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Schlagwortarchiv für: Gefahr

Marie-Lou Merhi

Ein Lied macht Schlagzeilen:  „L’amour toujours“

Aktuelles, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Uncategorized, Verschiedenes

Kann das Abspielen des Liedes „L’amour toujours“ verboten werden? Dieser Frage, die sich besonders für die mündliche Prüfung und das schriftliche Examen eignet, geht die Gastautorin Marie-Lou Merhi in diesem Beitrag nach. Marie-Lou studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist dort studentische Hilfskraft am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit.

Fast jeder hat es mitbekommen: Das Lied „L’amour toujours“des italienischen DJs und Musikproduzenten Gigi D’Agostino ist wieder in aller Munde. Doch nicht etwa, weil es mit über 440 Millionen Streams auf Spotify zu den bekannteren Liedern des Musikproduzenten gehört, sondern vielmehr, weil der Refrain des Songs mit der ausländerfeindlichen Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“versehen und öffentlichkeitswirksam gegrölt wurde. So zuletzt geschehen am Pfingstwochenende auf der deutschen Insel Sylt. Inzwischen ist das Video, das die dortigen Vorgänge festhält, in den sozialen Netzwerken und Medien viral gegangen und hat unter anderem eine Diskussion über ein Verbot des Liedes angefacht, um präventiv das Singen der ausländerfeindlichen Parole zu verhindern. Zu den Verfechtern eines solchen Verbots zählen beispielsweise die Veranstalter des Münchener Oktoberfestes (vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/wiesn-oktoberfest-l-amour-toujours-100.html, letzter Abruf am 4.6.2024). Anderer Ansicht hingegen ist Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die sich gegen ein solches Verbot auf Volksfesten wendet. Unter anderem führt sie an, es könne weder der Song noch dessen Produzent Gigi D’Agostino etwas dafür, dass das Lied für das Singen fremdenfeindlicher Parolen missbraucht werde. (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/sylt-skandal-claudia-roth-gegen-verbot-von-l-amour-toujours-19751607.html, letzter Abruf am 4.6.2024).

Es stellt sich die Frage, ob die für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden bereits das Abspielen des Liedes untersagen können, um dessen Missbrauch für ausländerfeindliche Parolen zu unterbinden. Diese Frage bietet sich als Klausurgegenstand gerade zu an. Ihre Antwort knüpft an einen Klassiker des Polizeirechts an: Das Institut des sogenannten Zweckveranlassers. Zweckveranlasser ist, wer eine Gefahr nur mittelbar verursacht hat, das heißt zurechenbar eine Ursache dafür gesetzt hat, dass andere unmittelbar die Gefahrenschwelle überschreiten (Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 80; BeckOK PolG NRW, OBG § 17 Rn. 10). Seinen Ursprung hat das Rechtsinstitut des Zweckveranlassers in einem Fall, in dem eine ähnliche belanglose Schnulze die zentrale Rolle spielt: Dem Borkumlied-Fall (Preußisches OVG, 14.5.1925 – III. A. 68/24, ProVGE 80, 176-195).

Im Jahr 1925 untersagte die Ordnungsbehörde der Kurkapelle im Nordseebad Borkum das Abspielen der traditionellen Melodie eines Marsches, um präventiv das Singen des antisemitischen „Borkumlieds“ zu unterbinden. Das preußische OVG entschied, dass die Polizei nicht gegen die Kapelle vorgehen dürfe, denn sie sei für die Störung durch das Singen des antisemitischen Liedes nicht verantwortlich. Bis heute entfachen in der Literatur Diskussionen darüber, ob die damalige Entscheidung richtig war (siehe dazu Eberl, Jus 1985, 257; Doerfert, JA 2003,  385, 389).

Auch 100 Jahre später ist die Erläuterung dieses Falls immer noch in fast jedem Lehrbuch zum Polizeirecht zu finden (bspw. Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 8; Schenke, Polizeirecht, § 4 Rn. 318; Möstl/Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht Nordrhein-Westfalen) und gilt als einer der Klassiker des Rechtsgebiets. Die aktuelle Debatte wird die juristische Relevanz des Falls wohl weiter steigern und bietet insbesondere für Examenskandidaten Anlass, die damit verbundene Rechtsfigur des Zweckveranlassers zu wiederholen.

Vor diesem Hintergrund soll dieser Beitrag erörtern, unter welchen Voraussetzungen ein Verbot des Abspielens des Liedes „L’amour toujours“ durch die Ordnungsbehörden materiell rechtmäßig wäre. Die Darstellung erfolgt anhand der geltenden Rechtsgrundlagen des Landes Nordrhein-Westfalens.

I. Taugliche Ermächtigungsgrundlage

Als Teil der Eingriffsverwaltung unterliegt das Polizei- und Ordnungsrecht dem strikten Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 III GG), sodass ein entsprechendes Verbot einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Soweit keine Spezialbefugnisse und keine Standardbefugnisse einschlägig sind, ist auf die ordnungsbehördliche Generalklausel nach § 14 I OBG NRW abzustellen. Gleichwohl kann je nach Fallgestaltung auch auf die polizeiliche Generalklausel nach § 8 I PolG NRW abzustellen sein.

II. Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

Es müsste eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegen. Als unbestimmte Rechtsbegriffe sind die Begriffe der Gefahr, der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung auslegungsbedürftig und voll auslegungsfähig. Eine Gefahr liegt bei einem Lebenssachverhalt vor, der bei ungehindertem Ablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den polizei- bzw. ordnungsrechtlichen Schutzgütern führen wird. (Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 61). Das Singen der Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ müsste somit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die öffentliche Sicherheit oder Ordnung schädigen.

1. Die öffentliche Sicherheit

Die öffentliche Sicherheit umfasst den „Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen.“ (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, BVerfGE 69, 315, 352).

a. Verstoß gegen § 130 I StGB

Die Kundgabe der Parole könnte eine Verletzung der objektiven Rechtsordnung darstellen. Von dieser sind alle materiellen Gesetze erfasst (Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 53).

Konkret in Betracht kommt ein Verstoß gegen § 130 I StGB, der die Volksverhetzung unter Strafe stellt.

aa. Auswirkung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG auf die Prüfung

Entscheidende Bedeutung hat bei der Frage der Strafbarkeit, ob derartige Parolen unter den Schutzbereich der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG fallen. Eine Meinung ist jedes Werturteil, gleichgültig, auf welchen Gegenstand es sich bezieht und welchen Inhalt es hat. Unerheblich ist ob sie öffentlich oder private Angelegenheiten betrifft, vernünftig oder unvernünftig, wertvoll oder wertlos ist (Kingreen/Poscher, § 13 Rn. 650). Die Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ ist als wertende Stellungnahme und damit als Meinung zu qualifizieren. Die Meinungsfreiheit findet gem. Art. 5 II GG ihre Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch § 130 I StGB zu zählen ist. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Meinungsfreiheit sind die allgemeinen Gesetze in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung ihrerseits wiederum einschränkend auszulegen (sog. Wechselwirkungslehre). Im Falle der Mehrdeutigkeit einer Äußerung ist bei der Gesetzesanwendung die dem sich Äußernden günstigere Deutung zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 7.11.2008 – 1 BvQ 43/08, BeckRS 2008, 40863 Rn. 21 zum Motto „gegen einseitige Vergangenheitsbewältigung! Gedenkt der deutschen Opfer!“; BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010 – 1 BvR 369, 370, 371/04, BeckRS 2010, 47951 zu „Aktion Ausländerrückführung – Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“ ; BVerwG, Urt. v. 25.6.2008 – 6 C 21/07, NJW 2009, 98 „Gedenken an Rudolf Hess“).

bb. Verstoß gegen § 130 I Nr. 1 StGB

Die Parole könnte den Straftatbestand des § 130 I Nr. 1 StGB erfüllen. Dafür müsste ein Aufstacheln zum Hass gegen Teile der Bevölkerung gegeben sein oder ein Auffordern zur Gewalt- oder Willkürmaßnahmen. Ein Aufstacheln zum Hass ist gegeben, wenn eine verstärkte, auf die Gefühle des Aufgestachelten gerichtete, über eine bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende Form des Anreizens zu einer emotional gesteigerten feindseligen Haltung vorliegt(OLG Brandenburg, Urt. v. 28.11.2001, NJW 2002, 1440, 1441; OVG Brandenburg, Beschl. v. 13.9.2002 – 4 B 228/02, LKV 2003, 102, 103). Ein Auffordern zu Gewalt und Willkürmaßnahmen liegt demgegenüber vor, wenn der Erklärende auf die Empfänger mit dem Ziel einzuwirken versucht, in ihnen den Entschluss hervorzurufen, derartige Maßnahmen gegen einen Teil der Bevölkerung zu ergreifen (BGH, 14.3.1984 – 3 StR 36/84, BGHSt 32, 310; Schönke/Schröder, § 130, Rn. 5b).

