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Schlagwortarchiv für: Kachelmann

Tom Stiebert

BVerfG: Meinungsfreiheit schützt auch emotional zugespitzte Äußerungen

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer aktuellen Entscheidung vom 29.4.2016 (1 BvR 2844/13) der Frage gewidmet, wie weit der Schutz der von Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit reicht. Die Frage der Reichweite des Schutzbereichs dieses Grundrechts und die Möglichkeit der Rechtfertigung sind vom zweiten Semester an bis zu den Examensklausuren von immens höher Bedeutung und sollte daher wiederholt werden.
I. Sachverhalt
Der Sachverhalt knüpft an den Freispruch eines bekannten ehemaligen Wettermoderators (hier: der Kläger) in einem Verfahren wegen Vergewaltigung im Jahr 2011 an. Im Zuge dessen kam es zu Äußerungen des vermeintlichen Opfers der Vergewaltigung (hier: die Beschwerdeführerin).

Am Tag des Freispruchs sowie am Tag darauf äußerten sich der Strafverteidiger und der für das Zivilverfahren mandatierte Rechtsanwalt des Klägers in Fernsehsendungen über die Beschwerdeführerin. Etwa eine Woche nach der Verkündung des freisprechenden Urteils erschien in einer wöchentlich erscheinenden Zeitschrift ein dreiseitiges Interview mit dem Kläger unter der Überschrift „Mich erpresst niemand mehr“,

Über die Beschwerdeführerin äußerte er hierin zudem:

Ich weiß, ich habe mich mies benommen. Ich habe Menschen verarscht. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Aber das, was die Nebenklägerin mit mir gemacht hat, als sie sich den Vorwurf der Vergewaltigung ausdachte – das ist keine Verarsche. Das ist kriminell. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. (…) Ich habe keinen Sprung in der Schüssel. Viel interessanter wäre doch zu erfahren, was psychologisch in der Frau vorging, die mich einer Tat beschuldigt, die ich nicht begangen habe.

Daraufhin reagierte die Beschwerdeführerin mit einem Interview in einer Illustrierten, das eine Woche nach oben genanntem Interview erschien. Hierin äußerte sie sich sowohl unter Bezug auf die vermeintliche Tat als auch mit Bezug zum Kläger als vermeintlichen Täter:

Das Gericht unterstellt mir mit diesem Freispruch, dass ich so dumm und so niederträchtig sein könne, eine solche Vergewaltigungsgeschichte zu erfinden (…). Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe. Ich bin keine rachsüchtige Lügnerin.

(…) Fast unerträglich aber war für mich, die Aussagen der [vom Kläger] bezahlten Gutachter in der Presse lesen zu müssen. Diese Herren erklären vor Gericht, die Tat könne sich nicht so abgespielt haben, wie es die Nebenklägerin, also ich, behauptet – und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß ganz genau: ES WAR ABER SO! (…)

Zu den Aktivitäten des Klägers im Internet:

Ja, das kann er. Andere beschimpfen und bloßstellen (…) In seinen Augen hat er in der besagten Nacht ja nichts falsch gemacht. Er hat nur die Machtverhältnisse wieder so hergestellt, wie sie seiner Meinung nach richtig sind.

Der im Strafprozess freigesprochene Kläger begehrte nun von der Beschwerdeführerin Unterlassung der dargelegten Äußerungen. Eine entsprechende Klage vor dem LG war erfolgreich; die hiergegen durch die Beschwerdeführerin eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos.

