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Schlagwortarchiv für: gesetzlicher Richter

Gastautor

EuGH als gesetzlicher Richter – Acte clair und éclairé darf nicht willkürlich angenommen werden

Europarecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Verfassungsrecht

Wir freuen uns, folgenden Beitrag von Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard) veröffentlichen zu können. Der Autor ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn und Wissenschaftlicher Beirat des Juraexamen.info e.V.
 
Das BVerfG (v. 14.1.2021 – 1 BvR 2853/19) hat eine alte Frage erneut entschieden: Wann ein letztinstanzliches Gericht eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage dem EuGH vorlegen muss, ist eine Sache, eine andere aber, wann die Nichtvorlage trotz Vorlagepflicht ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist und vor dem BVerfG gerügt werden kann.
Der Sachverhalt betraf eine höchst spannende Frage des Datenschutzes: Verpflichtet eine rechtswidrige Datenverarbeitung nach Art. 82 DSGVO auch bei relativ geringfügiger Beeinträchtigung zum Schadensersatz für Nichtvermögensschäden oder nur – Rechtsprechung Caroline von Monaco und Co. – ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle? Die Frage ist hoch umstritten (wer es nachlesen will, s. z.B. Fuhlrott/Oltmanns, ArbRAktuell 2020, 565; Ernst, BB 2020, 2164) – und dennoch ging das Amtsgericht Goslar davon aus, selbst entscheiden zu können, dass dem nicht der Fall ist. Ein Rechtsanwalt erhielt eine Werbe-E-Mail und mit Schreiben vom gleichen Tag mahnte der Beschwerdeführer den Beklagten des Ausgangsverfahrens ab. Einen Monat später verklagte er den Versender der E-Mail und beantragte u.a. die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes zu verurteilen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, das aber den Betrag von 500 Euro nicht unterschreiten solle.
500 Euro ist schon happig – für ein HWS-Syndrom mit Schädelprellung bekommt man manchmal auch nicht mehr (s. LG Mannheim v. 20.9.2013 – 8 O 82/12). Und so schlimm war das ja vielleicht gar nicht mit der Mail. Dennoch hob das BVerfG die Entscheidung auf. Denn ohne Frage hätte das AG Goslar vorlegen müssen:

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., C-283/81, EU:C:1982:335, Rn. 21; Urteil vom 15. September 2005, C-495/03, EU:C:2005:552, Rn. 33; Urteil vom 6. Dezember 2005, C-461/03, EU:C:2005:742, Rn. 16; stRspr) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war (acte éclairé) oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair) (vgl. auch BVerfGE 82, 159 <193>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105 f.>; 140, 317 <376 Rn. 125>; 147, 364 <378 f. Rn. 37>). Davon darf das innerstaatliche Gericht aber nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Gerichtshof der Europäischen Union die gleiche Gewissheit bestünde. Nur dann darf das Gericht von einer Vorlage absehen und die Frage in eigener Verantwortung lösen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., C-283/81, EU:C:1982:335, Rn. 16).

Aber nicht in jeder falschen Anwendung einfachen Rechts – und mag es auch Europarecht sein – liegt schon ein Entzug des gesetzlichen Richters (ausführlich Thüsing/Pötters/Traut, NZA 2010, 930). Das BVerfG ist auch hier keine „Superrevisionsinstanz“ und auch kein „oberstes Vorlagenkontrollgericht“. Das macht auch das BVerfG nun deutlich:

Die Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften wird in verfassungswidriger Weise gehandhabt, wenn ein letztinstanzliches Gericht eine Vorlage trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hat (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 Rn. 181>; 147, 364 <380 Rn. 41>). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Gericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen von der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 75, 223 <245>; 82, 159 <195>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 Rn. 182>; 147, 364 <381 Rn. 42>).

Und dann fügt es einen anderen bereits bekannten Textbaustein an:

Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch nicht vor oder hat er die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 f. Rn. 183>)“.