Durch die Aussage „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ kommt eine ausländerfeindliche Grundrichtung zum Ausdruck, die der für die freiheitliche demokratische Grundordnung grundlegenden Erwartung einer Toleranz der deutschen Bevölkerung gegenüber Ausländern widerspricht (so auch das BVerfG, Beschl. v. 7.4.2001 – 1 BvQ 17/01, NJW 2001, 2072, 2073, zu dem Motto der Kundgebung „Herren im eigenen Land statt Knechte der Fremde“). Allerdings sind ausländerfeindliche Äußerungen im StGB nicht schon als solche strafbewehrt (BVerfG, Beschl. v. 7.4.2001 – 1 BvQ 17/01, NJW 2001, 2072, 2073). Im Hinblick darauf, dass die Äußerung dem Grundsatz nach unter die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG fällt, ist die für den Äußernden günstigste Deutung zugrunde zu legen (dazu siehe oben Gliederungspunkt II.1.a.aa.).

Der Aufruf richtet sich pauschal an alle in Deutschland wohnhaften Ausländer und verlangt, dass sie ohne Ausnahme das Land verlassen, wobei Anknüpfungspunkt der Forderung allein die fremde Nationalität ist. Die Aussage kann somit so verstanden werden, dass Ausländern das Leben in der Gemeinschaft innerhalb Deutschlands abgesprochen werden soll (OLG Hamm, Urt. v. 2.11.1995 – 4 Ss 491/94, NStZ 1995, 136, 137 zu der Parole „Ausländer raus“).

In Abhängigkeit des streitgegenständlichen Kontextes, kann sie aber auch so verstanden werden, dass sie auf politische Ablehnung der bisherigen Migrationspolitik gerichtet ist und sich insoweit „nur“ auf die gegenwärtige Politik gegenüber Ausländern bezieht (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18.5.2010 – 14 K 5459/08, BeckRS 2010, 49994 zu der Parole „Deutschland den Deutschen“). Weiterhin ist eine Deutung in dem Sinne möglich, dass die Interessen des deutschen Staatsvolks denen der Ausländer vorangestellt werden sollen oder das lediglich Ängste und Vorbehalte der Bevölkerung zum Ausdruck gebracht werden. (AG Rathenow, Beschl. v. 13.4.2006 – 2 Ds 496 Js 37539/05 (301/05), NStZ-RR 2007, 341, 342 zu der Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“). Es ist somit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob die Parole bereits ein strafbewehrtes Aufstacheln gegen Teile der Bevölkerung oder gar eine Aufforderung zu Gewalt und Willkürmaßnahmen darstellt, oder als politische Meinungskundgabe anzusehen ist (siehe dazu OLG Brandenburg, Urt. v. 28.11.2001, NJW 2002, 1440, 1441: Das Gericht bejaht eine Strafbarkeit der Parole „Ausländer raus“ nach § 130 I Nr. 1 StGB unter anderen unter Berücksichtigung der Umstände, dass es in dem Ort bereits zu allgemein bekannten gewalttätigen Ausschreitungen gegen Ausländer gekommen war und zusätzlich die Parole „Sieg Heil“ gerufen wurde und ein Auftreten in Bomberjacken und Springerstiefeln erfolgte). Entscheidend ist, dass unter den gegebenen Umständen aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsbeobachters die Aussage nur dahin gedeutet werden kann, dass gegen Ausländer nicht nur Vorbehalte oder Ablehnung, sondern eine aggressive Missachtung und Feindschaft erzeugt oder gesteigert werden sollte. (OLG Brandenburg, Urt. v. 28.11.2001 – 1 Ss 52/01).

cc. Verstoß gegen § 130 I Nr. 2 StGB

Ähnliches gilt auch für die Verwirklichung des Tatbestands nach § 130 I Nr. 2 StGB. Ein Verstoß gegen die Menschenwürde macht erforderlich, dass der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird. Der Angriff muss sich gegen den die menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit, nicht lediglich gegen Persönlichkeitsrechte richten (BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010 – 1 BvR 369/04, JuS 2011, 88, 89; BVerfG, Beschl. 6.9.2000 – 1 BvR 1056/95, NJW 2001, 61, 63).

Auch insoweit muss die Mehrdeutigkeit einer Parole Beachtung finden, um zu einer über den reinen Wortlaut hinausgehenden Deutung zu gelangen, die im Kontext mit den konkreten Begleitumständen auf einen Menschenwürdeverstoß schließen lässt (BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010 – 1 BvR 369/04, NJW 2010, 2193 zu einem Plakat mit der Aufschrift: „Ausländerrückführung – Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“).

Ausgehend davon, dass für die Annahme eines Verstoßes gegen die Menschenwürde eine besonders sorgfältige Prüfung erforderlich ist, darf aus „der Pauschalität einer verbalen Attacke nicht ohne Weiteres auf ein Verächtlichmachen geschlossen werden, dass den Betreffenden ihre Anerkennung als Person abspricht.“ (BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010 – 1 BvR 369/04, NJW 2010, 2193).  Ohne das Hinzutreten konkreter Begleitumstände ist somit unter Zugrundelegung der für den Äußernden günstigere Deutung die Aussage „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ nicht als Verstoß gegen die Menschenwürde, der in Deutschland wohnhaften Ausländer zu sehen (dazu ausführlich AG Rathenlow, Beschl. v. 13.4.2006 – 2 Ds 496 Js 37539/05 (301/05), NStZ-RR 2007, 341, 342).

b. Zwischenergebnis

Ob ein Verstoß gegen § 130 I StGB vorliegt kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt von den konkreten Einzelfallumständen ab. Für das gefahrenabwehrrechtliche Einschreiten ist ein Verstoß auch nicht erforderlich, es muss lediglich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen § 130 I StGB (und damit gegen die öffentliche Sicherheit) bevorstehen. Entscheidend ist somit, ob nach allen zu erwartenden Begleitumständen aus Sicht eines objektiven Durchschnittsbeobachters eine Verwirklichung des § 130 I StGB naheliegt (siehe auch OVG Münster, Beschl. v. 22.6.1994 – 5 B 193/94, NJW 1994, 2909, 2910).

2. Öffentliche Ordnung

Fraglich ist, ob  die Parole für den Fall, dass die Schwelle der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Strafbarkeit noch nicht erreicht ist, gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Diese umfasst die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, BVerfGE 69, 315, 352). Gemeint sind Sozialnormen, die außerhalb eines Gesetzestatbestands liegen (Fencher, Jus 2003, 734; Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 55). Auch bei Prüfung der öffentlichen Ordnung ist die besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG zu berücksichtigen und damit eine restriktive Auslegung geboten. Ist eine geäußerte Meinung nicht strafbar, ist nur unter besonderen äußeren Umständen (beispielsweise aggressives oder einschüchterndes Verhalten) eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung anzunehmen. Durch die enge Fassung der Straftatbestände hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, im Übrigen grundsätzlich keinen Vorrang des Rechtsgüterschutzes gegenüber Meinungsäußerungen anzuerkennen (vgl. BVerfG, 7.4.2001 – 1 BvQ 17/01, BeckRS 2001, 30173985; BVerfG, Beschl. v. 24.3.2001 – 1 BvQ 13/01, NJW 2001, 2069) zu dem Begriff der „öffentlichen Ordnung“ bei § 15 VersG; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18.5.2010 – 14 K 5459/08, BeckRS 2010, 49994). Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung ist somit regelmäßig bei Verneinung der Strafbarkeit der Äußerung abzulehnen.