II. Lösung des BVerfG

Das BVerfG hatte hier nun zu prüfen, ob bei der Gewährung des Unterlassungsanspruchs § 1004 BGB durch die Gerichte eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts (hier von Art. 5 GG) vorgelegen hat, weil die Bedeutung dieses Grundrechts bei der Prüfung nicht hinreichend beachtet wurde. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht hier bejaht.

a) Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst auch Tatsachenbehauptungen. Diese sind aus Sicht des BVerfG Voraussetzung der Bildung von Meinungen und daher auch vom grundrechtlichen Schutz erfasst. Dies scheidet nur dann aus, wenn ein Meinungsbezug vollständig fehlt. Zudem entfällt ein Schutz bei einer unwahren Tatsache, da diese gerade kein schützenswertes Gut darstellen. Hier ist die Unwahrheit – trotz des Freispruchs des Klägers – aber nicht erwiesen. Im Strafverfahren konnte nicht geklärt werden, ob die Angaben der Beschwerdeführerin oder die des Klägers der Wahrheit entsprechen. Insofern war der Schutzbereich eröffnet.
b) Hierin wurde auch eingegriffen, indem die Verbreitung untersagt wurde.
c) Der Eingriff ist auch nicht gerechtfertigt.
Eine Schranke liegt in Gestalt des § 1004 BGB zwar vor:

Die Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Zivilrechtliche Grundlage zur Durchsetzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Wege eines Unterlassungsanspruches ist hier § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit § 823 BGB.

Deren Anwendung ist hier aber nicht verhältnismäßig.

Die sich gegenüberstehenden Positionen sind in Ansehung der konkreten Umstände des Einzelfalles in ein Verhältnis zu bringen, das ihnen jeweils angemessen Rechnung trägt.

Das Bundesverfassungsgericht nimmt hier eine sehr übersichtliche und strukturierte Verhältnismäßigkeitsprüfung vor die nachfolgend dargestellt wird:
Zunächst wird der Inhalt Äußerung problematisiert. Eine die öffentlichen Interessen betreffende Äußerung ist dabei stärker zu schützen:

Von Bedeutung ist […], ob die Äußerung lediglich eine private Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen betrifft oder ob von der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <294>). Allerdings beschränkt sich die Meinungsfreiheit nicht allein auf die Gewährleistung eines geistigen Meinungskampfs in öffentlichen Angelegenheiten […]. Die Meinungsfreiheit ist als individuelles Freiheitsrecht folglich auch um ihrer Privatnützigkeit willen gewährleistet und umfasst nicht zuletzt die Freiheit, die persönliche Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subjektiver Emotionalität in die Welt zu tragen.

Zudem betont dass BVerfG, dass die Maßstäbe an die Prüfung der Angemessenheit dann andere sind, wenn die Äußerung durch vorherige Verlautbarungen faktisch „provoziert“ wurde:

Zu berücksichtigen ist weiter, dass grundsätzlich auch die überspitzte Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliegt (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>). Dabei kann insbesondere bei Vorliegen eines unmittelbar vorangegangenen Angriffs auf die Ehre eine diesem Angriff entsprechende, ähnlich wirkende Erwiderung gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 24, 278 <286>). Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat, muss eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 12, 113 <131>; 24, 278 <286>; 54, 129 <138>).

Diese Abwägungsgesichtspunkte wurden aus Sicht des BVerfG vom LG und OLG verkannt. Hauptkritikpunkt ist dabei, dass die Gerichte die Meinungsäußerung auf die Verlautbarung einer rein sachlichen Darstellung des Geschehens beschränkt werden soll. Diese Einschränkung ist aus Sicht des BVerfG gerade nicht geboten. Auch emotionale Faktoren sind zu beachten:

Indem die Gerichte aber davon ausgingen, dass sich die Beschwerdeführerin auf die Wiedergabe der wesentlichen Fakten und eine sachliche Darstellung des behaupteten Geschehens zu beschränken habe, verkennen sie die durch das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Freiheit, ein Geschehen subjektiv und sogar emotionalisiert zu bewerten. Diese Auffassung übersieht auch das öffentliche Interesse an einer Diskussion der Konsequenzen und auch Härten, die ein rechtsstaatliches Strafprozessrecht aus Sicht möglicher Opfer haben kann. Zudem haben die Gerichte in die erforderliche Abwägung nicht den Druck eingestellt, der auf der Beschwerdeführerin lastete und sie dazu brachte, das Ergebnis des weithin von der Öffentlichkeit begleiteten Prozesses kommunikativ verarbeiten zu wollen.