Aber was ist vertretbar, und was ist unvertretbar? Das BVerfG gibt Hinweise:

Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; BVerfGK 10, 19 <29>). Jedenfalls bei willkürlicher Annahme eines „acte clair“ oder eines „acte éclairé“ durch die Fachgerichte ist der Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten (vgl. BVerfGE 135, 155 <232 f. Rn. 183>; 147, 364 <381 Rn. 43>).

Und dann wird es präziser, und gibt wiederum Hinweise, die man schon in verschiedenen anderen Entscheidungen bekommen hat:

In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob sich das Gericht hinsichtlich des Unionsrechts ausreichend kundig gemacht hat. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig („acte clair“) oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt („acte éclairé“; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>). Hat es dies nicht getan, verkennt es regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht. Zudem hat das Fachgericht Gründe anzugeben, die dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen (vgl. BVerfGE 147, 364 <380 f. Rn. 41>; BVerfGK 8, 401 <405>; 10, 19 <30 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2001 – 1 BvR 1036/99 -, Rn. 21; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2008 – 1 BvR 2722/06 -; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010 – 1 BvR 230/09 -, Rn. 19).

Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genannten Fallgruppen handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für eine verfassungsrechtlich erhebliche Verletzung der Vorlagepflicht. Für die Frage nach einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union kommt es im Ausgangspunkt nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts – hier der DSGVO – an, sondern auf die Beachtung oder Verkennung der Voraussetzungen der Vorlagepflicht nach der Vorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV, die den gesetzlichen Richter im Streitfall bestimmt (vgl. BVerfGE 128, 157 <188>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010 – 1 BvR 230/09 -, Rn. 20; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2010 – 1 BvR 1631/08 -, Rn. 48).
Es geht also darum: Sieht das Gericht die mögliche Vorlagepflicht, macht es sich kundig, und begründet es seine Meinung – dann darf es auch in der Subsumtion irren, ohne dass ein Verfassungsverstoß vorliegt. Willkür liegt vor, wenn es mehr oder wenig deutlich macht: Das entscheide ich jetzt selbst, mag es der EuGH auch noch nicht entschieden haben. Das BVerfG hat damit Spielraum im Einzelfall. Letztlich dürfte das in der Prüfung der Entscheidung eher ein gradueller als ein essentieller Unterschied sein.
Apropos: Die Rechtsfrage, die der EuGH jetzt bekommen könnte, ist wirklich spannend. Hoffen wir, dass er dies dann auch tatsächlich vorgelegt bekommt. Wenn das der Fall ist, dann wird die Vorlage hier besprochen werden. Versprochen.

25.02.2021/4 Kommentare/von Gastautor
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2021-02-25 10:00:552021-02-25 10:00:55EuGH als gesetzlicher Richter – Acte clair und éclairé darf nicht willkürlich angenommen werden
Dr. Maximilian Schmidt

BVerfG: Verfassungswidrige Preisgestaltung eines kommunalen Freibades

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Eine äußerst examensrelevante Entscheidung hat das BVerfG mit Beschluss vom 19. Juli 2016 – 2 BvR 470/08 zur Preisgestaltung eines kommunalen Freizeitbades getroffen. Der Beschluss betrifft eine Vielzahl von klassischen Examensproblemen des öffentlichen Rechts: Bindung an Grundrechte öffentlicher Unternehmen, Ungleichbehandlungen und deren Rechtfertigung sowie Verletzung der Vorlagepflicht zum EuGH als Entzug des gesetzlichen Richters.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Österreich. Bei einem Besuch eines von mehreren Gemeinden und einem Landkreis betriebenen Freizeitbades im Bertechsgadener Land musste er den regulären Eintrittspreis entrichten, während den Einwohnern dieser Gemeinden ein Nachlass auf den regulären Eintrittspreis von etwa einem Drittel gewährt wurde. Der Beschwerdeführer erhob Klage zum Amtsgericht und forderte wegen unzulässiger Benachteiligung die Rückzahlung des Differenzbetrags und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger den Eintritt künftig zu dem ermäßigten Entgelt zu gewähren. Das Amtsgericht wies die Klage ab; die gegen das Urteil eingelegte Berufung war ebenfalls erfolglos. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und eine Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) durch Unterlassung einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.