3. Zwischenergebnis

Bei der Frage, ob der Straftatbestand des § 130 I StGB verwirklicht ist, kommt es somit in einer Klausursituation auf den konkreten Sachverhalt an. Dieser ist vollumfänglich auszuschöpfen – entscheidend ist dann einen überzeugende Argumentation, die auf alle angeführten Begleitumstände eingeht! Insbesondere sollte der Klausurbearbeiter im Hinterkopf behalten, dass das BVerfG die Meinungsfreiheit als für die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes schlechthin konstituierend ansieht (BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257, 258) und nicht vorschnell einen Verstoß gegen § 130 I  StGB annehmen: Bei mehrdeutigen Äußerungen ist bei der Anwendung des Gesetzes, die dem sich Äußernden günstigste Deutung zugrunde zu legen!

III. Ordnungsgemäßer Adressat

Der Abspielende des Liedes müsste tauglicher Adressat des ordnungsbehördlichen Verbot sein. Das richtet sich nach §§ 17 bis 19 OBG NRW. Für das Verhalten von Personen regelt § 17 I OBG NRW die Verantwortlichkeit; demnach ist der richtige Adressat der ordnungsbehördlichen Maßnahme, derjenige der eine Gefahr verursacht.

1. Begriff  des „Verursachens“

Es kommt somit entscheidend darauf an, wie „verursachen“ im Sinne des § 17 I OBG zu verstehen ist. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln.

a. Ausgangspunkt: Conditio-sine-qua-non-Formel als notwendige aber nicht hinreichende Bedingung

Im Sinne einer systematischen Auslegung erscheint es naheliegend auf die im Zivil- und Strafrecht bekannte conditio-sine-qua-non-Formel abzustellen. Demnach ist ein Verhalten dann ursächlich, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg (hier: die Gefahr) entfiele (Dölling/Duttge/Rössner/Heinrich, Gesamtes Strafrecht, § 13 Rn. 19). Allerdings würde durch diese Formel der Adressatenkreis für ordnungsbehördliche bzw. polizeiliche Maßnahmen zu weit gefasst; es könnte gegen jede Person die in irgendeiner Weise kausal für die Gefahr wäre, eine ordnungsbehördliche bzw. polizeiliche Maßnahme und damit zumindest ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG erfolgen. Zudem wäre bei lebensnaher Betrachtung, die durch diese Theorie unüberschaubare Adressatenkette kaum zu ermitteln, was zu Rechtsunsicherheit führen könnte und wohl auch würde. Somit ist die Kausalität zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Adressatenstellung (Gusy/Eichenhofer, Polzei- und Ordnungsrecht, § 5 Rn. 334; Schenke, Polizeirecht, § 4 Rn. 313; Pietsch/Sommerfeld, JA 2022, 840, 842). Es bedarf weitere Einschränkungen, um dem Handelnden die Gefahr zurechnen zu können.

b. Einschränkung durch die Rechtswidrigkeitslehre

Als Einschränkung der Kausalität wird teilweise angeführt, ein „Verursachen“ könne nur dann vorliegen, wenn eine Person rechtliche Handlungs- oder Unterlassungspflichten verletze, das heißt rechtswidrig handele (Möstl/Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht NRW, § 4 Rn. 6). Handele die Person dagegen im Einklang mit der Rechtsordnung könne gegen sie keine Maßnahme gerichtet werden (sog. Rechtswidrigkeitslehre).

Die Abspielenden des Liedes handeln im Einklang mit der geltenden Rechtsordnung. Lediglich die Reaktion des Publikums führt gegebenenfalls zu einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Nach dieser Auffassung wären die Abspielenden des Liedes somit keine tauglichen Adressaten.

Diese Lehre lässt allerdings außer Acht, dass auch eine Person, die sich rechtmäßig verhält durch ihr Verhalten faktisch eine Gefahr verursachen kann. Eine effektive Gefahrenabwehr gebietet es, auch gegen rechtmäßiges Verhalten einschreiten zu können, welches eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung herbeiführt (Pietsch/Sommerfeld, JA 2022, 840, 845). Die Rechtswidrigkeitslehre ist somit abzulehnen.

c. Lehre der unmittelbaren Verursachung

Nach ganz herrschender Meinung hat derjenige eine Gefahr verursacht, der durch sein Verhalten selbst die konkrete Gefahr unmittelbar herbeigeführt und damit in eigener Person die Gefahrenschwelle überschritten hat (sog. Lehre der unmittelbaren Verursachung s. Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 79; BVerwG, Beschl. v. 12.4.2006 – 7 B 30.06, BeckRS 2006, 23702 Rn. 4). Derjenige, der das Lied abspielt,  verursacht dadurch nicht unmittelbar eine Gefahr. Eine solche kommt unter Umständen nur mittelbar aufgrund der Reaktion des Publikums durch das Singen ausländerfeindlicher Parolen in Betracht. Demnach würde ein ordnungsbehördliches Verbot des Abspielens des Liedes ausscheiden.

d. Modifikation der Unmittelbarkeitslehre durch die Rechtsfigur des Zweckveranlassers

Allerdings ist die Unmittelbarkeitslehre durch die Rechtsfigur des Zweckveranlassers modifiziert worden (Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577, 577). Demnach ist nach der gebotenen wertenden Betrachtung und, um die Effektivität der Gefahrenabwehr zu gewährleisten, auch derjenige Veranlasser,  der eine Gefahr nur mittelbar verursacht, sofern eine natürliche Einheit zwischen dem Handeln und der Gefahr besteht (BVerwG, Beschl. v. 12.4.2006 – 7  B 30.06, BeckRS 2006, 23072 Rn. 4).

e. Haftungsbegründung des Zweckveranlassers

Die besondere Verantwortungsnähe des Zweckveranlassers wird unterschiedlich begründet. Nach der subjektiven Theorie ist nur derjenige Zweckveranlasser, der beabsichtigt oder zumindest in Kauf nimmt, eine Sachlage hervorzurufen, die mit einer Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung einhergeht (Schenke, Polizeirecht, § 4 Rn. 316; BeckOK/Barczak, Polizei- und Ordnungsrecht NRW, OBG § 17 Rn. 12). Demnach käme es für ein Verbot des Abspielens des Liedes „L’amour toujours“ auf die Intention des Abspielenden an. Dieser müsste durch sein Verhalten das Singen fremdenfeindlicher Parolen verursachen wollen oder diese zumindest billigend in Kauf nehmen.

Demgegenüber stellt die objektive Theorie darauf ab, ob das Verhalten der Person bei objektiver Betrachtung typischerweise eine Gefahr zur Folge hat (Schenke, Polizeirecht, § 4 Rn. 316). Entscheidend wäre somit, ob das Abspielen des Songs „L’amour toujours“ typischerweise zu dem Singen strafbarer ausländerfeindlicher Parolen führt. Dies kann zumindest nicht pauschal angenommen werden. Zwar mögen sich die Fälle häufen, bei denen es zu derartigen Vorfällen kommt (siehe https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/lamour-toujours-sylt-lka-niedersachsen-faelle-100.html). Doch erscheint es fernliegend, dass das Abspielen des Liedes generell typischerweise zu ebendieser Folge führt. Entscheidend sind somit erneut die konkreten Umstände des Einzelfalls, unter anderem die Art der Veranstaltung und das zu erwartende Publikum. Sind bei bestimmten Veranstaltungen bereits in der Vergangenheit ausländerfeindliche Parolen geäußert worden oder handelt es sich um nationalistische oder rechtsextreme Zusammenkünfte liegt eine entsprechende Prognose zumindest nahe.

Merkposten: Sollten die beiden Theorien zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist an dieser Stelle ein Streitentscheid erforderlich! Gegen die subjektive Theorie spricht, dass es einer aufwendigen Motiverforschung des Handelnden bedürfte, die ein schnelles Handeln verhindern würde. Zudem ist das Polizei- und Ordnungsrecht auf die Beseitigung objektiv gegebener Störungs- und Gefahrenlagen ausgerichtet, wohingegen die Sanktion einer inneren Einstellung Aufgabe des Strafrechts ist (Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577, 578; Pietsch/Sommerfeld, JA 2022, 840, 844; Ebert, JuS 1985, 257, 262). Vorzugswürdig erscheint es somit, im Polizei- und Ordnungsrecht, das auch allgemein nicht vom Verschuldensprinzip ausgeht, der objektiven Theorie zu folgen.