Dies gilt erst Recht im Hinblick auf die vorhergehende Äußerung des Klägers:

Das Oberlandesgericht geht insoweit zwar zutreffend davon aus, dass der Beschwerdeführerin ein „Recht auf Gegenschlag“ zusteht. Die Gerichte verkennen aber, dass sie dabei nicht auf eine sachliche, am Interview des Klägers orientierte Erwiderung beschränkt ist, weil auch der Kläger und seine Anwälte sich nicht sachlich, sondern gleichfalls in emotionalisierender Weise äußerten. Der Kläger, der auf diese Weise an die Öffentlichkeit trat, muss eine entsprechende Reaktion der Beschwerdeführerin hinnehmen.

Aus diesem Grund liegt eine Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit vor. Die Bedeutung der Grundrechte wurde hier verkannt.
III. Examensrelevanz
Die Bedeutung der Konstellation für das Examen ist offensichtlich: Die Meinungsfreiheit ist ein häufig und gern geprüftes Grundrecht, dass sich ob seiner praktischen Relevanz und ob seiner ausdifferenzierten Inhalte sehr gut für eine Klausur eignet.
Am Beschluss des BVerfG lässt sich zudem die Systematik der Prüfung sehr gut nachvollziehen. Zum einen wird deutlich, dass das BVerfG allein eine Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch das Urteil prüft (ob also beim Urteil zentrale Wertungen verkannt wurden) zum anderen zeigt das Gericht hier auch sehr gut, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung – trotzdem sie häufig als „schwammig“ empfunden wird – an harte Kriterien und Tatsachen anzuknüpfen hat. Gerade dies bringt in der Klausur hohe Punktzahlen.
 

02.05.2016/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-05-02 13:00:142016-05-02 13:00:14BVerfG: Meinungsfreiheit schützt auch emotional zugespitzte Äußerungen
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuelle examensrelevante öffentlich-rechtliche Themen

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

In den letzten Tagen ist wieder eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemkreisen durch die Judikatur gegangen. Kandidaten, für die bald die mündliche Prüfung ansteht, sollten sich deshalb mit den im Folgenden genannten Themen einmal kurz auseinandergesetzt haben. Daneben ist es zumindest denkbar, dass die folgenden Sachverhalte zu gegebener Zeit auch als Aufhänger in Klausuren für das erste sowie zweite Staatsexamen Eingang finden werden. Da die Pressemitteilungen der genannten Fälle die jeweils einschlägige Problematik bereits ausreichend erläutern, werden im Folgenden lediglich Auszüge aus den respektiven Mitteilungen zitiert, wobei jeweils am Ende auf weiterführende Lektüre hingewiesen wird.
VerfGH Sachsen: NPD darf mit ins Ausland (Vf. 95-I-12)

