VII ZR 101/70, juris, Rn. 41) Denn: „Jene Entscheidungen betreffen allein die Frage, welche Maßnahmen im Rahmen einer Nacherfüllung geschuldet sind, um ein mangelfreies Werk herzustellen. Erfordert die Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung Eingriffe in das sonstige Eigentum des Bestellers, sind auch die hierdurch entstehenden Schäden zu beheben. Von solchen Schäden, die im Zuge der Nacherfüllung zwangsläufig entstehen, sind diejenigen Schäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen zu unterscheiden, die durch die mangelhafte Werkleistung verursacht wurden. Sie werden von der Nacherfüllung nicht erfasst, sondern können nur Gegenstand des – verschuldensabhängigen – Schadensersatzanspruchs gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB sein (vgl. zur Abgrenzung bereits BGH, Urteil vom 7. November 1985 – VII ZR 270/83, BGHZ 96, 221, juris Rn. 14 ff.). So liegt der Fall hier. Denn hinsichtlich der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe geht es nicht um die Nacherfüllung der Wartung oder der vereinbarten Austauscharbeiten und hierdurch erforderlich werdende Maßnahmen, sondern um die Beseitigung weiterer, aufgrund der mangelhaften Werkleistung eingetretener Schäden am Kraftfahrzeug der Klägerin.“
Zusammenfassend kann sich ein Anspruch aus § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB daher nur für die Schäden an Lichtmaschine und Servolenkungspumpe ergeben, nicht aber bezüglich Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen.
 
2. Über § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ersatzfähige Mangelschäden
Hinsichtlich der Kosten für den Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens kam indes ein Anspruch aus § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB in Betracht. Wie bereits dargelegt, tritt der Schadensersatz statt der Leistung an die Stelle der Leistung und umfasst das Leistungsinteresse des Bestellers. Er knüpft daran an, dass keine ordnungsgemäße Nacherfüllung stattgefunden hat. Damit deckt sich sein Anwendungsbereich mit der Reichweite der Nacherfüllung, die gemäß § 634 Nr. 1 i.V.m. § 635 BGB auf die Bewirkung der geschuldeten Leistung gerichtet ist. Die geschuldete Leistung bestand im konkreten Fall – wie bereits im Wege der Auslegung ermittelt wurde – in der ordnungsgemäßen Wartung des Kraftfahrzeugs einschließlich des Austauschs des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens. Der BGH führte wie folgt aus:

„Soweit der Keilrippenriemen durch den mangelhaft ausgeführten Austausch – das mangelhafte Spannen – gerissen ist und deshalb dessen erneuter Austausch erforderlich wurde, betrifft dies den bei Abnahme vorhandenen Mangel des Werks. Die Beseitigung dieses Mangels wird von der Nacherfüllung erfasst, so dass die Kosten für den Austausch des Keilrippenriemens als Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB zu ersetzen sind. Gleiches gilt hinsichtlich des Austauschs von Riemenspanner und Zahnriemen. Auch insoweit ist das geschuldete Werk betroffen. Ohne Belang ist, dass Riemenspanner und Zahnriemen bei Abnahme noch nicht mangelhaft waren. Denn der jeweilige Mangel hat seine Ursache in dem mangelhaften Spannen des Keilrippenriemens und damit in der vertragswidrigen Beschaffenheit des Werks bei Abnahme. Der erforderliche erneute Austausch wird damit ebenfalls von der Nacherfüllung erfasst, so dass sich der Ersatz der Austauschkosten nach § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB richtet.“ (Rn. 35, 36)

Es bedurfte damit grundsätzlich einer Fristsetzung. Allerdings hat der BGH festgestellt, dass eine solche ausnahmsweise nach § 281 Abs. 2 Var. 2 BGB entbehrlich ist. Es lägen besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigten: Es „besteht ein besonderes Interesse der Klägerin an einer einheitlichen Reparatur, bei der die erforderlichen Austauscharbeiten im Zuge der Beseitigung der wirtschaftlich im Vordergrund stehenden Folgeschäden an der Lichtmaschine und der Servolenkung miterledigt werden. Demgegenüber tritt das – grundsätzlich bestehende – Interesse des Beklagten an der Möglichkeit einer Nacherfüllung betreffend Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen zurück, zumal dies im Anschluss an die Reparatur (allein) der Folgeschäden ein aufwendiges Verbringen des Kraftfahrzeugs in die Werkstatt des Beklagten erfordert hätte.“ (Rn. 37)
Nach Ansicht des BGH musste mithin keine Frist gesetzt werden, sodass auch ein Anspruch aus § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB in Betracht kommt.
 
C) Fazit
Die Entscheidung des BGH ist dogmatisch konsequent. Bei verschiedenen Schäden – auch an einer „Gesamtsache“ – ist bei der Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung stets zu differenzieren, ob das Leistungsinteresse des Bestellers betroffen ist oder ob Vermögensteile des Bestellers, die nicht das geschuldete Werk betreffen, beschädigt wurden. Hier bedarf es einer Auslegung im jeweiligen Einzelfall, worin die geschuldete Werkleistung liegt. Auf dieser Grundlage kann dann die Reichweite der Nacherfüllung und somit der Anwendungsbereich des § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB bestimmt werden. Hiervon nicht erfasste Schäden können dann über § 634 Nr. 4 i.V.m. §§ 280 Abs. 1 BGB ersatzfähig sein. In der Klausur ist daher unter Ausschöpfung aller im Sachverhalt genannten Aspekte der Umfang der geschuldeten Werkleistung auszulegen, um auf dieser Basis eine Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung vornehmen zu können.
 
 

11.06.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-06-11 09:20:242019-06-11 09:20:24BGH: Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung beim Werkvertrag
Dr. Sebastian Rombey

VW-Abgasskandal: BGH äußert sich zu Mangel und Ersatzlieferung

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Der BGH hat sich – wie in der vergangenen Woche bekanntgeworden ist – zu einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug geäußert (VIII ZR 225/17). Vorläufiges Fazit: betroffene Fahrzeuge weisen wohl einen Sachmangel auf. Da es sich jedoch um einen bloßen Hinweisbeschluss handelt (der Kläger hatte nach einem Vergleich seine Revision zurückgenommen), der am 27.02.2019 auf der Seite des BGH im Volltext veröffentlicht werden soll, wird in der Sache kein Urteil mehr ergehen und der BGH sich nicht mehr zu etwaigen Gewährleistungsansprüchen äußern können; die Rechtsansicht des BGH bleibt damit vorerst eine rein vorläufige. Dennoch lohnt es sich, die knappen Hinweise des BGH näher zu betrachten, auch, da zu erwarten ist, dass untere Instanzen sie ihren Entscheidungen zu Grunde legen werden. Für die gegen VW eingelegte Musterfeststellungsklage hat dies jedoch keine wirkliche Ausstrahlungskraft. Warum sich der BGH zu diesem nicht zwingend notwendigen, überdies öffentlich gemachten Hinweis hinreißen ließ, liegt indes auf der Hand: Der VW-Konzern verfolgt die durchaus nachvollziehbare Strategie, ein Grundsatz-Urteil im Abgasskandal unbedingt zu vermeiden. Der VIII. Zivilsenat hat diese Taktik nun zumindest teilweise durchkreuzt.
I. Sachmangel wohl zu bejahen
In der Sache ging es um die Rechtsfrage, ob dem Käufer eines von VW mit einer bei Übergabe mit einer Abschalteinrichtung versehenen Neuwagens zur Verdeckung erhöhter Stickoxidwerte ein Anspruch auf Ersatzlieferung bei einem Modellwechsel gegen den selbständigen VW-Vertragshändler zusteht. Im Zentrum stand damit die Frage nach dem Vorliegen eines Sachmangels. In Betracht kam ein solcher aus § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, also die fehlende Eignung für die gewöhnliche Verwendung, die bei Kaufsachen der gleichen Art und Güte üblich ist und die der Käufer nach der Art der Kaufsache erwarten kann. Die in Rede stehende Software reduziert auf dem Prüfstand den Stickoxidaustoß gegenüber dem Fahrbetrieb deutlich. Darin sah der BGH einen Sachmangel, „weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde besteht und es damit an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung (Nutzung im Straßenverkehr) fehlen dürfte.“ (PM Nr. 022/2019 v. 22.02.2019). Zum Hintergrund: Das Kraftfahrtbundesamt hatte zuvor verlauten lassen, dass es die Abschalteinrichtung für unzulässig hält. Grund zum Jubeln haben betroffene Käufer dennoch nicht unbedingt, sind doch die meisten Fälle mittlerweile verjährt. Allein bei arglistiger Täuschung wäre dies anders; zu dieser aber wurde höchstrichterlich noch nicht Stellung bezogen.
II. Keine Unmöglichkeit der Ersatzlieferung
Des Weiteren weist der BGH noch auf eine weitere, vorläufige Rechtsauffassung hin: Der Umstand, dass es mittlerweile ein Nachfolgemodell zu dem ursprünglich gekauften Neuwagen gebe, führe nicht zur Unmöglichkeit der Ersatzlieferung im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB. Zwar werde das ursprünglich erworbene Modell (VW Tiguan 2.0 TDI) nicht mehr produziert, eine Beschaffung sei deshalb ausgeschlossen. Entscheidendes Kriterium sei aber vielmehr die Höhe des Beschaffungsaufwandes für den Verkäufer. Dieser könne einfach das Nachfolgemodell liefern. Denn: Ein „mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang [sei] für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang […].“ (PM Nr. 022/2019 v. 22.02.2019). Seien die Beschaffungskosten für den Verkäufer zu hoch, könne dieser sich ggf. auf § 439 Abs. 4 BGB berufen (unverhältnismäßige Kosten), nicht aber die Ersatzlieferung über § 275 Abs. 1 BGB generell verweigern. Bei genauerer Betrachtung wir dem Leser jedoch klar, dass diese Möglichkeit gegenüber einem Verbraucher (§ 13 BGB) faktisch wie rechtlich nicht besteht, da die andere Art der Nacherfüllung (Nachbesserung) oftmals unmöglich ist.
Es bleibt also weiterhin spannend.
S. zu weiteren examensrelevanten Problemen des VW-Abgasskandals auch unseren früheren Beitrag (hier abrufbar).

26.02.2019/1 Kommentar/von Dr. Sebastian Rombey
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2019-02-26 09:11:032019-02-26 09:11:03VW-Abgasskandal: BGH äußert sich zu Mangel und Ersatzlieferung
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Mängelgewährleistung beim Kauf von Anteilen an einer GmbH (share deal)

BGH-Klassiker, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite

In seinem Urteil vom 26.09.2018 (Az.: VIII ZR 187/17, NZG 2018, 1305) hat sich der BGH mit dem Mängelgewährleistungsrecht beim Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH auseinandergesetzt. Die Entscheidung betrifft schwerpunktmäßig den Klassiker, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei einem Anteilskauf (share deal), der als solcher einen Rechtskauf i.S.v. § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB darstellt, die für einen Sachkauf geltenden Gewährleistungsrechte der §§ 434 ff. BGB gelten können. Thematisiert wird außerdem das Verhältnis des Mängelgewährleistungsrecht zur Störung der Geschäftsgrundlage. Flankiert wird dabei die Problematik, ob die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB herangezogen werden können, wenn bei dem Kauf der Mitgliedschaftsrechte die Vertragsparteien irrtümlich von der Solvenz der Gesellschaft ausgehen. Die hohe Examensrelevanz liegt damit auf der Hand: Kombiniert werden kann klassisches Mängelgewährleistungsrecht, das durch die Grundsätze des Unternehmenskaufs den Studierenden auf regelmäßig unvertrautem Terrain begegnet und insofern auf erhöhtem Schwierigkeitsgrad abgeprüft werden kann, mit dem Schuldrecht AT-Institut der Störung der Geschäftsgrundlage.
 

Anmerkung: Dass die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB den Rechtsanwender regelmäßig vor Probleme stellt, liegt schon in der Fassung der Norm begründet, die eine Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen und Wertungsgesichtspunkten enthält. Empfohlen wird daher unser Grundlagenbeitrag, der die Grundzüge der Störung der Geschäftsgrundlage darstellt und typische Fallkonstellationen aufzeigt.