2. Zwischenergebnis

Ob der Abspielende des Liedes als Zweckveranlasser Adressat eines ordnungsbehördlichen Verbots sein kann hängt somit vom konkreten Einzelfall ab. Der Klausurbearbeiter muss gegebenenfalls nach Ablehnung der subjektiven Theorie eingehend dazu Stellung nehmen, ob das Abspielen des Liedes nach objektiver Betrachtung typischerweise zu dem Singen ausländischer Parolen führt. Je nach dem zu welchem Ergebnis man kommt wäre das ordnungsbehördliche Verbot materiell rechtmäßig oder nicht.

III. Ergebnis

Insgesamt zeigt sich, dass an ein ordnungsbehördliches Verbot des Abspielens des Liedes „L’amour toujours“ hohe Hürden gestellt sind und die materielle Rechtmäßigkeit eines solchen Verbots vom konkreten Einzelfall abhängt. Bejaht man die materielle Rechtmäßigkeit des ordnungsbehördlichen Verbots, ist zudem zu beachten, dass § 14 I OBG NRW den Ordnungsbehörden auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen einräumt. Die Behörde müsste die Grenzen des Ermessens einhalten. Ermessensgrenze könnte vorliegend die Kunstfreiheit nach Art. 5 III 1 Var. 1 GG des Abspielenden sein. Dieser bringt mit dem Abspielen des Liedes dieses dem Publikum gegenüber zur Geltung und verbreitet es, sodass er eine unentbehrliche Mittelfunktion zwischen Künstler und Publikum wahrnimmt und sich damit auf die Kunstfreiheit berufen kann (dazu: BVerfG, Beschl. v. 3.11.2000 – 1 BvR 581/00, NJW 2001, 596 in Bezug auf das Abspielen des Liedes „Deutschland muss sterben“). Der Schwerpunkt der Klausur könnte folglich auch im Verfassungsrecht liegen und lediglich die Einkleidung des Falls im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht!

07.06.2024/15 Kommentare/von Marie-Lou Merhi
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Marie-Lou Merhi https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Marie-Lou Merhi2024-06-07 08:00:002024-06-08 11:02:45Ein Lied macht Schlagzeilen:  „L’amour toujours“
Gastautor

Einführungsbeitrag zum neuen Polizeigesetz in Brandenburg

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Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Daniel Dräger veröffentlichen zu können. Der Autor studiert an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und ist in Berlin in einer großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft tätig.
 

Terrorismusbekämpfung zwischen Pritzwalk und der Niederlausitz:

Ein Einführungsbeitrag zum neuen Polizeigesetz in Brandenburg

 

I. Hintergrund

Knapp zweieinhalb Jahre nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt vom 19. Dezember 2016 durch Anis Amri zieht Brandenburg als weiteres Bundesland[1] nach im Reigen um die größte Verschärfung der Polizeigesetze der letzten Jahrzehnte. Die teils noch nicht mal abgeschlossenen Anschlagsuntersuchungen durch Kontrollgremien[2], Sonderermittler[3]und Untersuchungsausschüsse[4] in NRW, Berlin sowie auf Bundesebene hatten ergeben, dass Lücken in der Sicherheitsarchitektur den Anschlag erst ermöglichten. Die Politik fand recht schnell die ultimative Lösung der Probleme: neue und tiefer eingreifende Befugnisse für Polizei und Nachrichtendienste. Den ersten Schritt machte – auch noch unter den zusätzlichen Eindrücken der Anschläge in Würzburg[5] und Ansbach[6]– Bayern 2017 mit einer Reform seines PAG, dessen Medienecho[7] weit über die Grenzen des Freistaats hinaus vernehmbar war.
Mit Gesetz vom 01.04.2019 (GVBI. I 2019, Nr. 3 S. 1) reformiert nun auch Brandenburg sein Polizeigesetz[8], um der laut Gesetzentwurf „angespannten Terror- und Gefährdungslage“[9] zu begegnen. Es ist gegenüber seinen süddeutschen Pendants in einigen Teilen abgemildert, erweitert aber die Befugnisse der Polizei- und Ordnungsbehörden gegenüber Bürgern trotzdem deutlich spürbar. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet dabei die wichtigsten, examensrelevanten Änderungen.
 
II. Was ist neu? Das Wichtigste in Kürze zuerst

  • neuer Abschnitt 1a (§§ 28a – 28e[10]) zur Abwehr von Gefahren des Terrorismus,
    Vorverlagerung von

    • Befragungsrecht & Auskunftspflicht
    • Identitätsfeststellung & erkennungsdienstlichen Maßnahmen
    • Ingewahrsamnahme bis zu 4 Wochen
    • erstmals überhaupt: die Aufenthaltsvorgabe
  • Ausweitung der Schleierfahndung
  • Meldeauflagen als Standardmaßnahme
  • Einsatz von Bodycams
  • neue formelle Rechtmäßigkeit für Observationen
  • Erweiterung der Öffentlichkeitsfahndung
  • erstmals Einsatz von Sprengmitteln

 
III. Was hat es nicht ins Gesetz geschafft?

  • kein Staatstrojaner/Online-Durchsuchungen, aber auf Bundesebene (§ 49 BKAG)
  • keine elektronische Fußfessel

 
IV. Die Reform im Detail
1. Abwehr der Gefahren des Terrorismus, §§ 28a ff.
Kernstück der Gesetzesreform sind die Ausweitung und Vorverlagerung der polizeirechtlichen Eingriffsbefugnis im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung. Der neue Abschnitt 1a (§§ 28a bis 28e) setzt niedrigschwellige, speziellere und damit vorgehende Eingriffsbefugnisse zu den Standardmaßnahmen der § 11 ff.
 
a) Geltungsbereich, § 28a Abs. 1
In § 28a Abs. 1 wird zunächst ein eigener Geltungsbereich für die nachfolgenden Befugnisse festgelegt. Darin wird die klassische Abwehr von (konkreten) Gefahren des Terrorismus und die Verhütung von Straftaten genannt. Zentraler Bezugspunkt ist dabei § 129a StGB der in seinen Abs. 1 und Abs. 2 StGB jenen Katalog terroristischer Straftaten ausrollt, auf den § 28a Abs.1 verweist; v.a. §§ 211 f. StGB, §§ 239a f. StGB oder §§ 306 ff. StGB. Die Taten müssen zudem dazu bestimmt sein, (Nr. 1) die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder (Nr. 2) eine Behörde/eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder (Nr. 3) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates, Landes oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen. Zusätzlich muss die Art der Begehung oder die Tatauswirkungen ein Staat, Land oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können. Erstaunlich ist hierbei, dass der brandenburgische Gesetzgeber für die Regelung des Anwendungsbereichs dynamisch auf eine Norm des StGB und damit des Bundesgesetzgebers verweist. Letzterer hätte es folglich in der Hand durch Gesetzänderung damit auch gleichzeitig das Landesrecht zu ändern, was im Lichte von föderal-abgegrenzter Gesetzgebungszuständigkeit, Gewaltenteilung, Wesentlichkeitsgrundsatz und Parlamentsvorbehalt kritisch zu sehen ist.[11]
 
b) Ausweitung der Eingriffsbefugnisse der §§ 11 ff., § 28b
In § 28b finden die Standardmaßnahmen der §§ 11 ff. eine Vorverlagerung bzw. Ausweitung. Die Rechtsvoraussetzungen der ersten drei Maßnahmenbündel sind gestuft. Absatz 3 Satz 2 setzt dann einheitlich die Voraussetzungen aller nachfolgenden Datenerhebungsmaßnahmen.
 

 
c) Aufenthaltsvorgabe und Kontaktverbot, § 28c
Die Aufenthaltsvorgabe enthält sowohl Maßnahmen des (allbekannten) Aufenthaltsverbots als auch des Aufenthaltsgebots, eine in Land wie Bund völlig neue Polizeimaßnahme. Zur Gefahrenabwehr oder Verhütung von § 28a-Straftaten kann einer Person untersagt werden, sich (ohne polizeiliche Erlaubnis) aus einem bestimmten Bereich (z.B. Wohn- oder Aufenthaltsort) zu entfernen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Person prognostisch in Zukunft eine § 28a-Straftat begehen wird. Die Prognose wird bejaht, wenn (a) bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen oder (b) das individuelle Verhalten der verdächtigen Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass die Person in Zukunft auf eine konkretisierte Art eine § 28a-Straftat begehen wird. Die nicht unerhebliche Eingriffsintensität des Aufenthaltsgebots wird teilweise[12]als unverhältnismäßig betrachtet.
Unter den gleichen Voraussetzungen kann die Polizei auch einer Person den Kontakt mit bestimmten Personen(-gruppe) untersagen (Kontaktverbot). Die Maßnahme steht unter Richtervorbehalt (Abs. 3) und ist auf den erforderlichen Umfang beschränkt (Abs. 4); max. 3 Monate möglich (+ Verlängerung). Zur besonderen Verschärfung trägt auch bei, dass die Zuwiderhandlung einer Anordnung des § 28c nach § 28e mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert wird.
 
d) Ingewahrsamnahme, § 28d
Wenn es unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung/Fortsetzung einer § 28a-Straftat zu verhindern, kann die Polizei eine Person in Gewahrsam (vgl. § 17) nehmen. Eine Zuwiderhandlung gegen die Aufenthaltsvorgabe oder das Kontaktverbot, durch die der Anordnungszweck gefährdet wird, kann hierfür bereits ausreichen.
 