Das Landtagspräsidium hatte beschlossen, auf eine Schweiz-Reise im April 2013 zwölf Abgeordnete mitzunehmen – jedoch niemanden von der NPD. Derartige Reisen dienten weniger der politischen Willensbildung, als der Pflege menschlicher Kontakte und der Darstellung Sachsens als weltoffenes, tolerantes Land, hatte das Präsidium argumentiert. Außerdem müssten die Kosten begrenzt werden. Die NPD beklagte dagegen eine systematische Ausgrenzung.
Das Gericht urteilte: „Bei einer Delegationsstärke von zwölf Personen verstößt die Nichtberücksichtigung der NPD-Fraktion gegen das verfassungsmäßige Recht auf formale Chancengleichheit aller Fraktionen“. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs verstößt die Nichtberücksichtigung der NPD-Fraktion bei einer Delegationsstärke von zwölf Personen gegen das verfassungsmäßige Recht auf formale Chancengleichheit aller Fraktionen. Das in Art. 39 Abs. 3 SächsVerf garantierte Recht auf formale Gleichbehandlung der Fraktionen erfasse auch die Mitwirkungsbefugnisse an parlamentarischen Aufgaben, die im weiteren Sinne der politischen Willensbildung dienen. Die Entsendung einer Delegation zu einem ausländischen Parlament sei eine solche parlamentarische Angelegenheit des Landtags. Die Länder verfolgten u.a. über den Austausch von Delegationen ihre eigenen auswärtigen Interessen. Die Besuche dienten dem interparlamentarischen Erfahrungsaustausch und im weiteren Sinne auch der Außendarstellung des Parlaments. Werde der Landtag bei derartigen parlamentarischen Angelegenheiten durch eine Personenmehrheit repräsentiert, müsse daher grundsätzlich jede Fraktion an dieser Personenmehrheit beteiligt werden. Für eine Abweichung von diesem Beteiligungsgebot seien sachlich hinreichend tragfähige Gründe weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Insbesondere stelle das von der Antragsgegnerin herangezogene Interesse an einer Kostenbegrenzung vorliegend keine hinreichende Rechtfertigung dar, da die Antragstellerin beteiligt werden könne, ohne dass Mehrkosten entstünden. Entscheide das Landtagspräsidium, zumindest so viele Teilnehmer zu entsenden wie Fraktionen bestehen, gebiete das Recht auf Gleichbehandlung, dass ein Verteilungsschlüssel angewandt werde, der grundsätzlich jeder Fraktion eine Teilnahme ermögliche.

Die Entscheidung reiht sich nahtlos ein in eine Vielzahl an Judikaten, die vermeintliche Diskriminierungen zulasten der NPD betreffen. Äußerst examensrelevant sind in diesem Kontext die Fälle des Hausverbots von NPD-Mitgliedern aufgrund des Tragens von Marken, die eine besondere Zugehörigkeit zur rechten Szene aufweisen (siehe dazu hier). Aktuell, und damit auch besonders für die mündliche Prüfung relevant, sind zudem jegliche Probleme rund um das in der Tagespresse brisant diskutierte Parteiverbotsverfahren der NPD (siehe dazu insbesondere hier und hier).
AG Schöneberg: Verbot gemeinschaftlicher Adoption durch beide Partner eingetragener Lebensgemeinschaft verfassungswidrig (24 F 172/12)

Das AG Schöneberg hat in zwei Familiensachen, bei denen es um die Adoption von jetzt volljährigen bisherigen Pflegekindern durch die Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft geht, das Verfahren ausgesetzt und die Verfahren dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Die gegenwärtigen rechtlichen Regelungen, nach denen die gemeinschaftliche Adoption durch Lebenspartner abweichend von der Regelung für Ehegatten verboten sei, seien mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig, so das Amtsgericht in den beiden gleichlautenden Beschlüssen. Ein genereller Vorrang verschiedengeschlechtlicher Elternschaft gegenüber gleichgeschlechtlicher Elternschaft sei nicht begründbar.

Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des vorgenannten Adoptionsverbots eignet sich hervorragend, um in verfassungsrechtlicher Hinsicht die Judikatur des BVerfG (siehe etwa hier) sowie die Grundsätze des Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG zu diskutieren. Im Hinblick auf das aktuelle Tagesgeschehen sollten Aspiranten für anstehende mündliche Prüfungen zudem auch über die kürzlich beschlossene Gesetzesinitiative zur Einführung einer „Homo-Ehe“ Bescheid wissen (siehe dazu hier: „Durch die Gesetzesinitiative solle § 1353 BGB geändert werden. Eine Ehe solle zukünftig von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts eingegangen werden können. Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von dieser gesetzlichen Neuregelung unberührt.“).
BGH: Berichterstattung über laufende Strafverfahren (VI ZR 93/12, VI ZR 106/12, VI ZR 107/12, VI ZR 108/12)