 
A. Sachverhalt (vereinfacht und abgewandelt):
A und B sind beide zu je 50% an der C-GmbH beteiligt. Nach Meinungsverschiedenheiten vereinbaren die beiden, dass der A die vom B gehaltenen Anteile kaufen soll. Um den Wert der C-GmbH zu ermitteln, gibt der A bei einer Wirtschaftsprüfgesellschaft ein Gutachten in Auftrag, dem die Werte des Jahresabschlusses 2009 zugrunde gelegt werden und das unter Berücksichtigung von Einwänden des B ergänzt wird. Ausgehend von diesen Berechnungsgrundlagen veräußert der B seine Anteile an der C-GmbH durch notariellen Vertrag vom 5.10.2011 zu einem Kaufpreis von 4 Mio. Euro an den A. Der Kaufvertrag enthält dabei detaillierte Regelungen, zum Beispiel verschiedene Garantievereinbarungen im Hinblick auf das rechtswirksame Bestehen der Geschäftsanteile sowie die nicht vorhandene Belastung mit Rechten Dritter. Auch sollen gesetzliche Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sein, „soweit dies rechtlich möglich ist“. Vereinbart wird zudem, dass der Vertrag hinsichtlich dessen Gegenstandes das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend regeln soll. Nicht thematisiert wird jedoch, ob die finanzielle Lage des Unternehmens als Beschaffenheit der Anteile anzusehen ist. Nachdem A den Kaufpreis gezahlt hat, kommen ihm allerdings Zweifel, ob er ein gutes Geschäft gemacht hat. Für den Prüfbericht zum Jahresabschluss für das Jahr 2011 beauftragt er ein anderes Wirtschaftsprüfunternehmen, das feststellt, dass in den Jahren 2008-2010 massive Abgrenzungsfehler unterlaufen sind. Insbesondere der Jahresabschluss 2009, an dem sich die Parteien schwerpunktmäßig im Rahmen der Kaufpreisfindung orientiert haben, weist deutlich zu hohe Umsatzerlöse aus. Hätten die Parteien die zutreffenden Unternehmenszahlen zugrunde gelegt, hätte sich der Kaufpreis „auf allenfalls Null“ belaufen.
A ist empört und verlangt von B Rückzahlung des Kaufpreises sowie die Zahlung weiterer 4 Mio. Euro zur Sanierung der C-GmbH, gestützt auf Ansprüche auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage sowie hilfsweise auf Gewährleistungsansprüche. Zu Recht?
 
B. Lösung
Fraglich ist, ob der A einen Zahlungsanspruch hat.
 
I. Anwendbarkeit der Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage
Ein solcher könnte sich aus einem Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB ergeben. Damit ein Anspruch auf Vertragsanpassung bestehen kann, müssen die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage aber überhaupt anwendbar sein. Die Norm kommt nämlich erst dann in Betracht, wenn keine spezielleren Regelungen, deren Wertungen nicht unterlaufen werden dürfen, einschlägig sind. Insbesondere ist nach nahezu einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass § 313 BGB nicht zur Anwendung gelangt, wenn die Störung der Geschäftsgrundlage auf einem Mangel der Kaufsache beruht und die Vorschriften über die Mängelhaftung gemäß §§ 434 ff. BGB einschlägig sind. Denn – und so führt es der BGH in der vorliegenden Entscheidung aus –
 
„nach § 313 Abs. 1, 2 BGB kommt die Anpassung eines Vertrags wegen wesentlicher Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind und sich als falsch herausstellen, nur in Betracht, wenn und soweit die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie dieser Fehlvorstellung nicht erlegen wären (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16. September 2008 – VI ZR 296/07, VersR 2008, 1648 Rn. 23; MünchKomm-BGB/Finkenauer, 7. Aufl., § 313 Rn. 58), und einem Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. In diesem Verweis auf die gesetzliche Risikoverteilung kommt zum Ausdruck, dass eine Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage auszuscheiden hat, wenn und soweit es um Fehlvorstellungen geht, deren Auswirkungen auf den Vertrag der Gesetzgeber bereits durch Aufstellung bestimmter gesetzlicher Regeln zu erfassen versucht hat (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2015 – VIII ZR 266/14, BGHZ 208, 18 Rn. 23). Dementsprechend kann § 313 BGB im Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Sach- und Rechtsmängelhaftung grundsätzlich nicht herangezogen werden, da andernfalls die den Bestimmungen der §§ 434 ff. BGB zugrunde liegende Risikoverteilung durch die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage verändert werden würde. Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen einer Mängelhaftung im Einzelfall– etwa aufgrund eines wirksamen Haftungsausschlusses, wie ihn das Berufungsgericht vorliegend angenommen hat – nicht gegeben sein sollten.“ (Rn. 15 f.)
 
Mit anderen Worten: Selbst, wenn – wie hier – vertraglich vereinbart wird, dass gesetzliche Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sein sollen, können die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage nicht herangezogen werden, soweit es sich bei den Fehlvorstellungen der Parteien um einen Mangel handelt.
 
II. Mangel der Kaufsache
Daher ist vorrangig zu prüfen, ob das hohe negative Eigenkapital der C-GmBH denn überhaupt einen Mangel der Kaufsache darstellt. Wichtig ist dabei, dass es sich gerade um einen Kauf von Anteilen an einer GmbH – also einen Rechtskauf – handelt, der als solcher nach § 453 BGB beurteilt wird. Ein Rechtsmangel liegt vor, „wenn das verkaufte Recht nicht in dem vertraglich festgelegten Umfang besteht oder ihm andere Rechte entgegenstehen“ (BeckOK/Faust, 48. Edt., Stand: 01.11.2018, § 453 BGB Rn. 10). Das ist etwa der Fall, wenn der Gesellschaftsanteil mit Rechten Dritter belastet ist. Problematisch ist indes, ob die Überschuldung des Unternehmens einen Rechtsmangel bedeuten kann. Hier gilt der Grundsatz, den vermutlich jeder Examenskandidat schon einmal gehört hat: Der Verkäufer haftet grundsätzlich nur für die Verität, nicht aber für die Bonität. Das bedeutet konkret, dass die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Rechts oder der Zustand der Sache, auf den sich das Recht bezieht, nicht erfasst ist; beim share deal ist also nur maßgeblich, dass der Anteil in entsprechender Höhe besteht, gehaftet wird aber nicht für den Wert des Anteils oder etwaige Mängel des von der GmbH betriebenen Unternehmens (Jauernig/Berger, 17. Aufl. 2018, § 453 BGB Rn. 4), soweit keine entsprechenden Garantien vereinbart wurden. Laut Sachverhalt haben die Parteien hinsichtlich der finanziellen Lage des Unternehmens aber keine Garantie vereinbart. Hiervon ausgehend müsste man das Vorliegen eines Mangels mithin verneinen.
 
Etwas anderes könnte sich aber aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Unternehmenskauf ergeben: Der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass der
 
„Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH zwar als Rechtskauf angesehen und die Gewährleistung gemäß den hierfür in § 433 Abs. 1 Satz 2, §§ 437 ff. BGB aF vorgesehenen Regelungen – die eine Haftung grundsätzlich nur für den Bestand des Rechtes (Verität) vorsahen – bemessen  [wird], auf Mängel des von der GmbH betriebenen Unternehmens jedoch die Vorschriften über die Sachmängelhaftung für die Fälle entsprechend herangezogen [werden], in denen sich der Erwerb dieses Rechts sowohl nach der Vorstellung der Parteien als auch objektiv als Kauf des Unternehmens selbst und damit bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Sachkauf darstellte […]. Ein solcher Unternehmenskauf wurde insbesondere dann bejaht, wenn der Käufer von seinem Verkäufer sämtliche oder nahezu sämtliche Geschäftsanteile (vgl. hierzu Senatsurteile vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, NJW 1980, 2408 unter II 2 a; vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00, aaO [jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF]) erwarb und damit, ohne durch die Befugnisse von Mitgesellschaftern beeinträchtigt zu sein, uneingeschränkt über das Unternehmen verfügen konnte, obgleich formell die GmbH Trägerin des Unternehmens und Eigentümerin der Sachwerte desselben blieb.“ (Rn. 19 f.)
 
Das heißt, dass, auch wenn ein Rechtskauf stattgefunden hat, das Sachmängelgewährleistungsrecht beim Unternehmenskauf Anwendung finden kann, sodass unter Umständen auch Mängel des „Substrats“ des Unternehmens geltend gemacht können. Der share deal wird insoweit dem asset deal– dem Kauf der einzelnen Unternehmensgegenstände – gleichgestellt. Die Voraussetzung ist aber, dass es sich aber bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sowohl aus Sicht der Vertragsparteien als auch nach den objektiven Umständen um einen Kauf des ganzen Unternehmens, also faktisch um einen Sachkauf, handelt – wobei im Einzelnen umstritten ist, ab welcher Grenze der Kauf des ganzen Unternehmens angenommen werden kann. Unabhängig davon, ob denn überhaupt das hohe negative Eigenkapital der GmbH als Sachmangel des Unternehmens angesehen werden kann, muss daher zunächst die Frage beantwortet werden, ob im vorliegenden Fall bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Kauf des gesamten Unternehmens anzunehmen ist.
 
Das hat der BGH im Gegensatz zur Berufungsinstanz mit der Begründung verneint, dass der Käufer vorliegend nur einen Anspruch auf Übertragung der Hälfte der Anteile hatte: Es fehle damit „nach der Parteivorstellung und der Verkehrsanschauung an einem – gemäß den dargestellten Grundsätzen für die entsprechende Anwendung der Sachmängelhaftung entscheidenden – auf den Erwerb des Unternehmens insgesamt gerichteten Ziel des Vertrags“ (Rn. 26). Die Berufungsinstanz habe missverstanden, dass es nicht darum gehe, dass der A nunmehr 100% der Anteile halte; vielmehr sei lediglich der konkrete Kaufgegenstand entscheidend – und das seien eben nur 50% der Anteile. Denn die Anwendung der §§ 434 ff. BGB könne nicht von Umständen außerhalb des Vertrags abhängen, auch wenn der A dadurch, dass er zuvor schon 50% der Anteile gehalten hat, nunmehr im Ergebnis die alleinige Verfügungsgewalt über das Unternehmen hat. Damit bleibt es bei den Grundsätzen des Rechtskaufs – und dabei, dass die von A behauptete schlechtere finanzielle Lage des Unternehmens keinen Rechtsmangel i.S.v. § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB darstellt. Gesetzliche Gewährleistungsansprüche können damit, unabhängig davon, dass diese im vorliegenden Fall nach der vertraglichen Vereinbarung ohnehin ausgeschlossen sind, nicht bestehen.
 
III. Ansprüche aus § 313 Abs. 1, 2 BGB möglich
Mangels Eingreifens spezieller Regelungen kommt daher ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB in Betracht. Inwieweit der Anspruch gegeben ist, bedarf allerdings weiterer Feststellungen, sodass der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat, § 563 Abs. 1 S. 1 ZPO. Denn die Parteien seien zwar davon ausgegangen, dass das Unternehmen fortführungsfähig sein; ob und in welchem Umfang allerdings sich relevante Umstände nachträglich als falsch herausgestellt hätten und inwieweit dem A das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden könne, sei offengelassen worden. Allein darauf, dass die Parteien im Kaufvertrag den Ausschluss gesetzlicher Gewährleistungsrechte vereinbart hätten, könne man die Zuweisung des Risikos an den A nicht stützen: „Der zwischen den Parteien geschlossene Anteilkaufvertrag enthält […]gerade – wie auch das Berufungsgericht mehrfach hervorgehoben hat – keine näheren Angaben zur wirtschaftlichen Lage der GmbH und trifft dementsprechend auch keine Aussagen darüber, wer insoweit das Risiko einer Störung des angestrebten Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung tragen sollte.“ (Rn. 45) Insoweit mag man also die Entscheidung des Berufungsgerichts abwarten. Ob dem A ein Zahlungsanspruch zusteht, kann nicht abschließend beurteilt werden.
 
C. Fazit
Eine Entscheidung, die unter Billigkeitsgesichtspunkten etwas unbefriedigend erscheint, dogmatisch aber überzeugt. Zutreffend stellt der BGH fest, dass „der von den Parteien übereinstimmend und im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit bestimmte Kaufgegenstand eben keine Sache, sondern ein Recht ist“ (Rn. 32) und der Verkäufer daher nach allgemeinen Grundsätzen nur für die Verität, nicht aber für die Bonität und dementsprechend eben nicht für die Werthaltigkeit der Sache, auf die sich das Recht bezieht, haftet. Zur Vertiefung ist ein Blick in die ausführliche Begründung des BGH lohnenswert. Das Urteil ist auch interessant im Hinblick auf die Feststellungen zum Verhältnis des Mängelrechts zur Störung der Geschäftsgrundlage: Dass, wenn das Gewährleistungsrecht nicht einschlägig ist, die subsidiären Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage herangezogen werden können, darf in einer Klausur nicht übersehen werden – ob der Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1, 2 BGB dann bejaht oder verneint wird, ist zweitrangig; wichtig ist hier eine gute Argumentation.
 