2. Ausweitung der Schleierfahndung, § 12 Abs. 1 Nr. 6
Bisher galt, dass die Schleierfahndung nur in dem 30 km tiefen Korridor diesseits der deutsch-polnischen Bundesgrenze möglich war. Die Reform erweitert jetzt die Einsatzgebiete der Schleierfahndung um sämtliche Bundes- und Europastraßen sowie öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs (womit erstaunlicherweise laut Gesetzentwurf[13] Park-/Rastplätze und Autohöfe gemeint sind). Diese erhebliche Ausweitung einer Befugnis, die sich ausdrücklich des Wortlauts der vorbeugenden Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität zum Zweck gesetzt hat, wurde unter anderem mit der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung begründet. Dabei ist die zeitliche und örtliche Ausweitung europa- wie verfassungsrechtlich kritisch zu sehen. Dies schon deshalb, weil sie anlass- und verdachtslos auch Nichtstörer betrifft.
 
3. Meldeauflagen, § 15a
Bisher wurden Meldeauflagen, vor allem bei bekannten Hooligans mit Wiederholungsgefahr, stets auf die Generalklausel des § 10 Abs. 1 gestützt, was zumindest in Teilen der Literatur[14] durchaus kritisch gesehen wurde. Insofern ist die Einführung als Standardmaßnahmein das BbgPolG zunächst unkritisch zu sehen. Bedenklich ist jedoch die Absenkung der Voraussetzungsschwelle. Nunmehr ist die Meldeauflage nach Abs. 1 bereits zur Verhütung von Straftaten (ohne Anfangsverdacht oder Gefahr) zulässig. Kritisch zu sehen ist auch die zeitliche Grenze von einem Monat (sowie Verlängerung um je einen Monat, Abs. 2 S. 1 und 2).
 
4. Sicherstellung, § 25 Abs. 2
Die Pfändung von Forderungen und sonstigen Vermögensrechtenkann nun unter den Voraussetzungen des Abs. 1 (der dem § 25 a.F. entspricht),zur Sicherstellung angeordnet werden. Damit soll Buchgeld genauso sichergestellt werden können, wie Bargeld. Voraussetzung ist also z.B. die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr im Moment der Sicherstellung und für jeden nachfolgenden Moment der Sicherstellung (vgl. § 28 Abs. 1 S. 1). Die gegenwärtige Gefahr liegt nach h.L. und laut Gesetzentwurf[15] vor, wenn ein zu erwartender Schadenseintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in allernächster Zeit bejaht werden kann. Ob die Sicherstellung von Buchgeld wirklich ein geeignetesMittel ist, darf hinterfragt werden.
 
5. Einschränkung der Datenerhebung, § 29 Abs. 6
In § 29 Abs. 6 S. 1 wird die Erhebung von personenbezogener Daten für den Kernbereich privater Lebensgestaltung beschränkt. Damit wird die BVerfG-Rechtsprechung in Gesetzesform gegossen. Ausnahmen gelten für Betriebs- und Geschäftsräume sowie für Äußerungen und Handlungen mit unmittelbarem Bezug zu einer dringenden Gefahr.
 
6. Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen usw., § 31 Abs. 2
Neben der rein redaktionellen Änderung des S. 1 wurden die Speicherfristen in S. 3 deutlich ausgeweitet. Das bei der Beobachtung und Aufzeichnung öffentlicher Straßen und Plätze gespeicherte Material muss in Zukunft statt nach 48 Stunden erst nach zwei Wochen gelöscht werden. Die längere Datenspeicherung soll laut Gesetzesentwurf der Verfolgungsvorsorge dienen, was einige Stimmen[16] als repressiv-polizeiliche Maßnahme eher der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuordnen würden.
 
7. Erweiterte Datenerhebung durch Bodycams, § 31a
Schon bisher galt, dass die Polizei (zum Zwecke der Eigensicherung) bei Personen- oder Fahrzeugkontrollen Bild- und Tonaufnahmen und –aufzeichnungen (u.U. auch personenbezogene Daten von Dritten) durch den Einsatz technischer Mittel in Polizeifahrzeugen herstellen konnte. Nach dem neu gefassten Abs. 2 können nun auch Bild-/Ton- aufnahmen/-aufzeichnungen durch den Einsatz körpernah getragener technischer Mittel (Bodycams) herstellen. Voraussetzung ist, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamten/-innen oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit erforderlich ist. Eingeschränkt wird die Bodycam-Befugnis für befriedetes Besitztum das nicht Wohnzwecken dient, wie Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen. Hier sind Aufnahmen nur zulässig, wenn die Gefahr dringend ist. Gänzlich unzulässig sind Aufnahmen (1) in Wohn- und Nebenräumen sowie (2) in Bereichen zur Ausübung der Tätigkeit von Berufsgeheimnisträgern i.S.d. §§ 53, 53a StPO.
Die Maßnahme selbst stellt einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht dar und wird vor allem wegen des anlasslosen pre-recording (ein, sich nach je 60 Sekunden stetig automatisch überschreibender Bereitschaftsbetrieb im Zwischenspeicher) in Abs. 2 S. 4 bis 7 skeptisch gesehen. Kritisiert wird die Neuerung auch mangels vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Bodycams (Geeignetheit).[17] Die Löschungsfrist wurden zudem von einem Tag auf zwei Wochen merklich erweitert (Abs. 1 S. 4).
 
8. Verlängerte kurzfristige Observation & Verfahren bei längerfristiger Observation, § 32
Bisher galt für die voraussetzungsärmere kurzfristige Observation(§ 32 Abs. 4 S. 1) eine Höchstdauer von durchgehend 24 Stunden oder 2 (Kalender-)Tagen. Die Zeitgrenzen wurden erhöht auf 48 Stunden bzw. 3 Tage. In diesem Punkt wird das Brandenburger Polizeigesetz zum ersten Mal schärfer als sein süddeutschen Gegenstücke. Darüber hinaus wurde der längerfristigen Observation (§ 32 Abs. 1 S. 1) ein Richtervorbehalt eingefügt (bei Gefahr im Verzug durch den/die Behördenleiter/-in mit unverzüglicher richterlicher Bestätigung).
 
9. Formelle Rechtmäßigkeit bei der Datenerhebung nach §§ 33, 34 und 35
Relativ identisch werden die Verfahrensvorschriften des § 33 Abs. 2 (verdecktes Abhören, Fotografieren auf Filmen) des § 34 Abs. 2 (Einsatz von V-Leuten) sowie des § 35 Abs. 5 (Einsatz verdeckter Ermittler) neu geregelt. Alle drei Maßnahmen (der § 33-Einsatz nur, wenn durchgehend über 48h/3d) werden unter Richtervorbehalt gestellt bzw. dürfen nur noch bei Gefahr im Verzug durch den Behördenleiter (mit unverzüglich nachzuholender richterlichen Bestätigung) angeordnet werden.
 