Der BGH hatte in mehreren Verfahren zu entscheiden, in welchen Grenzen die Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren zulässig ist.
Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer damaligen Freundin als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal „www.bild.de“ während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens. Kurz nach seiner Verhaftung begann eine intensive Medienberichterstattung über das gegen ihn wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung eingeleitete Strafverfahren sowie über sein bis zu diesem Zeitpunkt der breiten Öffentlichkeit unbekanntes Privatleben, insbesondere seine Beziehungen zu Frauen. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil wurde er von den Tatvorwürfen freigesprochen.
In dem vom BGH verhandelten Rechtsstreit hat der Kläger das verklagte Presseorgan auf Unterlassung wegen noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgter Äußerungen in einem am 13.06.2010 auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite aufrufbar gestellten Artikel mit der Überschrift „Magazin „Focus“ veröffentlicht intime Details – Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht“ in Anspruch genommen. Anlass des Artikels waren bekannt gewordene Passagen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung. Das Protokoll dieser Vernehmung wurde später in der öffentlichen Hauptverhandlung im Strafverfahren verlesen.
Wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung war die Veröffentlichung im Juni 2010 wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht nach Auffassung des BGH gleichwohl nicht. Nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung war eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig. Infolgedessen sei die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen. Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht wieder neu entstanden. Der Kläger habe sich mit seinem Unterlassungsantrag gegen die aktuelle Berichterstattung im Strafverfahren gewandt. Umstände dafür, dass die Beklagte eine erneute Veröffentlichung in dieser Form vornehmen könnte, seien nicht ersichtlich.
In drei weiteren Verfahren hat der BGH allerdings die Nichtzulassungsbeschwerden der Presseorgane gegen Entscheidungen des OLG Köln zurückgewiesen, in denen den Unterlassungsanträgen des Klägers stattgegeben worden ist. Dabei ging es um Berichte über ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger, das wegen eines angeblichen Vorfalls aus dem Jahre 2001 eingeleitet worden war, nachdem eine frühere Freundin des Klägers drei Tage nach dessen Festnahme im Jahre 2010 die Justizbehörden darüber informiert hatte. In diesen Fällen haben die Gerichte das Vorliegen der Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint, weil schon der für eine Verdachtsberichterstattung erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen nicht gegeben war und zudem die notwendige Stellungnahme des Klägers nicht eingeholt worden war.

Zugegebenermaßen handelt es sich hierbei um einen Fall, der nicht bloß in öffentlich-rechtlichen, sondern auch in zivilrechtliche Klausuren Eingang finden kann. Gleichwohl handelt es sich im Kern um ein Austarieren verfassungsmäßiger Grundrechtspositionen, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie die Pressefreiheit der Berichterstatter nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG. Wie aus der Pressemitteilung des BGH hervorgeht, spielen in diese Grundrechtsabwägung zudem noch Aspekte wie die Unschuldsvermutung, die aus dem Rechtsstaatsprinzip resultiert, sowie das allgemeine Informationsbedürfnis der Bevölkerung eine Rolle. Insofern gilt es nach den vom BGH aufgestellten Maßstäben sauber den Verdachtsgrad und die von der Berichterstattung ausgehende Stigmatisierungswirkung einzuschätzen.
Wir berichteten bereits über einen sehr ähnlichen Fall zur Medienberichterstattung über laufende Prozesse, der seinerzeit ebenfalls vom BGH entschieden wurde. Aus diesem Grunde sei für einen vertiefteren Einblick in die Materie eingehend die Lektüre dieses Beitrages empfohlen.

26.03.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-03-26 09:00:542013-03-26 09:00:54Aktuelle examensrelevante öffentlich-rechtliche Themen

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