07.01.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-01-07 09:30:072019-01-07 09:30:07BGH: Mängelgewährleistung beim Kauf von Anteilen an einer GmbH (share deal)
Dr. Yannik Beden, M.A.

Sachmangel bei Kauf von Doppelbett: Kein Rücktritt aufgrund von „Kuhlenbildung“

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Liegt ein Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB vor, wenn sich bei einem zwei Jahre alten Boxspringbett mit doppeltem Matratzenuntergestell eine Kuhle in der Mitte des Bettes bildet? Mit dieser Rechtsfrage durfte sich das LG Koblenz in seinem Beschluss vom 17.8.2018 – 6 S 92/18 beschäftigen. Die Entscheidung beleuchtet das Verständnis des kaufrechtlichen Mangelbegriffs speziell für den Kauf von Betten und bietet dabei gleichzeitig Gelegenheit, die grundlegende Systematik des § 434 BGB zu rekapitulieren:
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)
„Der Kläger, alleinstehend und Alleinschläfer, interessierte sich für die Anschaffung eines neuen Bettes. Nach kurzem Probeliegen kaufte er bei dem später beklagten Möbelhaus ein Boxspringbett in der Größe 1,60m*2,00m zum Preis von 2.000,00 €. Das Boxspringbett bestand – entsprechend des unterschriebenen Kaufvertrages – aus einem gefederten Untergestell als Basis, zwei aufgelegten Matratzen in den Größen 0,8m*2,00m in einem durchgehenden Bezug und einem noch aufgelegten, durchgehenden sog. Topper. Nach nicht ganz zweijähriger Nutzung hatte sich eine Kuhle in der Mitte des Bettes gebildet, der Schlafkomfort war beeinträchtigt. Der Kläger verlangte daher vom Möbelhaus, diesen Mangel zu beseitigen. Das Möbelhaus verweigerte die Mangelbeseitigung mit dem Hinweis, das Bett sei zur Alleinnutzung nicht geeignet, beim Schlafen in der Mitte des Bettes bilde sich zwangsläufig wegen der zwei Matratzen eine Kuhle, es liege ein bestimmungswidriger Gebrauch vor. Dies wollte der Kläger nicht akzeptieren, schließlich habe er bei den Verkaufsverhandlungen deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Bett alleine nutzen werde. Er reichte daher Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages beim Amtsgericht Mayen ein.“
II. Überblick zur Regelungssystematik des § 434 Abs. 1 BGB
Wann ist der Kaufgegenstand frei von Sachmängeln i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB? Im Ausgangspunkt bedarf es stets einer negativen Abweichung der „Ist-Beschaffenheit“ von der vertraglich geschuldeten „Soll-Beschaffenheit“ (vgl. BeckOK/Faust, BGB, 46. Ed. Stand 1.5.2018, § 434 Rn. 12). Welchen Zustand die Sache aufweisen soll, können die Vertragsparteien im Rahmen einer Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB selbst festlegen, wobei dies nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen kann. Welche Umstände als „Eigenschaften“ einer Sache zu qualifizieren sind ist mitunter umstritten: Diskutiert wird vor allem, inwieweit eine Beschaffenheit der Sache physisch anhaften muss bzw. ob auch Umweltbeziehungen des Kaufgegenstands zur Bestimmung der Beschaffenheit heranzuziehen sind (ausführlich MüKo/Westermann, BGB, 7. Auflage 2016, § 434 Rn. 9).
Besteht keine (explizite oder stillschweigende) Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache, kann ein Mangel auch vorliegen, wenn sich die Sache nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine vertraglich vorausgesetzte Verwendung anzunehmen, sofern beide Parteien eine solche übereinstimmend unterstellen, wobei es keiner vertraglichen Vereinbarung bedarf (BGH Urteil v. 16.3.2012 – V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078). Gibt es keine Beschaffenheitsvereinbarung und wurde keine Verwendungsmöglichkeit vorausgesetzt, ist nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf die Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung bzw. die verkehrsübliche Beschaffenheit des Gegenstands abzustellen. Mangelfrei ist die Sache dabei nur, wenn sie die übliche Beschaffenheit und Eignung zur gewöhnlichen Verwendung kumulativ aufweist (BeckOK/Faust, BGB, 46. Ed. Stand 1.5.2018, § 434 Rn. 53).   
III. Wie entschied das Gericht?
Das LG Koblenz schloss sich der Vorinstanz an und verneinte eine Mangelhaftigkeit des Bettes, sodass kein Rücktrittsgrund bestand. Eine Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zog das Gericht von vornherein nicht in Erwägung. Auch eine vertragliche vorausgesetzte Verwendungsmöglichkeit i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB nahm das Gericht nicht an. Es entspreche darüber hinaus nicht der üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) eines Doppelbettes, dass der Bereich zwischen den für jeweils eine Person vorgesehenen Liegeflächen zum Schlafen genutzt werde. Auch der Aufbau des Boxspringbettes bestehend aus zwei Matratzen, die als Untergestell für den Topper fungieren, mache dies deutlich. Ebenso wenig bestehe – so das Gericht – eine Pflicht des Verkäufers des Bettes zur Aufklärung über etwaige Nutzungsmöglichkeiten der Liegefläche. Zuletzt verwies der Käufer noch auf eine Werbung des Möbelhauses, in der eine Frau abgebildet war, die allein und diagonal auf einem großen Boxspringbett lag und ein Prospekt durchblätterte. Doch auch dieser Einwand überzeugte die Zivilkammer nicht: Es sei ersichtlich, dass in der Werbung des Verkäufers keine typische Schlafsituation dargestellt werde. Auch § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ist den Ausführungen des Gerichts zufolge deshalb nicht einschlägig. Der Käufer musste sich letztlich also mit der Kuhle in der Mitte seines Bettes abfinden.
Die Wertung des LG Koblenz lässt sich durchaus bestreiten. Auch bei Nutzung des Doppelbettes durch zwei Personen kann – etwa durch unruhigen Schlaf o.ä. – eine Kuhle in der Bettmitte auftreten, insbesondere wenn beide Personen zur Mitte des Toppers rücken. Die Argumentation des Gerichts verfängt insofern nicht vollständig. Allerdings wird man auch bei bestimmungsgemäßer Nutzung des Bettes durch zwei Personen keinen Sachmangel bejahen können: Der Topper eines Boxspringbettes ist üblicherweise in verschiedenen Härten erhältlich, sodass für verschiedene Belastungen unterschiedliche Härtegrade geeignet sind. Zudem müssen auch die unterliegenden Matratzen auf die individuelle Belastung angepasst sein. Die richtige Zusammensetzung des Boxspringbetts liegt jedoch nicht zwangsläufig in der Risikosphäre des Verkäufers, sondern regelmäßig nur dann, wenn ein dahingehender Parteiwille ersichtlich ist.  
IV. Kurzes Resümee
Legt sich ein Alleinstehender ein Boxspringbett mit Doppelunterlage zu, hat er zwei Möglichkeiten: Auf einer Seite des Bettes schlafen oder eine Partnerin bzw. eine Partner finden. Mittiges Schlafen stellt jedenfalls nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung einen bestimmungswidrigen Gebrauch dar, sodass eine Kuhlenbildung hinzunehmen ist. Ob dieses Ergebnis überzeugt, mag dahinstehen. Nicht zuletzt ist das Entstehen einer Vertiefung in der Mitte des Bettes auch denkbar, wenn zwei Personen das Boxspringbett nutzen und während des Schlafens näher zur Mitte des Toppers rücken. Ungeachtet dessen bietet die Entscheidung eine gute Gelegenheit, den kaufrechtlichen Sachmangelbegriff zu vergegenwärtigen und eigene Argumentationsstränge für unbekannte Rechtsfragen zu entwickeln.    

05.09.2018/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-09-05 10:00:512018-09-05 10:00:51Sachmangel bei Kauf von Doppelbett: Kein Rücktritt aufgrund von „Kuhlenbildung“
Dr. Yannik Beden, M.A.

Examensrelevantes Urteil im Kaufrecht: Pferd als „gebrauchte Sache“

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Wann sind Tiere als „gebrauchte“ Sachen im Sinne der §§ 474 Abs. 2 S. 2, 476 Abs. 2 BGB zu verstehen? Hierzu hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit Urteil vom 4.7.2018 – 12 U 87/17 Stellung bezogen. Konkret betraf die Rechtsstreitigkeit die Versteigerung eines zweieinhalb Jahre alten Hengstes. Die Abgrenzung zwischen neuen und gebrauchten Sachen ist für die Anwendbarkeit der Sonderbestimmungen aus dem Verbrauchsgüterkaufrecht von besonderer Bedeutung, wobei die Einzelheiten in Rechtsprechung und Literatur nach wie vor äußerst umstritten sind. Das Urteil bietet Gelegenheit, sich mit der prüfungs- und examensrelevanten Rechtsfrage vertieft auseinanderzusetzen:   
I. Worüber stritten die Parteien?
Gegenstand des Verfahrens war eine Streitigkeit über die Rückabwicklung eines Pferdekaufs. Die Käuferin ersteigerte am 1. November 2014 auf einer von der Verkäuferin durchgeführten Auktion einen zu diesem Zeitpunkt zweieinhalb Jahre alten Hengst. Im Zeitraum von November 2014 bis zum Sommer 2015 befand sich der Hengst im Stall der Käuferin. Diese unternahm mehrere Versuche, das Pferd zu longieren und an Sattel und Gewicht eines Reiters zu gewöhnen. Bis Oktober 2015 stand das Pferd auf der Weide der Käuferin, die immer wieder Versuche unternahm, das Pferd zu reiten. Schlussendlich möchte sich die Käuferin vom Kaufvertrag lösen: Sie habe das Pferd als künftiges Dressurpferd erworben. Entgegen ihrer ursprünglichen Vorstellung sei das Tier nicht reitbar und dazu noch äußerst widerwillig. Vor allem aber habe der Hengst bereits zum Zeitpunkt der Auktion ein sog. Kissing Spines (Fehlstellung der Dornfortsätze der Wirbelsäule) im Bereich der Brust und der Lendenwirbelsäule sowie eine Verkalkung im Nackenbereich des Hinterhauptes aufgewiesen.
Am 10. November 2016 erklärte die Käuferin ihren Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Verkäuferin erklärte unter Berufung auf eine in ihren Auktionsbedingungen geregelte Verjährungsverkürzung auf drei Monate nach Gefahrübergang, dass der Rücktritt wegen der Verjährung eines hypothetischen Nacherfüllungsanspruchs unwirksam sei.
II. § 474 Abs. 2 S. 2 BGB: Nichtanwendbarkeit der §§ 474 ff. BGB bei „gebrauchter“ Sache
Für die Frage nach der Wirksamkeit des Rücktritts der Käuferin ist entscheidend, ob die in den Auktionsbedingungen bestimmte Verjährungsverkürzung auf drei Monate ab dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs wirksam Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags geworden ist. Nach § 476 Abs. 2 BGB kann die Verjährung der Mangelgewährleistungsansprüche aus § 437 BGB bei gebrauchten Sachen vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer nicht rechtsgeschäftlich zugunsten des Unternehmers erleichtert werden, wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn von weniger als einem Jahr führt. Danach wäre die zwischen den Parteien vereinbarte Verjährungsverkürzung auf drei Monate unwirksam. § 476 Abs. 2 BGB findet jedoch ausweislich der Regelung in § 474 Abs. 2 S. 2 BGB keine Anwendung, wenn der Kaufgegenstand eine „gebrauchte Sache“ ist, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung an den Verbraucher verkauft worden ist. Die Verbrauchereigenschaft der Käuferin sowie die Einordnung der streitgegenständlichen Auktion als öffentlich zugängliche Versteigerung vorausgesetzt, ist zu fragen, ob der zweieinhalb Jahre alte Hengst eine gebrauchte Sache i.S. der Norm darstellt:
1. Ansätze von Rechtsprechung und Literatur zur Begriffsbestimmung beim Tierkauf