10. Erweiterung der Öffentlichkeitsfahndung, § 44 Abs. 2
Personenbezogene Daten und Abbildungen einer Person können zur Ermittlung der Identität, des Aufenthaltsorts oder zur Warnung öffentlich bekannt gegeben werden. Die Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person muss dafür dringend sein und die Maßnahme unerlässlich (§ 44 Abs. 2 Nr. 1). Alternativ ist die Öffentlichkeitsfahndung zur Straftatverhütung möglich, wenn es sich um eine erhebliche Straftat (i.S.d. § 10 Abs. 3 S. 1) handelt und die Verhütung auf keine andere Weise möglich ist (§ 44 Abs. 2 Nr. 2). 
 
11. Weitere Änderungen in Kürze

  • die Grundrechtseinschränkungen in § 8 werden in Nr. 3 um die Versammlungsfreiheit ergänzt
  • die Definition der erheblichen Straftaten (jetzt nach § 100a Abs. 2 StPO) und der besonders schweren Straftaten (jetzt nach § 100c Abs. 2 StPO) des § 10 Abs. 3 S. 1 und 2 wird geringfügig verändert
  • das Verfahren zur Befragung nach § 11 Abs. 3 S. 3 wurde geringfügig geändert: Die Anordnung erfolgt nun durch den/die Behördenleiter/-in bzw. Vertretung
  • die formelle Rechtmäßigkeit wurde geringfügig geändert: für die Wohnungsüberwachung in § 33a Abs. 4 S. 7 und für die Überwachung der Telekommunikation in § 33b Abs. 5 S. 7
  • Dokumentationspflicht bei der automatischen Kfz-Kennzeichenfahndung, § 36a Abs. 1 S. 2, veränderte Berichtspflicht nach Abs. 3
  • erstmals ist der Einsatz von Explosivmitteln nach § 69 gegen Personen als unmittelbarer Zwang zur Terrorabwehr möglich, wenn die Angreifer Schuss- bzw. Kriegswaffen i.S.d. § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG gebrauchen, andere Mittel erfolglos sind und die Gefährdung Unbeteiligter ausgeschlossen werden kann.

 
Weitere Links zum Nachlesen und Nachhören

  • https://polizeigesetz.brandenburg.de/polg/de/was-hat-sich-geaendert%3f/
  • https://www.deutschlandfunk.de/neue-polizeigesetze-in-den-bundeslaendern-mehr-befugnisse.724.de.html?dram:article_id=444777
  • https://www.landtag.brandenburg.de/media_fast/5701/Stellungnahme%20Prof.%20Arzt%20Polizeigesetz%20%28003%29.pdf
  • https://www.amnesty.de/informieren/positionspapiere/deutschland-stellungnahme-zur-einfuehrung-einer-bodycam-durch-einen#_ftn6
    (zum Polizeigesetz in Sachsen)

[1]BY, B-W, HE, R-P, S-A und NRW haben bereits reformiert; in S wird es zum 1.1.2020, in NDS am 1.6.2019 in Kraft treten; in B, S-H und M-V diskutieren zurzeit; HH und SL planen noch; in BR wurde ein Gesetzentwurf abgelehnt; nur TH will nichts verändern.
[2]https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/125/1812585.pdf
[3]https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/weitere-informationen/abschlussbericht-bruno-jost.pdf
[4]https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/30-000-Menschen-protestieren-gegen-das-Polizeiaufgabengesetz-id51076681.html; https://www.nopagby.de/
[5]https://www.zeit.de/2016/31/anschlag-in-wuerzburg-islamischer-staat
[6]https://www.spiegel.de/panorama/bayern-explosion-in-ansbacher-innenstadt-ein-toter-a-1104496.html
[7]Kommentatoren sprechen sogar vom schärfsten Polizeigesetz seit 1945 (https://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/expertenrat/nocun/expertenrat-katharina-nocun-bayern-koennte-das-schaerfste-polizeigesetz-seit-1945-bekommen/21254002.html).
[8]https://www.landesrecht.brandenburg.de/dislservice/public/gvbldetail.jsp?id=8071; https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/03/polizeigesetz-brandenburg-landtag-abstimmung-linke-spd-schroeter.html
[9]Bbg-Drucks. 6/9821, Gesetzesentwurf d. LandesReg., S. 1
[10]Alle nachfolgenden §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BbgPolG.
[11]Weitere Kritikpunkte: Arzt in seiner Stellungnahme zur Reform des BbgPolG vom 7.1.2019, S. 24 ff.
[12]Klageschrift von Prof. Dr. Dr. Ino Augsberg an BayVerfGH zum BayPAG vom 26.03.2018, S. 59 ff.
[13]Bbg-Drucks. 6/9821, S. 7
[14]z.B. Behnsen, NordÖR 2013, 1/2 ff.; Trute, Verwaltung 2013, 537/545 ff.
[15]Bbg-Drucks. 6/9821, S. 11
[16]Arzt a.a.O., S. 13 f.
[17]Dazu auch Amnesty International zum Sächs. PolG unter B. II.: https://www.amnesty.de/informieren/positionspapiere/deutschland-stellungnahme-zur-einfuehrung-einer-bodycam-durch-einen#_ftn6
 
 

29.05.2019/1 Kommentar/von Gastautor
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-05-29 09:35:272019-05-29 09:35:27Einführungsbeitrag zum neuen Polizeigesetz in Brandenburg
Gastautor

Der Anti-Terror-Einsatz in Bremen aus polizeirechtlicher Sicht

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Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Julien Lindner veröffentlichen zu können.