II. Thesen des Gerichts
Das BVerfG entschied nun zu Gunsten des Beschwerdeführers und nahm an, dass eine ungerechtfertigte Benachteiligung durch das an Grundrechte gebundene Unternehmen vorliege. Zudem sei die Vorlagepflicht zum EuGH vereltzt worden.
1. Das Unternehmen ist selbst unmittelbar an Grundrechte gebunden, Art. 1 Abs. 3 GG. Dies hängt weder von der Organisationsform ab noch von der Handlungsform („keine Flucht ins Privatrecht“). An Grundrechte gebunden ist nicht nur die hinter dem Unternehmen stehende Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern auch unmittelbar die juristische Person des Privatrechts selbst. Das Freizeitbad ist hier ein öffentliches Unternehmen, dessen einzige Gesellschafterin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, die sich ihrerseits auf einen Landkreis und fünf Gemeinden stützt. Daher liegt eindeutig eine Grundrechtsbindung vor.

Hinweis: Die Bindung an Grundrechte ist eine extrem wichtige Weichenstellung in einer Klausur. Abzugrenzen sind hier unmittelbare und mittelbare Grundrechtsbindung. Lesenswert hinsichtlich der unmittelbaren Grundrechtsbindung von Unternehmen in öffentlicher Hand ist die Fraport-Entscheidung des BVerfG, zur mittelbaren Grundrechtsbindung Privater sollte das Grundsatzurteil in der Rs. Lüth bekannt sein.

2. Die Entlastung ausschließlich von Gemeindemitgliedern verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser ist zweistufig zu prüfen: Eine Ungleichbehandlung liegt zweifellos vor, diese ist dem BVerfG zufolge nicht gerechtfertigt. Ein Sachgrund zur Differenzierung zwischen Gemeindemitgliedern und Auswärtigen bestehe nicht, da das Schwimmbad auf Überregionalität angelegt ist, Auswärtige ansprechen soll und gerade nicht kommunale Aufgaben im engeren Sinne erfüllt. An dieser Stelle kann man auch anderer Auffassung sein, etwa wenn das Bad durch kommunale Mittel finanziert wird, die die Gemeinemitglieder beisteuern.
3. Art. 3 Abs. 1 GG ist ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB.
4. Der EuGH ist gesetzlicher Richter i.S.d. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Da die letztinstanzlichen Gerichte zur Vorlage verpflichtet sind, wenn die Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV vorliegen, verletzen sie das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), wenn die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Im Hinblick auf die Bindung an Grundfreiheiten habe sich das OLG im vorliegenden Fall gar keine Gedanken zur Europarechtskonformität und der Notwendigkeit einer Vorlage zum EuGH gemacht. Vielmehr stehe die Entscheidung des OLG wohl im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des EuGH zur (rabattierten) Nutzung kultureller Einrichtung.
III. Wenn man als Examenskandidat das gute Wetter schon nicht im Freibad genießen kann, so erlaubt die Entscheidung wenigstens eine gedankliche Beschäftigung mit schöneren Orten als der Universitätbibliothek.