Uneinheitlich wird beurteilt, wann beim Tierkauf von einer gebrauchten Sache auszugehen ist. Die Rechtsprechung tendiert dazu, jedenfalls Jungtiere nicht als „gebraucht“ zu qualifizieren (vgl. für den Kauf von Hundewelpen LG Aschaffenburg Urteil v. 14.12.1989 – S 210/89, NJW 1990, 915). Ebenso spricht gegen eine Einordnung als gebrauchte Sache, wenn das Tier bis zum Verkauf noch nicht verwendet worden ist, im Falle eines Pferdes also keine Nutzung als Reit- oder Zuchttier stattgefunden hat (BAG Urteil v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674). Begründet wird diese Auffassung damit, dass das Tier bis zu diesem Zeitpunkt nur seinem allgemeinen Lebensrisiko ausgesetzt worden ist, nicht hingegen dem spezifischen Gebrauchsrisiko (BAG Urteil v. 3.7.1985 – VIII ZR 152/84, NJW-RR 1986, 52). Teile der Literatur widersprechen bereits der Möglichkeit einer Abgrenzung, da das Mangelrisiko für den Verkäufer generell nicht beherrschbar sei (BeckOK/Faust, BGB, 46. Ed. Stand 1.5.2018, § 474 Rn. 27; Reuter, ZGS 2005, 88 (90f.). Diese Ansicht ist allerdings nur schwerlich mit der Gesetzesbegründung vereinbar, in der die Unterscheidung zwischen neu und alt auch für Fälle des Tierkaufs explizit angesprochen wird (BT-Drucks. 14/6040, S. 245).
2. Die Lösung des OLG Schleswig-Holstein
Das OLG schließt sich im Ausgangspunt der Judikatur des BGH an, wonach auch bei Tieren zwischen „neu“ und „alt“ zu unterscheiden ist. Ob das Pferd zum Zeitpunkt des Verkaufs die anatomischen und physischen Voraussetzungen für eine Verwendung als Reitpferd aufweist, sei unerheblich. Vielmehr sei entscheidend, ob das Pferd bei Gesamtbetrachtung über einen längeren Zeitraum dergestalt äußeren Einwirkungen bzw. Umwelteinflüssen ausgesetzt war, dass das altersbedingte Mängelrisiko zum Verkaufszeitpunkt derart gestiegen ist, dass das Tier nicht mehr als „neu“ angesehen werden kann. Für einen zum Zeitpunkt seiner Versteigerung zweieinhalb Jahre alten Hengst sei dieses Sachmangelrisiko bereits so hoch, dass das Pferd eine „gebrauchte Sache“ i.S.v. §§ 474, 476 BGB darstelle. Wirklich aufschlussreich ist der Definitionsversuch des Gerichts freilich nicht. Konkrete Anhaltspunkte für die generelle Bestimmung des „Sachmängelrisikos“ bei Tieren liefert das OLG nicht. Verkürzt kann der Ansatz des Gerichts so gelesen werden: „Eine Sache ist als gebraucht anzusehen, wenn das Risiko eines Sachmangels so hoch ist, dass sie nicht mehr als neu angesehen werden kann.“ Der Abgrenzungsversuch ist zum einen zirkulär, zum anderen liefert er keine stichhaltigen Merkmale für die Unterscheidung. Zutreffend ist jedoch, dass es letztlich einer wertenden Gesamtbetrachtung des Zustands des Tieres bedarf. Dabei kommt – unter Berücksichtigung der vereinbarten oder vorausgesetzten Verwendung – insbesondere den biologischen Merkmalen des Tieres Bedeutung zu. Für den Kauf eines Pferdes sind regelmäßig Umstände wie etwa Eintritt der Geschlechtsreife, bisherige Maßnahmen zur Dressur, Art der Haltung (Stallhaltung/Weidehaltung), Alter bei Gefahrübergang etc. zu berücksichtigen.   
III. Kurze Summa
Auch beim Kauf von Tieren ist zwischen „neu“ und „gebraucht“ im Sinne der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf zu differenzieren. Tiere sind weder kategorisch als gebrauchte Sachen einzuordnen, noch finden sich in den §§ 474 ff. BGB spezielle Sonderschriften für den Kauf von Tieren. Die Abgrenzung bedarf dabei einer wertenden Gesamtbetrachtung des biologischen Zustands des Tieres – feste, allgemeingültige Abgrenzungsmerkmale gibt es nicht. „Gebraucht“ ist ein Tier grundsätzlich dann, wenn das Risiko eines Mangels altersbedingt erhöht ist. Das Alter des Tieres bei Gefahrübergang kann dabei ein erstes Indiz für die Einordnung darstellen. Jedenfalls ein zum Zeitpunkt des Kaufs zweieinhalb Jahre altes Pferd wird danach als gebrauchte Sache i.S.v. § 474 Abs. 2 S. 2 BGB einzuordnen sein.

27.08.2018/6 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-08-27 10:00:572018-08-27 10:00:57Examensrelevantes Urteil im Kaufrecht: Pferd als „gebrauchte Sache“
Dr. Yannik Beden, M.A.

BGH: Neues zum Sachmangel beim Pferdekauf

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Neben dem Gebrauchtwagenkauf ist der Kauf von (Dressur-)Pferden einer der absoluten Examensklassiker. Üblicherweise finden sich in der Klausur Problemstellungen zum Mangelbegriff, zur Vertragsauslegung sowie zur Beweislastverteilung. Zu diesen Punkten hat sich der BGH nunmehr mit Urteil vom 18.10.2017 – VIII ZR 32/16 erneut geäußert und seine bisherige Rechtsprechung zur Frage des Sachmangels bei Abweichen eines Tieres von der „physiologischen Idealnorm“ bestätigt. Die Entscheidung bietet Gelegenheit zur Wiederholung und Vertiefung des in Klausuren regelmäßig behandelten Systems der Sachmängelgewährleistung im Kaufrecht. Sie verdient deshalb eine genauere Betrachtung.
I. Der Sachverhalt
Die Parteien schlossen im Jahr 2010 einen mündlichen Kaufvertrag über einen damals 10 Jahre alten Hannoveraner Wallach zum Preis von 500.000 €. Der Käufer beabsichtigte, den Wallach als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Verkäufer, ein selbständiger Reitlehrer und Pferdetrainer, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nach zwei Proberitten und einer „großen Ankaufsuntersuchung“, in der sich keine erheblichen Befunde ergeben hatten, wurde das Pferd dem Käufer am 30.11.2010 übergeben. Am 15. Juni 2011 wurde dann jedoch im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung ein Röntgenbefund an einem Halswirbel des Pferdes festgestellt – der Gelenkfortsatz des vierten Halswirbels des Tieres war deutlich verändert. Das Pferd lahmt und hat Schmerzen, sodass es sich einer reiterlichen Einwirkung widersetzt. Ob die schwerwiegenden Rittigkeitsprobleme auf die durch den Röntgenbefund festgestellte Veränderung des Halswirbels zurückzuführen sind, ließ sich nicht feststellen. Der Käufer erklärt – nach vergeblicher Fristsetzung zur Nacherfüllung – den Rücktritt vom Kaufvertrag und begehrt dessen Rückabwicklung.
II. Rechtliche Würdigung des Bundesgerichtshofs
Der Käufer könnte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 500.000 € aus §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 323 Abs. 1 Alt. 2, 346 Abs. 1 BGB haben. Die zentrale Fragestellung ist insofern, ob bei Gefahrübergang ein Sachmangel vorgelegen hat:
Der BGH stellt zunächst Überlegungen zu einer etwaigen Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB an. Das Berufungsgericht entschied zuvor, dass es sich bei dem Röntgenbefund um einen Sachmangel i.S. der genannten Norm handele, und zwar unabhängig davon, ob die klinischen Erscheinungen des Pferdes auf den Befund kausal zurückgeführt werden können. Dafür wäre allerdings das Vorhandensein einer – ausdrücklichen oder konkludenten – Beschaffenheitsvereinbarung notwendig, der zufolge das Pferd einen Röntgenbefund im Bereich des Facettengelenks nicht haben dürfte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt eine Beschaffenheitsvereinbarung voraus, dass der Verkäufer in vertragsbindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen (hierzu bereits BGH Urteil v. 4.6.1997 – VIII ZR 243/96). Eine solche Vereinbarung kann auch stillschweigend getroffen werden – der BGH stellt hier jedoch strenge Anforderungen, sodass eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht im Zweifel, sondern nur bei eindeutigen Fällen in Betracht kommt (so bereits BGH Urteil v. 15.6.2016 – VIII ZR 134/15 und 29.6.2016 – VIII ZR 191/15). Da auch hinsichtlich einer stillschweigenden Vereinbarung keine Anhaltspunkte für einen darauf gerichteten Willen in irgendeiner Form vorlagen, verneinte das Gericht im Ergebnis den Abschluss einer Beschaffenheitsvereinbarung über den streitgegenständlichen Röntgenbefund am Halswirbel des Tieres.
Fraglich ist jedoch, ob ein Mangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BGB vorliegt. Zentraler Problempunkt ist insofern, dass der Hannoveraner Wallach ein hochklassiges Dressurpferd ist, das aufgrund der Veränderung des Halswirbels nicht mehr der „Idealform“ entspricht. Der BGH setzt diesbezüglich seine bisherige Rechtsprechung zu Mängeln bei Pferden fort: Die Eignung für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd ist nicht bereits dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen in der physiologischen Norm eine (lediglich) geringere Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung künftiger klinischer Symptome besteht. Dem BGH zufolge gehört es nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres, „dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht“.
Dieser Wertung ist umfassend beizupflichten: Tiere unterliegen als Lebewesen einer ständigen biologischen Entwicklung, sodass es bereits äußerst schwer sein dürfte, einen Maßstab für eine derartige „Idealphysiologie“ zu bilden. Darüber hinaus handelt es sich beim Kauf eines Tieres nicht um ein industrielle hergestelltes Produkt, bei dem weitaus höhere Anforderungen an die physische und maschinelle Beschaffenheit gestellt werden können. Die individuellen Anlagen eines Tieres sind also im Rahmen der Bestimmung des Mangelbegriffs umfassend zu berücksichtigen.  Das Gericht entschied in diesem Zusammenhang auch noch, dass es auf die Häufigkeit bzw. Üblichkeit der morphologischen Veränderung nicht ankomme. Dies gelte sogar für erstmalig auftretende physiologische Abweichungen von der „Idealform“.
Da weder eine Beschaffenheitsvereinbarung über das Ausbleiben eines Röntgenbefunds am Halswirbel vorliegt, noch die Abweichung von der physiologischen Idealnorm einen eigenständigen Mangel zu begründen vermag, verbleibt die Frage, ob die „Rittigkeitsprobleme“ bereits bei Gefahrübergang vorhanden waren. Fest steht zwar, dass die Änderung des Halswirbels zu diesem Zeitpunkt schon bestand, jedoch ist nicht feststellbar, ob Lahmheit, Schmerzen und Widersetzlichkeit des Pferdes hierauf zurückzuführen sind. Fraglich ist demzufolge, ob dem Käufer die Vermutungswirkung des § 476 BGB zu Gute kommt. Problematisch und in der Klausur zu diskutieren wäre hier die Reichweite der Vermutungswirkung – Stichwort „Grundmangel“. Dafür müsste allerdings zunächst ein Verbrauchsgüterkauf nach § 474 Abs. 1 BGB vorliegen, der Verkäufer mithin als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB gehandelt haben. Mit Blick auf die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Kaufs kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Verkäufer nicht in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hat. Zwar kann auch der erstmalige Abschluss eines Vertrags auf zukünftiges unternehmerisches Handeln gerichtet sein (vgl. zur Unternehmereigenschaft bei Startup-Unternehmen BGH Beschluss v. 24.2.2005 – III ZB 36/04). Hierfür bedarf es jedoch entsprechender Anhaltspunkte, die im zu entscheidenden Fall nicht ersichtlich waren. Darüber hinaus wurde das Pferd zuvor vom Verkäufer zu eigenen Zwecken ausgebildet und trainiert, sodass eine private Nutzung bestand. Da es auch keine Vermutung dafür, dass von Unternehmern getätigte Rechtsgeschäfte im Zweifel dem geschäftlichen bzw. beruflichen Bereich zuzuordnen sind, besteht, handelte der Verkäufer im Ergebnis nicht als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB. Mangels Verbrauchsgüterkaufs kommt dem Käufer also die Vermutungsregelung aus § 476 BGB nicht zu Gute, sodass auch die diversen „Rittigkeitsprobleme“ keinen bei Gefahrübergang nachweisbar bestandenen Mangel begründen. Summa summarum fehlt es also an einem Sachmangel i.S.v. § 434 BGB. Einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 500.000 € aus §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 323 Abs. 1 Alt. 2, 346 Abs. 1 BGB hat der Käufer nicht.
III. Fazit
Die Entscheidung des BGH setzt die bisherige Rechtsprechung zum Mangelbegriff bei Tieren konsequent fort. Auch bei hochpreisigen Dressurpferden kann der Käufer grundsätzlich keine Beschaffenheit erwarten, die der – wie auch immer zu bestimmenden – Idealphysiologie entspricht. In der Klausur muss vor allem zwischen den verschiedenen Bezugspunkten für die Bestimmung eines etwaigen Mangels unterschieden werden. Hier ist eine präzise Differenzierung notwendig. Im Ergebnis handelt es sich um einen Fall, der sich für die juristische Staatsprüfung sehr gut eignet – der Pferdekauf bleibt ein echter „Dauerbrenner“.