In einer am Samstag veröffentlichten Pressemitteilung gab die Bremer Polizei bekannt, dass ihr seit Freitagabend Hinweise auf eine erhöhte Gefährdung durch islamistische Gewalttäter vorlagen (s. aktuelle Presse). Als Reaktion auf die gesteigerte Gefährdungslage hatte die Bremer Polizei verschiedene Schutzmaßnahmen ergriffen, die bundesweit für Aufmerksamkeit sorgten. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die ergriffenen polizeilichen Maßnahmen und deren rechtliche Voraussetzungen gegeben werden.
 I. Ingewahrsamnahme von Personen
Die Frage, ob die Polizei zur Gefahrenabwehr (präventiv) oder zur Strafverfolgung (repressiv) tätig wird, entscheidet nicht nur über den Rechtsweg (§ 23 EGGVG), sondern auch darüber, welche Ermächtigungsgrundlage für das polizeiliche Handeln in Betracht kommt. Die (vorläufige) Ingewahrsamnahme einer Person kann sowohl auf Polizeigesetze (etwa § 15 BremPolG) als auch auf die Strafprozessordnung (§§ 112, 127 StPO) gestützt werden. Ob das Schwergewicht vorliegend auf dem Gefahrenabwehr- oder auf dem Strafverfolgungszweck lag, war den Presseberichten nicht zu entnehmen. Letzteres könnte etwa durch einen Anfangsverdacht einer Strafbarkeit nach den neu geschaffenen §§ 89a, 89b, 91 StGB begründet sein, zumal diese Tatbestände die Strafbarkeit auf den Bereich der Vorbereitungshandlungen ausdehnen (und hierfür viel Kritik erfahren haben, s. etwa Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593). Zu denken ist insofern auch an § 129a StGB. Allerdings wurden entsprechende Straftaten in der Presse nicht erwähnt, sodass wohl eher von einer die Gefahrenabwehr bezweckenden Ingewahrsamnahme auszugehen ist. Diese findet ihre Grundlage in der Standardermächtigung des § 15 BremPolG. Der Tatbestand setzt zunächst das Bestehen eines Gewahrsamsgrundes voraus. Vorliegend ist dabei an den sog. Verhinderungsgewahrsam, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BremPolG, zu denken. Demnach darf die Polizei „eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies unerläßlich ist […] zur Verhinderung der unmittelbar bevorstehenden Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr, […]“. In Betracht kommt eine Begehung der o. g. Delikte sowie Körperverletzungs- und Tötungsdelikte. Unmittelbares Bevorstehen ist gleichzusetzen mit dem Begriff der gegenwärtigen Gefahr, das heißt der jederzeitigen Möglichkeit bzw. der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 11. Aufl. 2014, § 35 Rn. 7, § 8 Rn. 13). Der Tatbestand setzt zudem die Unerlässlichkeit der Ingewahrsamnahme für die Verhinderung voraus. Dem Merkmal fehlt eine konstitutive Wirkung, es geht vielmehr vollständig im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, namentlich dem Erforderlichkeitserfordernis, auf; es verdeutlicht die grundrechtliche Bedeutsamkeit der Ingewahrsamnahme, welche einen Eingriff in die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104 Abs. 1 (Freiheitsbeschränkung) bzw. Abs. 2 (Freiheitsentziehung) GG darstellt. Gem. § 16 BremPolG bedarf es einer unverzüglichen richterlichen Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung. Aus Art. 104 Abs. 2 S. 3 GG folgt darüber hinaus, dass jede präventivpolizeiliche Ingewahrsamnahme spätestes mit Ablauf des Tages nach der Ingewahrsamnahme enden muss (R. Schmidt, Bremisches Polizeigesetz, 2006, § 16 Rn. 2).
 II. Überprüfung und Beschattung von Personen
In der Pressemitteilung der Bremer Polizei war auch von Überprüfungen von Personen die Rede. Was damit gemeint ist, ist nicht ganz klar. Zu denken ist dabei zum einen an die Befragung von Personen sowie an Gefahrerforschungseingriffe, das heißt Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts zwecks Erhärtung eines Gefahrenverdachts. Zum anderen könnte hierunter auch die (vorübergehende) Observation von Personen zu verstehen sein. Richtige Ermächtigungsgrundlage für Gefahrerforschungseingriffe ist nach ganz herrschender Meinung die polizeirechtliche Generalklausel, hier: § 10 BremPolG (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2013, Rn. 86 ff.). Hiernach muss die Maßnahme notwendig sein, um „eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren“. In § 2 Nr. 3 lit. a BremPolG ist die Gefahr legal definiert als „eine Sachlage, bei der im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird“. Für den Gefahrerforschungseingriff soll dagegen bereits das Vorliegen eines Gefahrenverdachts genügen, also eine Sachlage in der eine Gefahr nach objektiven Anhaltspunkte lediglich möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich erscheint (R. Schmidt, Bremisches Polizeigesetz, 2006, § 10 Rn. 12, § 2 Rn. 63). Die öffentliche Sicherheit ist in § 2 Nr. 2 BremPolG legal definiert als „die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt“. Bei terroristischen Anschlägen dürfte die Verletzung jedes der genannten Schutzgüter in Betracht kommen. Hinsichtlich der oben unter I. genannten Straftaten ist an eine Verletzung der Rechtsordnung zu denken. Die körperliche Unversehrtheit von Personen unterfällt zudem dem Schutzgut der „subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen“. Bemerkenswert ist, dass selbst die Generalklausel das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzt. Die polizeilichen Maßnahmen in Bremen machen daher deutlich, dass die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière proklamierte „abstrakte hohe“ Gefahr nun doch eine konkrete geworden ist. Für die Befragung genügt gem. § 13 BremPolG bereits, dass „von der [befragten Person] Angaben zur Aufklärung eines Sachverhalts in einer bestimmten polizeilichen Angelegenheit erwartet werden können“. Sie ist abzugrenzen von der strafprozessualen informatorischen (Zeugen-)Befragung einerseits sowie der Vernehmung des Beschuldigten gem. §§ 163 f. StPO (setzt Anfangsverdacht voraus) andererseits.
Sofern mit Überprüfung eine Überwachung von Personen im Sinne einer Observation zum Zwecke der Gefahrenabwehr gemeint ist, findet diese ihre Ermächtigungsgrundlage in § 32 BremPolG. Was die formelle Rechtmäßigkeit einer Observation betrifft, sind in § 27 BremPolG grundsätzliche Anforderungen an eine präventivpolizeiliche Datenerhebung geregelt. Gem. § 32 Abs. 3 BremPolG darf die Polizei weniger als 24 Stunden dauernde Observationen (kurzfristige Observationen) durchführen, „soweit dies zum Zwecke der Gefahrenabwehr (§ 1 Abs. 1 [BremPolG]) erforderlich ist und wenn ohne diese Maßnahme die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe gefährdet würde“. Eine solche kurzfristige Observation wäre der hier naheliegende Fall. Die Formulierung in § 32 Abs. 3 BremPolG ist allerdings fragwürdig, da sie auf eine Aufgabenzuweisungsnorm verweist (R. Schmidt, Bremisches Polizeigesetz, 2006, § 32 Rn. 13). Jedenfalls erfüllt eine konkrete Gefahr (s. o.) diese Voraussetzung.
III. Durchsuchungen von Wohnungen und Vereinsgebäuden
Zunächst muss wiederum zwischen präventivem und repressivem Polizeihandeln unterschieden werden. Geht man wiederum davon aus, dass es für die Verfolgung von Straftaten vorliegend noch am erforderlichen Anfangsverdacht fehlt, so ist nicht auf § 102 StPO, sondern auf die Standardermächtigung für die Durchsuchung von Wohnungen, § 21 BremPolG, abzustellen. Hiernach darf die Polizei „eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn 
[…]
dies zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr erforderlich ist“. Durch das Voraussetzen einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, wird der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 13 GG Rechnung getragen. Bei einer gegenwärtigen Gefahr handelt es sich nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 3 lit. b BremPolG um „eine Sachlage, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht“. Erheblich ist gem. § 2 Nr. 3 lit. d BremPolG eine „Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit oder nicht unwesentliche Vermögenswerte“. Durchsucht wurde nach Mitteilung der Bremer Polizei auch das IKZ, ein islamisches Kulturzentrum. Fraglich ist, ob auch ein solches Vereinsgebäude im Lichte des Art. 13 GG als Wohnung i. S. d. § 21 BremPolG zu verstehen ist. Nach § 21 Abs. 1 S. 2 BremPoG umfasst die Wohnung „die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum“. Unter einem befriedeten Besitztum ist insbesondere ein bebautes Grundstück zu verstehen (vgl. Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 11. Aufl. 2014, § 35 Rn. 7, § 41 Rn. 8). Demnach stellt auch das Vereinsgebäude als befriedetes Besitztum eine Wohnung i. S. d. § 21 BremPolG dar. Für Wohnungsdurchsuchungen ordnet § 22 BremPolG abgesehen von Fällen von Gefahr im Verzug zudem einen Richtervorbehalt an.
 IV. Erhöhte Präsenz schwer bewaffneter Polizisten, insbesondere zum Schutz jüdischer Gemeinden
Fraglich ist, ob die erhöhte Polizeipräsenz überhaupt einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf, oder ob insofern das Bestehen einer gesetzlichen Aufgabenzuweisung an die Polizei (§ 1 BremPolG) genügt. Letzteres wäre nach allgemeiner Auffassung der Fall, sofern eine den Bürger rechtlich belastende Wirkung nicht besteht (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2013, Rn. 36). So liegt der Fall grundsätzlich bei der bloßen Präsenz von Polizisten im öffentlichen Raum, zum Beispiel bei Polizeistreifen. Gleichwohl könnte man hier aufgrund der schweren Bewaffnung und der hohen Zahl der Polizisten, die sich über längere Zeit an einem Ort aufhalten, an einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, der betroffenen Bürger, etwa der Anwohner, denken. Dann wäre wohl jedenfalls die Generalklausel des § 10 BremPolG als Ermächtigungsgrundlage einschlägig.