24.08.2016/2 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2016-08-24 14:00:402016-08-24 14:00:40BVerfG: Verfassungswidrige Preisgestaltung eines kommunalen Freibades
Dr. Jan Winzen

BVerfG: Richter muss sich für die Wahrheitsfindung interessieren

Rechtsprechung, Startseite

Mit Beschluss vom 12.12.2012 (2 BvR 1750/12) hat die dritte Kammer des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts über die Vereinbarkeit der Ablehnung eines Befangeheitsantrags mit dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) zu befinden.
Der Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin war Beklagte in einem zivilrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht Chemnitz. Nach der Erörterung des Sach- und Streitstandes wollte sie in der mündlichen Verhandlung die Vernehmung eines in der Schweiz ansässigen Zeugen beantragen. Der zuständige Einzelrichter verweigerte die Aufnahme des Beweisantrags in das Protokoll der mündlichen Verhandlung. Auf den an ihn gerichteten Hinweis des Prozessvertreters der Beklagten, er sei zur Wahrheitsfindung verpflichtet, reagierte der Richter mit den Worten „Die Wahrheit interessiert mich nicht“. Das auf diese Aussage gestütze Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin wegen der Besorgnis der Befangenheit lehnte die zur Entscheidung berufene Kammer des Landgerichts mit der Begründung ab, die Aussage des Richters sei zwar zu monieren, rechfertige aber eine Richterablehnung nicht und beschwere zudem beide Parteien gleichermaßen.
Die gegen den Ablehnungsbeschluss eingelegte sofortige Beschwerde wies das OLG Dresden zurück. Das OLG führte im Wesentlichen aus, der abgelehnte Richter habe nicht pflichtwidrig handeln wollen. Vielmehr sei es der Prozessvertreter der Beklagten gewesen, der die Pflicht zur Wahrheitsfindung als Druckmittel für die beantragte Zeugenvernehmung eingesetzt habe. Mit der gerügten Äußerung habe sich der abgelehnte Richter dieser sachwidrigen Beeinflussung lediglich erwehrt.
Die Beklagte erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde und rügte im Wesentlichen die Verletzung ihres Grundrechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die Entscheidung
Die Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG) ist, soweit sie eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Beschlüsse des LG Chemnitz und des OLG Dresden rügt, zulässig und offensichtlich begründet.
Zu Beginn der Entscheidung rezitiert die Kammer die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts und den daraus entwickleten Schutzbereich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG

 Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter (vgl. BVerfGE 22, 254 <258>). Damit soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfGE 95, 322 <327>). Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfGE 10, 200 <213 f.>; 21, 139 <145 f.>; 30, 149 <153>; 40, 268 <271>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>).

Freilich kann nicht jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts durch die Gerichte einen Versoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen (andernfalls müsste ja jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich ein Verfassungsverstoß sein (!)).

Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Verfahrensnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt.

Ob die Ablehnung eines Befangeheitsgesuchs einen Verfassungsverstoß in diesem Sinne darstellt, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beaurteilen (merke: das ist auch deshalb erforderlich, weil Prüfungsmaßstab des Gerichts im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde ja allein die Grundrechte bzw. grundrechtsgleichen Rechte sind).
Nach Ansicht der Kammer war dies vorliegend aus verschiedenen Gründen der Fall:

Mit der Äußerung, auf die sich der Befangenheitsantrag der Beschwerdeführerin bezog, hat der Richter nicht nur Unmut über ein Verhalten ihres Bevollmächtigten zum Ausdruck gebracht, sondern zugleich bekundet, dass er an der Erfüllung einer wesentlichen richterlichen Amtspflicht nicht interessiert sei.

Zwar wird die Pflicht des Richters, den Sachverhalt zu erforschen im Zivilprozess – anders als etwa im Verwaltungsprozess – durch den Beibringungsgrundsatz beschränkt. Auch der Zivilrichter ist aber selbstverständlich

nach Maßgabe der anwendbaren Verfahrensordnung, seinem Amtseid gemäß, verpflichtet, der Wahrheit zu dienen (§ 38 Abs. 1 DRiG).