04.12.2017/0 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2017-12-04 10:00:482017-12-04 10:00:48BGH: Neues zum Sachmangel beim Pferdekauf
Redaktion

Der Dieselskandal in der Klausur: Möglichkeiten des Rücktritts vom Kaufvertrag

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Wir freuen uns sehr, heute einen Gastbeitrag von Julian Götz, derzeit Rechtsreferendar am Landgericht Köln, veröffentlichen zu können. 
Der sogenannte Dieselskandal schlägt derzeit hohe Wellen und hat sich nahezu auf die gesamte Automobilbranche ausgeweitet.
Im Kern geht es darum, dass die betroffenen Fahrzeuge mit einer Software zur Optimierung / Manipulation der Abgaswerte ausgestattet sind. Die Software erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befindet. Stellt die Software fest, dass sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet, manipuliert bzw. optimiert die Software die Stickoxid-Emissionswerte, sodass die Grenzwerte der Euro-5-Abgasnorm eingehalten werden. Im normalen Straßenverkehr greift die Software nicht ein. Das bedeutet, dass die Grenzwerte im Alltag auf der Straße nicht eingehalten werden und der Stickoxid Grenzwert teilweise bis zum 30-fachen überschritten wird.
Viele der betroffenen Kfz Eigentümer fühlen sich von den Automobilherstellern hintergangen und möchten ihre Fahrzeuge zurückgeben. Dies hat zu unzähligen Verfahren vor deutschen Gerichten geführt. In diesem Zusammenhang sollen nachfolgend insbesondere die Probleme bei einem erklärten Rücktritt näher beleuchtet werden (zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung siehe LG München I, Urteil vom 14. April 2016, Az. 23 O 23033/15).
I. Gegenseitiger Vertrag
Für einen etwaigen Rücktritt muss natürlich zunächst ein wirksamer Kaufvertrag über das Auto zustande gekommen sein.
II. (Nicht-) oder Schlechtleistung
Der Schuldner, in diesem Fall der Verkäufer, müsste seine Leistung nicht vertragsgemäß erbracht haben (§§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 Var. 2 BGB). Das ist der Fall, wenn das Fahrzeug mangelhaft ist, also die Ist- von der Sollbeschaffenheit negativ abweicht.
Dass Käufer und Verkäufer die Erfüllung einer bestimmten Abgasnorm vereinbart haben, dürfte in den wenigsten Fällen vorkommen (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Die Fahrzeuge mit der sogenannten „Schummelsoftware“ eignen sich zudem für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB). Sie lassen sich ganz normal, ohne Einschränkungen im Straßenverkehr bewegen.
Die Gerichte gehen aber weit überwiegend davon aus, dass ein Mangel gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB vorliegt (hierzu ausführlich LG Hagen, Urteil vom 18. Oktober 2016, Az. 3 O 66/16). Danach ist eine Sache frei von Mängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der Ausstoß von Emissionen und die damit verbundene Einstufung in eine Abgasnorm zählen zur Beschaffenheit eines Fahrzeugs (LG Krefeld, Urteil vom 14. September 2016, Az. 2 O 83/16). Die Mangelhaftigkeit liegt darin, dass die betroffenen Fahrzeuge die Abgasnorm nur auf dem Prüfstand und nur mit Hilfe der Schummelsoftware einhalten. Das LG Münster stellte hierzu in einem Urteil vom 14. März 2016 (Az. 11 O 341/15) fest:

Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeuges kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird.

Die Tatsache, dass die Emissionswerte im Straßenverkehr regelmäßig über denen auf dem Prüfstand liegen, steht dem nicht entgegen, denn „die Abweichungen beruhen im Falle der Umschaltlogik der Software gerade nicht auf den dem Kunden bekannten Unterschieden zwischen synthetischem Prüfstandsbetrieb und realem Alltagsbetrieb“ (LG Hagen, Urteil vom 18. Oktober 2016, Az. 3 O 66/16). Sollten tatsächlich punktuelle Fahrverbote für entsprechende Dieselfahrzeuge, etwa wie diskutiert in einigen Innenstädten, erlassen werden, könnte allein dieser Umstand zur Mangelhaftigkeit des PKW führen – dann wohl schon als Mangel mit Blick auf die vertraglich vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB).
III. Erfolgloser Fristablauf
Grundsätzlich muss der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Leistung bzw. Nacherfüllung setzen (§ 323 Abs. 1 BGB). In Betracht kommt jedoch eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB, wegen Vorliegens besonderer Umstände, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Verschweigt der Verkäufer einen Mangel der gekauften Sache arglistig, so ist er nicht schutzwürdig und eine Fristsetzung für den Käufer entbehrlich. Dass die Hersteller die Software vorsätzlich und nicht nur aus Versehen eingebaut haben, dürfte außer Frage stehen. Unklar ist jedoch, wer etwas davon wusste, insbesondere bei den Automobilhändlern. Denn diese sind meist die Vertragspartner der Käufer und diesen müsste das Wissen der Hersteller zugerechnet werden. Die Frage der Wissenszurechnung wird von den Gerichten bislang unterschiedlich beurteilt (Zurechnung ja: LG München I, Urteil vom 14. April 2016, Az. 23 O 23033/15; LG Hildesheim, Urteil vom 17. Januar 2017, Az. 3 O 139/16; Zurechnung nein: LG Krefeld, Urteil vom 14. September 2016, Az. 2 O 83/16; LG Frankenthal, Urteil vom 12. Mai 2016, Az. 8 O 208/15; LG Dortmund, Urteil vom 12. Mai 2016, Az. 25 O 6/16; LG Ellwangen, Urteil vom 19. Oktober 2016, Az. 3 O 55/16).
Manche Gerichte gehen auch von einer Unzumutbarkeit der Nacherfüllung gemäß § 440 Satz 1 Var. 3 BGB aus, welche eine Fristsetzung ebenso entbehrlich macht (hierzu ausführlich LG Krefeld, Urteil vom 14. September 2016, Az. 2 O 83/16). Hier spielen Dinge eine Rolle, wie beispielsweise der Vertrauensbruch zwischen Käufer und Automobilhersteller und die Frage, wie sich eine etwaige Nachbesserung auf Spritverbrauch, Abgasemission, Fahrverhalten, Haltbarkeit und Wert des Fahrzeugs auswirkt. All diese Fragen sind weder gerichtlich noch wissenschaftlich endgültig geklärt, sodass hier mit entsprechender Begründung wohl noch alles vertreten werden kann. Es kommt in der Klausur auf den Einzelfall an.
IV. Kein Ausschluss
Der Rücktritt dürfte nicht ausgeschlossen sein. Im Kontext der Schummelsoftware kommt hier § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB besondere Bedeutung zu. Demnach kann der Käufer bei einer Schlechtleistung des Verkäufers nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. Dies ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit ist der Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. Bei Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist auch jeder noch so kleine Mangel erheblich. Der Bundesgerichtshof unterscheidet regelmäßig zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln (BGH, Urteil vom 29. Juni 2011, Az. VIII ZR 202/10).
Bei behebbaren Mängeln kommt es für die Erheblichkeit auf das Verhältnis zwischen den Kosten der Mängelbeseitigung und dem Kaufpreis an. Liegen die Kosten der Mängelbeseitigung unter fünf Prozent des Kaufpreises, so ist der Mangel geringfügig und damit unerheblich.
Ist der Mangel nicht behebbar, kommt es für die Frage der Erheblichkeit im Wesentlichen auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung an.
Die Gerichte gehen größtenteils davon aus, dass der Mangel behebbar ist. Zu lesen ist von einem Aufwand von ca. einer Stunde und Kosten in Höhe von ca. 100 Euro. Dies dürfte in allen Fällen unter fünf Prozent des Kaufpreises eines Neuwagens liegen, sodass gemessen an der „fünf Prozent Hürde“ des Bundesgerichtshofs der Mangel unerheblich und der Rücktritt ausgeschlossen ist (so im Ergebnis LG Münster, Urteil vom 14. März 2016, Az. 11 O 341/15; LG Bochum, Urteil vom 16. März 2016, Az. I-2 O 425/15; LG Dortmund, Urteil vom 12. Mai 2016, Az. 25 O 6/16). Die fünf Prozent Marke stellt jedoch keine starre Grenze dar, sondern dient lediglich als eine „in eine Interessenabwägung und eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls eingebettete Erheblichkeitsschwelle“, durch welche „die Interessen der Kaufvertragsparteien zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht“ werden sollen (BGH, Urteil vom 28. Mai 2014, Az. VIII ZR 94/13). Das heißt, dass auch bei Geringfügigkeit des Mangels im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu erörtern ist, ob die Pflichtverletzung unerheblich ist.
Im Rahmen dieser Interessenabwägung lassen sich unter anderem wieder die o.g. Argumente zur Unzumutbarkeit der Nacherfüllung aufführen. Hier sind insbesondere die momentan noch unklaren Folgen einer Mangelbeseitigung zu berücksichtigen. Niemand weiß oder kann voraus sagen, welche Auswirkungen eine Mangelbeseitigung auf die betroffenen Fahrzeuge hat. Steigender Spritverbrauch, verändertes Fahrverhalten, sinkende Haltbarkeit und ein merkantiler Minderwert könnten die Folge sein. Auch der Vertrauensverlust bezüglich der Automobilhersteller findet immer wieder Erwähnung in der Rechtsprechung (Erheblichkeit bejahend LG Krefeld, Urteil vom 14. September 2016, Az. 2 O 83/16; LG Hagen, Urteil vom 18. Oktober 2016, Az. 3 O 66/16; LG München I, Urteil vom 14. April 2016, Az. 23 O 23033/15; LG Dortmund, Urteil vom 29. September 2016, Az. 25 O 49/16).
V. Fazit
Der Dieselskandal weitet sich aus und wird Politik, Justiz, Wirtschaft und viele Autofahrer wohl noch lange in Atem halten. Die Problematiken des Dieselskandals lassen sich mühelos in Klausuren wie auch in mündliche Prüfungen einbauen, sodass diesbezüglich eine Wiederholung und Vertiefung der ohnehin examensrelevanten Themen Rücktritt, Anfechtung und Wissenszurechnung empfohlen wird.

14.08.2017/1 Kommentar/von Redaktion
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-08-14 10:25:532017-08-14 10:25:53Der Dieselskandal in der Klausur: Möglichkeiten des Rücktritts vom Kaufvertrag
Dr. David Saive

BGH: Vorführeffekt im Kaufrecht

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Jeder von uns kennt ihn, den sog. Vorführeffekt. Den ganzen Tag wird man von einem technischen Defekt des neuen Gerätes geplagt, der natürlich genau dann nicht auftreten will, wenn man ihn beim Verkäufer reklamiert.
Wie in solchen Fällen zu verfahren ist, hat der VIII. Zivilsenat des BGH heute in seinem Urteil vom 26.10.2016 entschieden (Az. VIII ZR 240/15).
 
I. Der Sachverhalt
Der Kläger kaufte von der Beklagten einen gebrauchten PKW zum Preis von 12.300 €. Kurz nach der Übergabe bemängelte der Kläger, dass das Kupplungspedal nach Betätigung nicht mehr in seine ursprüngliche Position zurückkehrte, sondern am Fahrzeugboden hängenblieb.
Daraufhin vereinbarte er mit der Beklagten eine Probefahrt, bei der das schadhafte Pedal vorgeführt werden sollte. Allerdings zeigte sich auch nach mehrmaliger Betätigung der Defekt nicht erneut, woraufhin die Beklagte die umgehende Reparatur des Pedals verweigerte. Sie würde vielmehr erst dann tätig werden, wenn sich der Defekt ein weiteres Mal zeigen würde.
Nachdem der Kläger nach erneutem „Hängenbleiben“ des Pedals einige Tage später die Beklagte zur Reparatur aufforderte, verweigerte die Beklagte dies weiterhin. Daraufhin trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück und verlangte Schadensersatz.
Vor Gericht bekam der Kläger auch in zweiter Instanz Recht, woraufhin die Beklagte Revision einlegte.
 
II. Das Urteil
Rufen wir uns an dieser Stelle noch einmal die Voraussetzungen eines wirksamen Rücktritts i.S.d. §§ 437 Nr. 2 1 Alt., 323 BGB in Erinnerung:
 

  1. Wirksamer Kaufvertrag
  2. Mangel i.S.d. § 434 BGB
  3. Erfolgloser Fristablauf oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung
  4. Kein Ausschluss

 
Ein wirksamer Kaufvertrag lag zwischen den Beteiligten vor. Auch stellt der Defekt am Kupplungspedal einen Mangel i.S.d. § 434 BGB dar:

Bei dem durch Sachverständigengutachten bestätigten und bereits bei Gefahrübergang vorhandenen sporadischen Hängenbleiben des Kupplungspedals handelte es sich nicht um einen bloßen „Komfortmangel“, sondern um einen sicherheitsrelevanten Mangel. Denn eine solche Fehlfunktion kann, selbst wenn sie nur das Kupplungspedal selbst betrifft, unter anderem wegen des beim Fahrer hervorgerufenen Aufmerksamkeitsverlusts die Unfallgefahr signifikant erhöhen.

 
Fraglich war jedoch, ob der Kläger der Beklagten erfolglos eine Nacherfüllungsfrist i.S.d. § 323 I BGB setzen musste, oder ob diese gem. § 440 BGB entbehrlich war. Hierzu hat der VIII. Senat folgendes entschieden:

Der Kläger konnte ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten, da es ihm nicht gem. § 440 S.1 BGB zumutbar war, ein weiteres Auftreten des Defekts abzuwarten.
Mit ihrer Erklärung anlässlich der Vorführung des Fahrzeugs, es bestünde kein Grund für die Annahme einer Mangelhaftigkeit und damit ein Tätigwerden, solange der behauptete Mangel nicht (erneut) auftrete und der Kläger damit nochmals vorstellig werde, ist die Beklagte dem Nacherfüllungsverlangen nicht gerecht geworden.
Denn eine verantwortungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs war ohne Abklärung des Mangels weitgehend aufgehoben, da der verkehrsunsichere Zustand fortbestand und es dem Kläger – der das Fahrzeug insofern auch tatsächlich noch im Juli 2013 stilllegt.

 
Im Übrigen ist das Rücktrittsrecht auch nicht ausgeschlossen:

Ein Rücktritt war im vorliegenden Fall auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) ausgeschlossen, auch wenn dieser letzten Endes (nachdem der Kläger den Rücktritt bereits erklärt hatte) mit geringen Kosten (433,49 €) beseitigt werden konnte. Denn solange die Ursache eines aufgetretenen Mangelsymptoms unklar ist, kann die Erheblichkeit des Mangels regelmäßig nur an der hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung gemessen werden, die vorliegend aufgrund der Gefahren für Verkehrssicherheit des Fahrzeugs jedenfalls als erheblich anzusehen war.

 
III. Ausblick
In kürzester Zeit hat sich der BGH erneut mit grundlegenden Fragen der Mängelgewährleistung im Kaufrecht befasst (siehe unser Beitrag hier). Es lohnt sich also, hier nachzuarbeiten. Schließlich steigt die Prüfungsrelevanz mit jedem Urteil weiter an.

26.10.2016/0 Kommentare/von Dr. David Saive
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. David Saive https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. David Saive2016-10-26 16:16:062016-10-26 16:16:06BGH: Vorführeffekt im Kaufrecht
Dr. Maximilian Schmidt

OLG Hamm: Wahlrecht des Käufers nach Kauf mangelhaften Neufahrzeugs

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Das OLG Hamm hat mit Urteil v. 21.07.2016 – 28 U 175/15 einen examens- und praxisrelevanten Fall zu Gewährleistungsrechten beim Kauf eines mangelhaften Neufahrzeugs entschieden. Im Folgenden sollen die für das Examen wichtigsten Aussagen des Gerichts thesenartig zusammengefasst werden – diese können auch als Wiederholung für einige Problemkreise des Kaufrechts dienen.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen, gekürzt)

Die Klägerin erwarb im Juni 2013 von der Beklagten einen fabrikneuen KIA Ceed zum Kaufpreis von ca. 16.300 Euro. Im Dezember 2013 erhielt die Klägerin Kenntnis von einem Transportschaden am Auspuffrohr und Tank des Fahrzeugs, der bereits bei der Fahrzeugübergabe vorhanden und nicht fachgerecht behoben worden war. Die Beklagte bot der Klägerin eine kostenfreie Schadensbeseitigung an, auf die sich die Klägerin nicht einließ, weil die Beklagte eine zusätzliche Minderung des Kaufpreises ablehnte. Daraufhin verlangte die Klägerin unter Fristsetzung die Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem die Beklagte hierzu nicht bereit war. Mit ihrer Klage hat die Klägerin – unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils – die Rückzahlung des Kaufpreises und die Erstattung der Zulassungskosten in Höhe von zusammen ca. 15.000 Euro gegen die Rückgabe des Fahrzeugs verlangt. Das Landgericht hat den Rücktritt als unverhältnismäßig angesehen und die Klage abgewiesen.

II. Die Entscheidung des Gerichts

  • Der Klägerin stand aufgrund des mangelhaften Fahrzeuges ein Anspruch auf Nacherfüllung nach § 439 BGB zu.  Insoweit hat der Käufer grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen Nachlieferung und Nachbesserung, das in keinem Rangverhältnis steht.
  • Beim Kauf eines PKW muss zwischen Neu- und Gebrauchtwagen unterschieden werden: Während es sich bei ersterem um eine Gattungsschuld handelt, bei der eine Nachlieferung grundsätzlich möglich ist, muss bei Gebrauchtwagen geprüft werden, ob die Nachlieferung des speziellen Typs überhaupt möglich ist, § 275 BGB (gelaufene Kilometer, Alter, Anzahl der bisherigen Halter, Ausstattung etc.).
  • In jedem Fall muss der Verkäufer nach § 275 Abs. 1 BGB geltend machen sowie darlegen und beweisen, ein entsprechendes mangelfreies Fahrzeug nicht liefern zu können.
  • Das Nachlieferungsverlangen des Käufers war nicht wegen einer vorrangigen Nachbesserung ausgeschlossen. Eine Nachbesserung hat die Klägerin nicht verlangt, dieses wurde lediglich von der Beklagten angeboten, ohne dass sich die Parteien über ihre Modalitäten verständigt hätten.
  • Den Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung (§ 439 Abs. 3  BGB) konnte die Beklagte nicht mehr mit Erfolg erheben: Dieser muss vom Verkäufer geltend gemacht werden, solange noch ein Nacherfüllungsanspruch besteht. Dieser erlösche u.a. dann, wenn der Käufer zu Recht vom Vertrag zurücktrete. Eine erstmalige Geltendmachung im Prozess – so wie im vorliegenden Fall – ist hingegen verspätet.
  • Die Pflichtverletzung war auch nicht unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Wichtig: Die Unerheblichkeit ist zwar im Rahmen des Rücktritts relevant, nicht aber hinsichtlich des Nacherfüllungsanspruchs als solchem!
  • Unerheblich ist nur ein geringfügiger Mangel, der mit einem Kostenaufwand von bis zu 5 % des Kaufpreises zu beseitigen sei. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten waren hier aber Mangelbeseitigungskosten i.H.v. ca. 12 % des Kaufpreises zu veranschlagen gewesen, so dass keine Unerheblichkeit gegeben war.

19.08.2016/1 Kommentar/von Dr. Maximilian Schmidt
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2016-08-19 10:00:062016-08-19 10:00:06OLG Hamm: Wahlrecht des Käufers nach Kauf mangelhaften Neufahrzeugs
Tom Stiebert

BGH: Neues zur Verjährung von Mängelansprüchen

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In beiden Examina ist die fehlende Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aufgrund einer eingetretenen Verjährung ein Problem mit hoher Relevanz. Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Komplex sollte daher stets auf dem Radar von Examenskandidaten sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Gerichte punktuell von ihrer bisherigen Rechtsprechung abgrenzen.
So verhält es sich in einem aktuellen Urteil des BGH v. 2.6.2016 (VII ZR 348/13). Schwerpunktmäßig behandelte der Fall rechtliche Probleme aus dem Mängelgewährleistungsrecht bei Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Wohnhauses.
I. Sachverhalt
Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
Die Klägerin beauftragte im März 2004 die Beklagte mit der Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach eine von ihr betriebenen Tennishalle. Die Photovoltaikanlage besteht unter anderem aus 335 gerahmten Modulen. Jedes Modul ist 1.237 mm lang, 1.082 mm breit, 38 mm hoch und hat ein Gewicht von 18 kg. Um die Module auf dem Dach anzubringen, errichtete die Beklagte eine Unterkonstruktion, die mit dem Dach fest verbunden wurde. Unterkonstruktion und Module waren so anzubringen, dass die Statik des Dachs durch das Eigengewicht der Anlage nicht beeinträchtigt wird und die Anlage sturmsicher ist. Zudem mussten die Montageelemente dauerhaft regendicht in die bestehende Dachdeckung eingefügt sein. Die Beklagte verkabelte die Module mit insgesamt ca. 500 m Kabeln. Hierfür legte die Beklagte Kabelkanäle in das Innere der Halle. Die dafür notwendige Durchdringung des Dachs bzw. der Gebäudeaußenhaut musste dauerhaft witterungsbeständig und dicht sein. Zur Verlegung von Stromleitungen waren Grabungsarbeiten in erheblichem Umfang notwendig. Ebenfalls im Innern der Halle errichtete die Beklagte eine Kontroll- und Steuerungsanlage, die sie mit den Wechselrichtern und den Modulen verkabelte und programmierte. Die Anlage wurde im Oktober 2004 abgenommen und in Betrieb genommen.
Die Klägerin rügte am 4.4.2005 eine zu geringe Leistung der Anlage. Diese weicht von der vereinbarten Leistung ab. Der Beklagte wies daraufhin, dass man die Entwicklung innerhalb der nächsten zwei Jahre beobachten müsse. Im Oktober 2007 – nachdem die Leistung weiterhin zu gering war – wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte bzgl. einer Mängelrüge und forderte Nachbesserung. Im Juli 2011 erhob der Kläger – nach vorheriger Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens – Klage zum LG mit dem Antrag die Beklagte zur Zahlung eines Betrags der dem Minderwert der Anlage entspricht, zu verurteilen.
 
II. Lösung des BGH
Der BGH billigte im Ergebnis einen Minderungs- und Rückzahlungsanspruch aus §§ 634 Nr. 3, 638 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 BGB zu.
Hier stellten sich aber einige Schwierigkeiten, die auch in einer Klausur abgeprüft werden können.
1. Zu klären ist dabei zunächst, welchen Rechtscharakter die Errichtung der Photovoltaikanlage hat. Abzugrenzen sind hier Kauf-, Werklieferungs- und Werkvertrag. Jedenfalls in der konkreten Konstellation handelt es sich um einen Werkvertrag.

Die Beklagte sollte nicht nur einzelne Teile liefern, sondern diese zu einer individuell dimensionierten Anlage zusammenfügen und funktionsfähig auf und in der Tennishalle der Klägerin einbauen. Ähnlich den Leistungen bei der Elektro- oder Sanitärinstallation steht nicht die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz im Vordergrund, sondern die Fachkunde erfordernde Beratung und Montage (vgl. BGH BauR 2004, 995 zur Abgrenzung zwischen Kaufvertrag und Werkvertrag; zur Anwendung von Werkvertragsrecht bei Windkraftanlagen OLG München BauR 2012, 1256).
(OLG München, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 9 U 543/12 Bau –, Rn. 20, juris)

Beratung und Planung stehen hier im Vordergrund; der Wert der zu liefernden einzelnen Gegenstände – im Vergleich zum Wert des Gesamtwerks – ist dabei unerheblich. Denn ohne die vorherige Beratung und Planung (Größe und Geeignetheit des Dachs der Tennishalle, Produktauswahl etc.), ohne die fachkundige Montage und ohne die fachkundige Inbetriebnahme hätten die gelieferten Waren keinen funktionierenden Nutzen für die Klägerin.
Hinweis: Eine vertiefte Auseindersetzung mit dem Rechtscharakter ist nur dort notwendig, wo dies wie hier praktisch relevante Unterschiede mit sich bringt. Eine bloße Wiedergabe von Irrelevantem ist in Studium und Praxis nicht zielführend.
2. Ferner muss ein Mangel iSd § 633 BGB vorliegen. Hier wäre zu prüfen, in wie fern die konkrete Leistung tatsächlich vertraglich vereinbart wurde. In der Klausur können hier eine Vielzahl von Problemen liegen. Im konkreten Fall war dies unproblematisch.
3. Folge des Mangels ist damit gemäß §§ 634 Nr. 3, 638 BGB ein Minderungsrecht. Hierzu bedarf es einer vorherigen Fristsetzung. Eine solche ist hier 2007 erfolgt und fristlos verstrichen.
4. Eine Anspruch auf Minderung und Rückzahlung des zu viel Gezahlten ist damit gemäß § 638 Abs. 4 S. 1 BGB gegeben.
5. Fraglich ist aber, ob der Anspruch überhaupt noch durchgesetzt werden kann. Dies wäre nicht der Fall, wenn er verjährt wäre. Das BGB enthält für Werkverträge – spätestens hier wird also der Charakter des Vertrags relevant – in § 634a BGB besondere Vorschriften. Für das Minderungsrecht, das nicht explizit hiervon erfasst ist, finden die Vorschriften vermittelt über § 218 BGB und § 634 Abs.5 BGB Anwendung.  Die Verjährungsfrist betrüge damit 5 Jahre, wenn es sich bei der Photovoltaikanlage um ein Bauwerk nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt.
a) Maßstab der Verjährung – Bauwerk?
Fraglich ist aber, ob diese Regelung hier Anwendung finden kann. Der BGH bejaht hier, dass es sich bei der Anlage um ein Bauwerk handelt.