Darüber hinaus stellte die

an den Bevollmächtigten gerichtete Äußerung des Richters, die Wahrheit interessiere ihn nicht, keinen bloßen Hinweis auf die zivilprozessrechtlichen Grenzen der richterlichen Pflicht zur Sachverhaltsermittlung dar.
Unter diesen Umständen war die Annahme des Landgerichts, die Äußerung begründe keine Ablehnung, weil sie beide Parteien gleichermaßen beschwere, unvertretbar. Die grob unsachliche Äußerung des Richters war eindeutig als zurückweisende Reaktion auf ein vom Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin vorgebrachtes Anliegen erfolgt und daher offensichtlich geeignet, den Eindruck einer Voreingenommenheit gerade nach dieser Seite hin zu erzeugen.

Eine ziemlich deutliche Absage erteilt das Bundesverfassungsgericht schließlich der Ansicht des OLG Dresden, es sei der Prozessvertreter der Beklagten gewesen, der die Pflicht zur Wahrheitsfindung als Druckmittel für die beantragte Zeugenvernehmung eingesetzt habe:

Erst recht ist die Annahme des Oberlandesgerichts nicht tragfähig, die Äußerung sei hinzunehmen als Reaktion auf eine sachwidrige Beeinflussung durch den Beklagtenvertreter, der die Pflicht zur Wahrheitsfindung als Druckmittel eingesetzt habe, um den Richter zur Anhörung des Zeugen zu bewegen. Weshalb in dem Hinweis auf eine bestehende Amtspflicht eine sachwidrige Druckausübung liegen soll, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar.
Selbst wenn der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin mit seinem Hinweis auf die Wahrheitserforschungspflicht des Gerichts die Reichweite dieser Pflicht unter den gegebenen Umständen verkannt haben sollte, kann darin eine die Besorgnis der Befangenheit ausschließende Rechtfertigung für die anschließende Äußerung des Richters schon deshalb nicht liegen, weil in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Pflicht des Richters zur Erfüllung seiner Amtspflichten und zu sachlichem Umgang mit dem Parteivorbringen nicht davon abhängt, dass dieses Vorbringen auf zutreffenden rechtlichen Einschätzungen beruht.

Fazit
Wenn die Entscheidung auch sicherlich nicht prädestiniert für die Umsetzung in einer Examensklausur ist, eignet sie sich zur Einleitung einer Diskussion (etwa in der mündlichen Prüfung) aber allemal:
Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit begegnet dem Studierenden üblicherweise im Strafrecht (§ 24 StPO). Entsprechende Regelungen existieren aber auch in der ZPO (§ 42) und in der VwGO (§ 54, der allerdings auf die §§ 41 ff. ZPO verweist).
Die Aussage des betroffenen Richters, die Wahrheit interessiere ihn nicht, kann außerdem Anlass geben, die Unterschiede zwischen Amtsermittlungsgrundsatz (VwGO) und Beibringungsgrundsatz (ZPO) zu  erörtern.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht bleibt festzuhalten, dass nicht jede unberechtigte Ablehnung eines Befangenheitsantrags einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters darstellt. Da das Bundesverfassungsgericht – wie es auch ausdrücklich in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG steht – im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nur die Verletzung von Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechten prüft, bedarf es einer willkürlichen oder offensichtlich unhaltbaren Handhabung der Befangenheitsvorschriften.
Zum Themenkreis des gestzlichen Richters hatten wir ausführlich auch schon hier berichtet.

15.01.2013/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-01-15 10:00:592013-01-15 10:00:59BVerfG: Richter muss sich für die Wahrheitsfindung interessieren
Tom Stiebert

BVerfG: Recht auf gesetzlichen Richter durch BGH-Besetzung nicht verletzt

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

In der Vergangenheit haben wir schon mehrmals über den schier endlosen Streit um die Besetzung des Bundesgerichtshofs zwischen den dortigen Richtern berichtet. Hatten diese Beiträge vor allem die Konkurrentenklage zum Inhalt, so wurde aber bereits deutlich, dass die Streitigkeit auch eine verfassungsrechtliche Ebene haben kann – nämlich eine mögliche Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Das BVerfG hatte in einem heute veröffentlichten Beschluss vom 23.5.2012 (2 BvR 610/12 und 2 BvR 625/12) über genau diese Frage zu entscheiden.
Die Beschwerdeführer monierten:

Die Zuweisung eines Doppelvorsitzes an den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. E., der nach dem Geschäftsverteilungsplan sowohl den Vorsitz des 2. als auch des 4. Strafsenats innehabe, beeinträchtige wegen der dadurch hervorgerufenen Überbelastung den Anspruch auf den gesetzlichen Richter.
Der danach erforderlichen sachgerechten beziehungsweise verantwortungsvollen Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben werde der Vorsitzende Richter nur gerecht, wenn er dem gesetzlichen Leitbild entsprechend richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung des ihm anvertrauten Spruchkörpers nehmen könne. Mit diesen Anforderungen lasse sich der Doppelvorsitz in zwei voll ausgelasteten Strafsenaten nicht vereinbaren. So setze ein richtunggebender Einfluss nach der auf das Strafrecht zu übertragenden zivilgerichtlichen Rechtsprechung voraus, dass der Vorsitzende mindestens 75 % der Aufgaben als Vorsitzender seines Spruchkörpers selbst wahrnehme.

Die Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG allerdings nicht angenommen, da sie die Voraussetzungen des § 93a BVerfGG nicht erfüllt.

Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind beantwortet (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), denn die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg.

Begründet wird dies wie folgt:
I. Verletzung richterlicher Unabhängigkeit
Zunächst wird kurz dargelegt, wie weit der Schutzbereich des Art. 101 GG reicht.

Mit der Garantie des gesetzlichen Richters will Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung beeinflusst werden kann, gleichgültig, von welcher Seite eine solche Manipulation ausgehe.
Darüber hinaus hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt, der dem rechtssuchenden Bürger im Einzelfall garantiert, vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet.

Dieser Schutzbereich werde, wie das BVerfG darlegt, durch eine (mögliche) Überbeanspruchung des Richters grundsätzlich nicht verletzt. Begründet wird dies damit, dass der Richter die Mehrarbeit (außerhalb des Zumutbaren) schlicht und einfach liegenlassen darf. Konsequenzen drohen ihm hierdurch nicht.

Überschreitet das zugewiesene Arbeitspensum die so zu bestimmende Arbeitsleistung – auch unter Berücksichtigung zumutbarer Maßnahmen wie zum Beispiel eines vorübergehenden erhöhten Arbeitseinsatzes – erheblich, kann der Richter nach pflichtgemäßer Auswahl unter sachlichen Gesichtspunkten die Erledigung der ein durchschnittliches Arbeitspensum übersteigenden Angelegenheiten zurückstellen. Die richterliche Unabhängigkeit bleibt dabei gewährleistet, indem der Richter – nach entsprechender Anzeige der Überlastung – für die nach pflichtgemäßer Auswahl zurückgestellten Aufgaben und die dadurch begründete verzögerte Bearbeitung dienstaufsichtsrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.

Wenn der Richter hingegen doch mehr als erforderlich arbeitet, dann ist ihm kein Vorwurf zu machen, sondern es beruht allein auf seiner eigenen erhöhten Belastbarkeit. Auch diese Entscheidung ist allein auf seine richterliche Unabhängigkeit zurückzuführen.

Ob sich ein überdurchschnittlich leistungsfähiger oder leistungsbereiter Richter letztlich darauf beruft, nur mit einem durchschnittlichen Arbeitspensum belastet zu werden, oder sein erhöhtes Leistungsvermögen beziehungsweise seine erhöhte Leistungsbereitschaft zur Bewältigung etwaiger überobligatorischer Aufgaben einsetzt, ist diesem überlassen und seinerseits Ausfluss der richterlichen Unabhängigkeit.

II. Allenfalls Verletzung effektiven Rechtsschutzes
Bearbeitet der Richter die Fälle nicht in der angemessenen Zeit, so kommt allenfalls eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG in Betracht.

Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, der aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch oder aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleiten ist und einen Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit umfasst (vgl. BVerfGE 54, 39 <41>; 88, 118 <123 f.>; Papier, in: HdStR VIII, 3. Aufl. 2010, § 176 Rn. 18, 21 f., § 177 Rn. 90, 93; Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, 6. Aufl. 2011, Art. 19 Rn. 143 ff.), ist mit den dafür in der Rechtsordnung vorgesehenen Mitteln durchzusetzen.

III. Mangelnder Einfluss des Richters?
Auch der mangelnde Einfluss des vorsitzenden Richters aufgrund fehlenden Wissens vermag eine Verfassungsbeschwerde nicht zu begründen.
Zum einen ist hier unklar, inwiefern überhaupt eine verfassungsrechtliche Manifestation vorliegt, denn jedenfalls kommt eine Verletzung nicht in Betracht. Dies wird damit begründet, dass keine Regelungen bestehen, wie und woher der Spruchkörper bzw. die einzelnen Mitglieder ihr Wissen erlangen. Hier folgt aus der richterlichen Unabhängigkeit, dass dies auch selbst ausgestaltet werden kann.

Die Entscheidung, ob der Spruchkörper sich mit Blick auf die Arbeitsteilung im Kollegium darauf beschränkt, durch den Berichterstatter über den maßgeblichen Sach- und Streitstand informiert zu werden, oder die Vollständigkeit und Richtigkeit des Berichterstattervortrags – allein darum geht es an diesem Punkt – dadurch sichert und verstärkt, dass ein, mehrere oder alle Mitglieder des Spruchkörpers sich den Streitstoff aus den Akten selbst erarbeiten, ist ihm überlassen und insoweit Ausfluss der richterlichen Unabhängigkeit.

Sofern eine Mitwirkung des Vorsitzenden an 75% der Fälle gefordert wird (BGHZ 37, 210 <215 f.>; 88, 1 <8 f.>; vgl. auch Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl. 2010, § 59 Rn. 12) so betrifft diese zum anderen allein eine quantitative, nicht aber eine qualitative Ebene. Eine solche quantitaive Mitwirkung lag stets vor.

Dass der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Dr. E. infolge des ihm übertragenen Doppelvorsitzes an der Mitwirkung bei den Entscheidungen der Strafsenate in erheblichem Umfang verhindert gewesen sei und der Vorsitz stattdessen von einem Vertreter habe wahrgenommen werden müssen, ist nicht ersichtlich und wird von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet.

IV. Fazit/Examensrelevanz
Eine Verletzung von Art. 101 GG kommt damit hier nicht in Betracht. Die Argumentation des BVerfG überzeugt, auch wenn sie sich an einigen Stellen kurios liest. Letztlich bringt das BVerfG zwei Argumente:

  • Zum einen muss der Richter die Mehrarbeit nicht erledigen; wenn er es doch macht, so kann man es ihm nicht vorwerfen.
  • Zum anderen muss der Vorsitzende zwar an den Entscheidungen mitwirken, dazu genügt es aber, dass er quantitativ mitwirkt. Woher er sein Wissen erlangt ist nicht überprüfbar.

Für eine mündliche Prüfung eignet sich der Fall sehr gut, einerseits weil man gut auch zu anderen Fragen (bspw. Konkurrentenklage) überleiten kann, andererseits weil der Fall die Medien in den letzten Monaten stark beschäftigt hat.
Auch in einer schriftlichen Examensklausur kann zumindest ein Teil dieser Fragen geprüft werden. Hier sollte man die Rechtsprechung des BVerfG kennen, gerade weil es sich bei Art. 101 GG um eine eher wenig beachtete Norm handelt.
 
 
 
 

13.06.2012/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-06-13 10:09:352012-06-13 10:09:35BVerfG: Recht auf gesetzlichen Richter durch BGH-Besetzung nicht verletzt

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