Bauwerk ist eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache; unbeweglich ist die Sache, wenn sie, und sei es auch nur wegen Größe und Gewicht, nur mit größerem Aufwand vom Grundstück getrennt werden kann (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014, § 634 a Rdnr. 10).

Vorliegend besteht die den Leistungsgegenstand bildende Anlage nicht nur aus den fabrikmäßig hergestellten Solarmodulen. Vielmehr gehören unstreitig weitere Elemente zur Anlage: [das Gericht wiederholt hier nochmals die Darlegungen des Tatbestandes]
Ausgehend von diesen Gegebenheiten der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage ist die Bauwerksqualität anzunehmen. Denn die Anlage kann nicht ohne größere Schwierigkeiten wieder demontiert werden. Die Dimensionierung der Einzelteile war individuell auf die vorliegende Anlage zugeschnitten, die verbaute Verkabelung im Haus und außerhalb des Hauses auf dem Dach und im Erdboden ist nur schwierig zu demontieren und kann nicht mehr anderweitig verwendet werden. Die großflächige Montage der 335 Solarmodule auf dem Dach war für die Statik des Daches von Belang (Eigengewicht und Winddruck, keine Schwächung tragender Teile des Dachs) und musste – um Gebäudeschäden und Personenschäden zu vermeiden – beispielsweise sturmsicher sein. Die Montageelemente mussten dauerhaft regendicht in die bestehende Dachdeckung eingefügt sein. Ebenso musste die Durchdringung des Dachs bzw. der Gebäudeaußenhaut durch die ins Innere führende Verkabelung dauerhaft witterungsbeständig und dicht sein. Darüber hinaus wird das Gebäude als Technikraum für die Anlage verwendet, weil dort die Wechselrichter sowie die Steuerungs- und Kontrollanlage mit EDV eingebaut sind. Im Brandfalle ist es löschtechnisch ein erheblicher Unterschied, ob die Dacheindeckung von außen zugänglich ist, oder ob diese durch fest montierte Solarmodule verdeckt ist.

Die feste Verbindung der Anlage mit einem Bauwerk, die Innenraumnutzung wesentlicher Teile der Anlage und die bauliche Bedeutung der Anlage für den Gebäudebestand und seine Nutzung als Tennishalle machen die Anlage selbst zu einem Bauwerk.

Die Vorinstanz OLG München scheint daher die Photovoltaikanlage selbst als Bauwerk ansehen zu wollen.
Aus der Pressemitteilung des BGH lässt sich erahnen, dass sich lediglich das Gesamtgebäude durch die Photovoltaikanlage zu einem neuen Bauwerk wandelt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gelte die lange Verjährungsfrist „bei Bauwerken“, wenn das Werk in der Errichtung oder grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes besteht, das Werk in das Gebäude fest eingefügt wird und dem Zweck des Gebäudes dient. Diese Voraussetzungen lägen vor. Die Photovoltaikanlage sei durch die Vielzahl der verbauten Komponenten so mit der Tennishalle verbunden, dass eine Trennung von dem Gebäude nur mit einem erheblichen Aufwand möglich sei. Darin liege zugleich eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle, die einer Neuerrichtung gleich zu achten sei. Schließlich diene die Photovoltaikanlage dem weiteren Zweck der Tennishalle, Trägerobjekt einer solchen Anlage zu sein.

Am Ergebnis ändert dies nichts, ist aber eine entscheidende Nuancierung.
Zwingend ist dies nicht. So entschied der BGH noch 2013 (VIII ZR 318/12) im Fall einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Scheune:

Die auf dem Scheunendach errichtete Photovoltaikanlage, zu deren Erstellung die Module dienten, ist mangels Verbindung mit dem Erdboden selbst kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes. Bauwerk ist allein die Scheune, auf deren Dach die Solaranlage montiert wurde. Für die Scheune sind die Solarmodule jedoch nicht verwendet worden. Sie waren weder Gegenstand von Erneuerungs- oder Umbauarbeiten an der Scheune, noch sind sie für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von (wesentlicher) Bedeutung. Vielmehr dient die Solaranlage eigenen Zwecken, denn sie soll Strom erzeugen und dem Landwirt S.   dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle (Einspeisevergütung) verschaffen; um diesen Zweck zu erfüllen, hätte die Anlage auch auf jedem anderen Gebäude angebracht werden können. Die Photovoltaikanlage hat mithin keine Funktion für das Gebäude (Scheune) selbst, sondern sie ist, weil es dem Bauherrn zweckdienlich erschien, lediglich ebendort angebracht worden. Allein dies führt nicht dazu, dass die für die Montage von der Klägerin gelieferten Einzelteile „für ein Bauwerk“ verwendet worden wären (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – VII ZR 287/95, NJW-RR 1998, 89 unter II 2 b). Aus dem Umstand, dass der Einbau der Solarmodule weder für die Konstruktion, den Bestand, die Erhaltung oder die Benutzbarkeit der Scheune von (wesentlicher) Bedeutung ist, folgt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung überdies, dass die Mangelhaftigkeit der Solarmodule nicht auch die Mangelhaftigkeit der Scheune verursacht hat.

Entscheidend für die Differenzierung scheint zu sein, wie stark die Anlage das Gepräge und den Charakter des Gebäudes ändert und ob sie schlussendlich einen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes darstellt. Je stärker die Veränderung des Gebäudes, desto eher handelt es sich bei der Photovoltaikanlage jedenfalls verbunden mit dem Gebäude um ein Bauwerk. Dies erkennt auch das OLG München:

Das Urteil des BGH vom 09.10.2013 (Az. VIII ZR 318/12, zitiert nach der Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 168/2013) steht dem nicht entgegen. Zwar hat der BGH dort nicht die Bauwerkseigenschaft angenommen. Verfahrensgegenständlich war jedoch lediglich die Lieferung mangelhafter Teile einer Photovoltaikanlage; diese wurden auf dem Dach einer Scheune montiert und waren nach den Feststellungen des BGH nicht „für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von Bedeutung.“ Die Anwendung der zuletzt genannten Kriterien auf den hier zu entscheidenden Fall führt – wie dargelegt – zur Annahme der Bauwerkseigenschaft.

b) Verjährung im konkreten Fall
Die Verjährungsfrist beträgt damit so der BGH fünf Jahre. Verjährungsbeginn ist nach § 634a Abs. 2 BGB der Zeitpunkt der Abnahme (§ 640 BGB). Verjährungsbeginn wäre daher der Oktober 2004. Allerdings trat zwischen dem Schreiben vom 04.04.2005 und der anschließenden einvernehmlichen Beobachtungsphase eine Verjährungshemmung bis Dezember 2007 (oder jedenfalls bis April 2007) ein. Hierin ist eine Verhandlung iSd § 203 BGB zu erkennen, die die Verjährung hemmt. Dass es während dieses Zeitraums keine konkreten Gespräche und Verhandlungen gab, ist insofern unerheblich; es gebietet sich eine weite Auslegung.
Die Erhebung der vorliegenden Klage im Juli 2011 hemmte die bis dahin noch nicht abgelaufene fünfjährige Verjährungsfrist erneut nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB und hemmt sie bis heute. Aus diesem Grund ist eine Verjährung noch nicht eingetreten.
Die Wirkung der Hemmung ergibt sich aus § 209 BGB. Zeiträume der Hemmung sind daher für die Verjährungsfrist unerheblich. Damit zählen im Rahmen der Verjährung lediglich die Zeiträume von Oktober 2004 bis April 2005 (ca. 6 Monate) und April 2007 bis Juli 2011 (ca 52 Monate). Ob die Hemmung aufgrund der Verhandlungen daher im April oder Dezember 2007 endete ist mithin unerheblich, weil jedenfalls eine Verjährung noch nicht eingetreten ist.
Der Anspruch bleibt durchsetzbar.
III. Stellungnahme
Die Lösung des BGH sollte jedenfalls in Grundzügen bekannt sein. Man muss hier kein Prophet sein, ob eine immens hohe Klausurrelevanz zu attestieren.
Inhaltlich überzeugt die Lösung des BGH nur bedingt. Insbesondere die dogmatische Verortung, wobei es sich denn nun um ein Bauwerk handelt, scheint vage zu bleiben. In der Klausur ist daher – auch im Vergleich zu vorherigen Rechtsprechung des BGH ein abweichendes Ergebnis sehr gut vertretbar. Lediglich der Problemkreis sollte beherrscht und die Unterschiede der Judikate erkannt werden.

06.06.2016/11 Kommentare/von Tom Stiebert
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-06-06 09:00:042016-06-06 09:00:04BGH: Neues zur Verjährung von Mängelansprüchen
Florian Wieg

Keine Mietminderung wegen Diebstahls einer im Keller der Mietwohnung eingelagerten Einbauküche des Vermieters

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Der BGH hat am 13. April 2016 – VIII ZR 198/15 einen examensrelevanten Fall zur Mietminderung entschieden. Der Sachverhalt ist wie geschaffen für Prüfungsvortrag und -gespräch, lässt sich aber auch sehr gut in eine Klausur einbinden.
 
 I. Sachverhalt 
M und V schließen am 26. März 2004 einen Mietvertrag über eine Berliner Wohnung. Sie vereinbaren einen Mietzins/Monat i.H.v. 573 Euro, wovon – wie sich aus einer wirksamen Nebenvereinbarung zum Mietvertrag ergibt – ein Teilbetrag i.H.v. 17 Euro auf die bauseits vorhandene Einbauküche entfällt. Im Jahr 2010 erklärt M gegenüber V, die fragliche Einbauküche durch eine eigene Kücheneinrichtung ersetzen zu wollen. V macht seine Zustimmung vom Versprechen der M abhängig, die bisherige Einbauküche sachgerecht zu lagern und bei Beendigung des Mietverhältnisses auf Verlangen den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Nachdem M die eigene Kücheneinrichtung eingebaut hat, zahlt sie den Mietzins in voller Höhe unverändert fort. Am 9.2.2014 wird die – absprachegetreu im Kellerraum gelagerte – Einbauküche gestohlen. Die Versicherung der M zahlt V daraufhin eine Entschädigungssumme i.H.v. 2790,- Euro. Ersatz für die gestohlene Einbauküche beschafft V nicht.
M meint, sie schulde künftig nur noch einen um 17 Euro geminderten Mietzins. V beharrt dagegen auf der monatlichen Zahlung von 573 Euro. Zu Recht?
 
II. Lösung
Nach § 535 Abs. 2 BGB kann V von M den vereinbarten Mietzins i.H.v. 573 Euro/Monat beanspruchen, es sei denn M ist gem. § 536 Abs. 1 BGB von der Entrichtung der Miete ganz oder teilweise befreit. Für eine solche Mietminderung müsste die Mietsache zunächst einen Mangel haben, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB) oder nicht unerheblich mindert (§§ 536 Abs. 1 S. 2, 3 BGB). § 536 Abs. 1 BGB geht von einem subjektiven Fehlerbegriff aus: ob die Mietsache mangelhaft ist, bemisst sich in erster Linie danach, welchen Gebrauch die Vertragsparteien als vertragsgemäß verabredet haben, §§ 133, 157 BGB. Ergänzend kann die Verkehrssitte in Verbindung mit der Art und Lage der Mietsache herangezogen werden (zum Ganzen Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rn. 5).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs bejahten die Richter der 63. Zivilkammer des Berliner Landgerichts am 4. August 2015 – 63 S 378/14, dass die von M gemietete Wohnung wegen der gestohlenen Einbauküche sachmangelbehaftet sei.

„Ein Sachmangel ist gegeben. Ein solcher liegt vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht. Der vertragsgemäße Zustand besteht vorliegend durch die Zusatzvereinbarung in der Überlassung der Einbauküche durch die [V]. […] Der Ist-Zustand weicht von diesem Soll-Zustand ab. Die von der [V] gestellte Einbauküche ist nicht mehr vorhanden. […] Der Ist-Zustand ist nicht unter Berücksichtigung der derzeit in der Wohnung vorhandenen eigenen Küche der [M] zu beurteilen, denn er umfasst nur die vom Vermieter zur Verfügung gestellte oder ihm zurechenbare Ausstattung.“

Auch die Vereinbarung von M und V über den Ausbau der bauseits vorhandenen Einbauküche und den Einbau einer eigenen Küchenausstattung stehe dem Mangelbefund nicht entgegen.
1. Kein Mietmangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB
Zur gegenteiligen Bewertung gelangte nun der BGH, wie die Pressemitteilung zu o.g. Entscheidung verrät:

„Der Verlust der im Keller eingelagerten Einbauküche führt nicht zur Minderung der Miete. Denn mit der im Jahr 2010 getroffenen Abrede […] haben die Parteien den Mietvertrag unter Beibehaltung der vereinbarten Gesamtmiete dahingehend abgeändert, dass sich die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters jedenfalls solange nicht auf eine Einbauküche erstreckte, als die [M] die Wohnung selbst mit einer Küche ausgestattet hatte.

Ist V nach dem Mietvertrag (aktuell) nicht verpflichtet, den Gebrauch einer Einbauküche zu gewähren (§§ 133, 157), kann die fehlende Gebrauchsmöglichkeit nach dem subjektiven Fehlerbegriff des § 536 Abs. 1 BGB (aktuell) keinen Mietmangel begründen. Anders gesagt:

„Durch das Abhandenkommen der im Keller eingelagerten und von der [M] derzeit nicht benötigten Kücheneinrichtung ist also keine nachteilige Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit eingetreten, so dass ein […] Mangel der Mietsache nicht vorliegt.“

Für die Vertragsauslegung des BGH spricht insbesondere, dass V (!) sich in der Vereinbarung von 2010 vorbehält, von M nach Beendigung des Mietverhältnisses den Wiedereinbau der bauseits vorhandenen Küche zu verlangen. Die Einlagerung derselben erfolgt mithin vornehmlich im Interesse der V, was die Suspendierung der Gebrauchsgewährleistungspflicht nahe legt. Eine Mietminderung gem. § 536 Abs. 1 BGB scheidet hiernach aus, weil die von M angemietete Wohnung der V keinen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht unerheblich mindert. V kann von M Zahlung des ungeminderten Mietzinses i.H.v. 573 Euro/Monat gem. § 535 Abs. 2 BGB verlangen.
2. Kein treuwidriges Verhalten der V
Dem Zahlungsbegehren der V kann die M auch nicht den Einwand treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB), also eine unzulässige Rechtsausübung (vgl. BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 925 ff.) entgegenhalten:

„Die [V] verhält sich auch nicht treuwidrig […], indem sie einerseits die von der Versicherung der [M] gezahlte Versicherungssumme in Höhe von 2.790 € für die Küche behält, ohne derzeit eine neue Küche anzuschaffen, und gleichwohl auf der Zahlung der für die Küchennutzung vereinbarten Miete besteht. Denn der geleistete Entschädigungsbetrag war allein als geldwerter Ausgleich für den der [V] als Eigentümerin und Vermieterin der im Keller aufbewahrten Küchenteile entstandenen Schaden bestimmt. Diese Ersatzleistung, die wirtschaftlich an die Stelle der im Keller gelagerten Kücheneinrichtung getreten ist, hat keinen Einfluss auf die Frage, ob die [M] für die abhanden gekommene Kücheneinrichtung Miete zu zahlen hat. Die Mietzahlungspflicht beurteilt sich ausschließlich nach den von den Parteien getroffenen Absprachen, also nach der Genehmigungs-vereinbarung vo[n] […] 2010. Danach blieb die Höhe der Miete unberührt von dem Umstand, dass die [M] während der Nutzungszeit der neu eingebauten Küche kein in dieser Vereinbarung anerkanntes Interesse an einer Nutzung der im Keller gelagerten Kücheneinrichtung der [V] mehr hatte.“
 

III. Fazit
Ein spannender Fall, den jeder in der nächsten Prüfungsvorbereitung im Zivilrecht auf der Liste haben sollte!
 
 

23.04.2016/20 Kommentare/von Florian Wieg
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Florian Wieg https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Florian Wieg2016-04-23 10:00:082016-04-23 10:00:08Keine Mietminderung wegen Diebstahls einer im Keller der Mietwohnung eingelagerten Einbauküche des Vermieters
Redaktion

Das System der schuldrechtlichen Anspruchsgrundlagen im Kaufrecht

Rechtsgebiete, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Das System der schuldrechtlichen Anspruchsgrundlagen im Kaufrecht” von Dr. Matthias Fervers

behandelt überblicksartig und anhand zahlreicher Beispielsfälle verschiedene Anspruchskonstellationen im Kaufrecht – ideal zur Vertiefung und/oder Wiederholung dieses äußerst relevanten Komplexes.

Den Beitrag findet Ihr hier.

18.01.2016/0 Kommentare/von Redaktion
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2016-01-18 09:00:412016-01-18 09:00:41Das System der schuldrechtlichen Anspruchsgrundlagen im Kaufrecht
Dr. Maximilian Schmidt

BGH: Neues zur Schwarzarbeit – Kein Rückzahlungsanspruch bei mangelhafter Werkleistung

Bereicherungsrecht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Der BGH hat mit Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14  seine Rechtsprechung zu Rückzahlungsansprüchen bei mangelhafter Werkleistung aus Schwarzarbeit korrigiert – eine Entscheidung, die jedem Examenskandidaten bekannt sein sollte. Darüber hinaus empfehlen wir unseren Grundlagenbeitrag, freilich unter Berücksichtigung der neuen Entscheidungen des BGH zur Schwarzarbeit (BGH v. 01.08.2013 – VII ZR 6/13 und  vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13).
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)

Der Kläger beauftragte den Beklagten 2007 mit der Ausführung von Dachausbauarbeiten. Vereinbart wurde ein Werklohn von 10.000 Euro ohne Umsatzsteuer. Der Beklagte führte die Arbeiten aus und stellte eine Rechnung ohne Steuerausweis. Der Kläger zahlte den geforderten Betrag. Mit der Klage begehrt er jetzt Rückzahlung von 8.300 Euro wegen Mängeln der Werkleistung.

II. Lösung des BGH
Der BGH lehnte einen solchen Rückzahlungsanspruch ab. Zwar kann ein Besteller, der aufgrund eines nichtigen Vertrags Leistungen erbracht hat, von dem Unternehmer grundsätzlich die Herausgabe dieser Leistungen verlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 F. 1 BGB). Doch steht diesem Rückzahlungsanspruch § 817 S. 2 BGB entgegen:

Dies gelte jedoch gem. § 817 Satz 2 BGB nicht, wenn der Besteller mit seiner Leistung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe. Das sei hier der Fall. Entsprechend der Zielsetzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes, die Schwarzarbeit zu verhindern, verstoße nicht nur die vertragliche Vereinbarung der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistung, somit auch die Zahlung.

Damit verstößt der Besteller durch Zahlung des Werklohnes gegen das gesetzliche Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG. Der Anwendung des § 817 S. 2 BGB steht auch nicht – anders als nach bisheriger Rechtsprechung ((BGH, Urt. v. 31.05.1990 – VII ZR 336/89) –  das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen:

Die Durchsetzung der vom Gesetzgeber mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verfolgten Ziele, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfordere eine strikte Anwendung dieser Vorschrift.

III. Einordnung: Schwarzarbeiterfälle streng nach Gesetz lösen!
Der BGH verfolgt mit dieser Entscheidung konsequent seinen Rechtsprechungswandel, den man mit einfachen Worten zusammenfassen kann: Strikte Anwendung des Bereicherungsrechtes. Die bisherige Lösung des BGH über § 242 BGB zu einzelfallgerechten Ergebnissen zu kommen, war lange umstritten, da hiermit letztlich die eindeutigen Wertungen des Bereicherungsrechtes durch die Hintertür umgangen wurde (s. zur alten Rechtslage unseren Beitrag). Nunmehr findet auch hinsichtlich etwaiger Mängelansprüche des Bestellers oder Zahlungsansprüche des Werkunternehmers allein das Bereicherungsrecht Anwendung, es erfolgt keine Korrektur mehr über § 242 BGB. In der Klausur sollte diese Möglichkeit der Korrektur dennoch thematisiert werden, mit dem Argument der Bekämpfung von Schwarzarbeit im Ergebnis aber abgelehnt werden.
Das Risiko von Schwarzarbeit hat sich durch die Entscheidungen des BGH deutlich erhöht. Im Zweifel wird nicht mehr wie im Ergebnis bisher über das Bereicherungsrecht abgewickelt als ob ein wirksamer Vertrag vorläge – also unter Berücksichtung der Parteiinteressen. Vielmehr trägt jede Partei der Schwarzarbeitsabrede ihr spezifisches Risiko: Der Besteller für die Herstellung des Werkes bzw. Mängel, der Werkunternehmer für den Erhalt des Lohnes. Die Parteien müssen also fürchten bei Hingabe ihrer Leistung die Gegenleistung nicht zu erhalten. Hierdurch soll eine abschreckende Wirkung erzielt werden und so dem Zweck des SchwarArbG gedient werden: Steuer- und Sozialabgabenhinterziehung, die letztlich auf Kosten der Allgemeinheit gehen, die wirtschaftliche Grundlage entziehen und so für einen fairen Wettbewerb auf dem Markt sorgen.

18.06.2015/7 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-06-18 09:00:292015-06-18 09:00:29BGH: Neues zur Schwarzarbeit – Kein Rückzahlungsanspruch bei mangelhafter Werkleistung
Tom Stiebert

Notiz: Verbrauchereigenschaft beim Verbrauchsgüterkauf von Amts wegen zu prüfen

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Der EuGH hat sich in einem interessanten Urteil vom 4.6.2015 (C-497/13) zu der Frage der Beweislast für die Verbrauchereigenschaft im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs geäußert. Dies ist relevant, weil an die Verbrauchereigenschaft besondere priviligierende Folgen geknüpft sind und nur dann ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt (§ 474 ff. BGB).
Der EuGH hat nun festgestellt, dass sich der Verbraucher nicht etwa auf diese Eigenschaft berufen muss, sondern dass eine entsprechende Prüfung von Amts wegen zu erfolgen hat. Damit werden allgemeine Beweislastregelungen modifiziert.
Im Einzelnen legte das Gericht dar:

 Der Grundsatz der Effektivität verlangt vielmehr, dass in einem Rechtsstreit über einen Vertrag, der möglicherweise in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt, das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht, sofern es über die dafür nötigen rechtlichen und tatsächlichen Anhaltspunkte verfügt oder darüber auf ein einfaches Auskunftsersuchen hin verfügen kann, die Frage prüft, ob der Käufer als Verbraucher eingestuft werden kann, selbst wenn er sich nicht ausdrücklich auf diese Eigenschaft berufen hat.

Diesem Effektivitätsgrundsatz steht selbst eine anwaltliche Vertretung nicht entgegen:

Es ist hinzuzufügen, dass die Frage, ob der Verbraucher anwaltlich vertreten wird oder nicht, an dieser Schlussfolgerung nichts zu ändern vermag, da die Auslegung des Unionsrechts sowie die Tragweite der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz von den konkreten Umständen jedes Einzelfalls unabhängig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Rampion und Godard, C‑429/05, EU:C:2007:575, Rn. 65)

Zudem konkretisiert der EuGH die entsprechende Beweislastumkehr zum Vorliegen eines Mangels:

Um diese Beweiserleichterung in Anspruch nehmen zu können, muss der Verbraucher jedoch das Vorliegen bestimmter Tatsachen nachweisen.

Erstens muss der Verbraucher vortragen und den Beweis erbringen, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist, da es z. B. nicht die im Kaufvertrag vereinbarten Eigenschaften aufweist oder sich nicht für den Gebrauch eignet, der von einem derartigen Gut gewöhnlich erwartet wird. Der Verbraucher muss nur das Vorliegen der Vertragswidrigkeit beweisen. Er muss weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist.

Zweitens muss der Verbraucher beweisen, dass die in Rede stehende Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, also sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat.

Wenn diese Tatsachen nachgewiesen sind, ist der Verbraucher vom Nachweis befreit, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Das Auftreten dieser Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass sie zum Zeitpunkt der Lieferung „zumindest im Ansatz“ bereits vorlag, auch wenn sie sich erst nach der Lieferung des Gutes herausgestellt hat (vgl. die Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie, KOM[95] 520 endg., S. 14).

Ein interessantes Urteil also, dessen Lektüre sich auch im Volltext lohnt.

06.06.2015/1 Kommentar/von Tom Stiebert
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2015-06-06 15:30:482015-06-06 15:30:48Notiz: Verbrauchereigenschaft beim Verbrauchsgüterkauf von Amts wegen zu prüfen
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