03.03.2015/0 Kommentare/von Gastautor
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-03-03 11:34:032015-03-03 11:34:03Der Anti-Terror-Einsatz in Bremen aus polizeirechtlicher Sicht
Dr. Jan Winzen

OVG Lüneburg: Bildaufnahmen von Polizeibeamten und Identitätsfeststellung

Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Verwaltungsrecht

Das OVG Lüneburg (11 LA 1/13) hat sich in zweiter Instanz mit Rechtsfragen aus dem Themenkomplex „Fotografieren von Polizeibeamten“ befasst.
A. Sachverhalt
Anlass des Verwaltungsrechtsstreits ist ein Geschehen, das sich im Januar 2011 im Zusammenhang mit einer Zwischenkundgebung im Rahmen einer angemeldeten Versammlung in Göttingen ereignete. Dabei kam es zu einem Zusammentreffen zwischen dem Kläger, seiner Begleiterin und zwei Polizeibeamten. Die Einzelheiten dieses Zusammentreffens sind streitig. Fest steht, dass der Kläger und seine Begleiterin durch Buttons an ihrer Kleidung als Angehörige der Interessengemeinschaft „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ zu erkennen waren. Unstreitig ist auch, dass der Kläger den Polizeibeamten für einige Minuten seinen Personalausweis aushändigte, während seine Begleiterin eine Kamera in Richtung der Polizisten hielt. Zwischen den Parteien streitig ist aber, ob tatsächlich Bildaufnahmen von den Polizisten gefertigt wurden und was mit etwaigen Aufnahmen hätte geschehen sollen. Der Kläger ist der Ansicht, es sei zu einer polizeirechtswidrigen Feststellung seiner Identität gekommen und begehrt insoweit nachträglich die Feststellung.
B. Rechtliche Würdigung
I. Zulässigkeit
In Rahmen der Zulässigkeit einer Klage wäre hier besonders die Statthaftigkeit zu problematisieren. In Betracht kommt eine allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) oder eine Fortsetzungsfeststellungsklage (analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ). Ob es im vorliegenden Fall tatsächlich zu einer (auf § 13 Abs. 1 und 2 Nds. SOG gestützten) Identitätsfeststellung in Form eines Verwaltungsakts kam, ist zwischen den Parteien streitig. Wäre dies der Fälle, müsste der Kläger die Rechtswidrigkeit dieser – noch vor Klageerhebung erledigten – Maßnahme im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage angreifen. Andernfalls wäre eine allgemeine Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses, statthaft.  Das OVG konnte die Frage letztlich offen lassen, da es das für beide Klagearten erforderliche qualifizierte Feststellungsinteresse als gegeben ansah (siehe zu den Fallgruppen des Fortsetzungsfeststellungsinteresses etwa hier). In dem erstinstanzlichen Urteil (1 A 14/11) heisst es hierzu:

Das für beide Klagearten gleichermaßen erforderliche schutzwürdige Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung ist gegeben. Ein solches Interesse besteht u. a. in den Fällen einer Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.03.2012 – 6 C 12/11 -, NJW 2012, 2676), die hier zu bejahen ist. Ob der Kläger daneben auch ein Rehabilitationsinteresse oder einen schwerwiegenden Grundrechtsverstoß geltend machen kann, kann dahinstehen.

In der Prüfungssituation müsste man sich vermutlich auf der Grundlage eines unstreitigen Sachverhalts für eine der beiden Klagearten entscheiden. In der mündlichen Prüfung kann man natürlich punkten, wenn man erkennt und begründet, dass die statthafte Klageart bei unklarer Tatsachenlage letztlich dahinstehen kann, da die Voraussetzungen für beide Ansätze gegeben sind.
II. Begründetheit
In der Begründetheit ist die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen zu prüfen.
1. Streitige Tatsachengrundlage
Bevor man in die Prüfung einsteigt, muss man sich überlegen, wie mit der Tatsache umzugehen ist, dass auf Grund des Sachverhalts nicht feststeht, ob es tatsächlich zu einer Identitätsfeststellung im Sinne des § 13 Abs. 1 und 2 Nds. SOG (als potentielle Ermächtigungsgrundlage) kam. In einer Klausur dürfte sich das Problem angesichts regelmäßig unstreitiger Sachverhalte (jedenfalls im ersten Examen) nicht stellen. Wie das OVG kann man die Maßnahme aber auch einfach auf der Grundlage des klägerischen Vortrags am Maßstab des § 13 Abs. 1 und 2 Nds. SOG messen und prüfen, ob die Voraussetzungen einer Identitätsfeststellung vorlagen.
2. Ermächtigungsgrundage
Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG). Dabei können sie zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere die betroffene Person anhalten, nach ihren Personalien befragen und verlangen, dass sie mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG).
3. Bestimmung des Gefahrbegriffs im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG
Zur Definition des Gefahrbegriffs kann im Anwendungsbereich des Nds. SOG auf eine Legaldefinition zurückgegriffen werden.
Nach § 2 Nr. 1 lit. 1 Nds. SOG ist „Gefahr“ definiert als eine konkrete Gefahr, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird.
Der Fall könnte freilich auch in einem Bundesland gestellt werden, dessen polizei- und ordnungsrechtliche Gesetzestexte keine Legaldefinitionen enthalten. Dann müsste man die gelernte (gleichlautende) Definition bemühen (siehe zu Standarddefinitionen im Polizei- und Ordnungsrecht hier). Maßgeblich für die Wahrscheinlichkeitsprognose ist im Übrigen das Urteil eines fähigen, sachkundigen und besonnenen Beamten aus der ex-ante Perspektive.
4. Gefahr der Begehung von Straftaten nach §§ 22, 23 KunstUrhG i.V.m. § 33 KunstUrhG
Gemessen an diesem Prüfungsmaßstab könnte eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form der Begehung einer Straftat nach § 33 KunstUrhG vorliegen. Danach macht sich strafbar, wer entgegen den §§ 22, 23 KunstUrhG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.
a) Bildnis im Sinne der §§ 22, 23 KunstUrhG
Zunächst müsste überhaupt ein Bildnis im Sinne der §§ 22, 23 KunstUrhG vorliegen (das Filmen und Fotografieren polizeilicher Einsätze ist im Grundsatz zulässig). Der Kläger bestreitet zwar, überhaupt Fotoaufnahmen gemacht zu haben. Hierauf kommt es aber nicht an, weil aus der maßgeblichen ex-ante Sicht der beteiligten Polizeibeamten davon auszugehen war:

Die daran beteiligten Polizeibeamten konnten im maßgeblichen Zeitpunkt der von ihnen getroffenen Maßnahme von der Gefahr der Begehung von Straftaten nach §§ 22, 23 KunstUrhG i.V.m. § 33 KunstUrhG durch den Kläger ausgehen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, erweckte das Verhalten des Klägers und seiner Begleiterin, die durch „Buttons“ an ihrer Kleidung als Angehörige der Interessengemeinschaft „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ zu erkennen waren, den Eindruck, Nahaufnahmen von den Polizeibeamten zu erstellen. Zwar hat der Kläger bestritten, selbst Aufnahmen gemacht zu haben. Das Verwaltungsgericht hat aber zu Recht entschieden, dass dem Kläger das Verhalten seiner Begleiterin, mit der er als “Beobachtungsteam“ aufgetreten sei und die auch nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung zumindest den Anschein erweckt habe, Videoaufnahmen von den Polizeibeamten zu machen, zuzurechnen sei.

b) Verbreiten oder öffentliches Zur-Schau-stellen entgegen §§ 22, 23 KunstUrhG
Fraglich ist weiter, ob die Fotos in einer gegen §§ 22, 23 KunstUrhG verstoßenden Weise veröffentlicht werden sollten. Maßgeblich ist auch insoweit wieder die ex-ante Sicht der beteiligten Polizeibeamten.
Während etwa eine Beschlagnahme von Fotografieren – wie das Gericht ausführt – nur gerechtfertigt wäre, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Lichtbilder entgegen den Vorschriften der §§ 22, 23 KunstUrhG unter Missachtung des Rechts von Polizeibeamten und/oder Dritter am eigenen Bild auch veröffentlicht werden, bedarf es für die vorgelagerte Maßnahme der Identitätsfeststellung, die das Gericht als Gefahrerforschungsmaßnahme qualifiziert, lediglich hinreichender Anhaltspunkte für die Gefahr einer Veröffentlichung (Gefahrenverdacht):

Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Sicherstellung von Foto- oder Filmmaterial bzw. ein Fotografier- oder Filmverbot, sondern um die einer solchen Maßnahme vorgelagerte Identitätsfeststellung. Gegenüber den Polizeibeamten haben der Kläger und seine Begleiterin angegeben, für die Interessengemeinschaft „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ tätig zu sein und die Aufnahmen dort verwenden zu wollen. Insofern lagen für die Polizeibeamten hinreichende Anhaltspunkte für die Gefahr vor, dass von ihnen gefertigte Nahaufnahmen öffentlich zur Schau gestellt, d.h. zumindest innerhalb der Gruppe oder sogar im Internet verbreitet werden könnten.

III. Fazit
Der dargestellte Grundfall bietet schon die Gelegenheit polizei- und ordnungsrechtliches Standardwissen (Fortsetzungsfeststellungsklage, Gefahrbegriffe) abzufragen (insoweit nochmal der Hinweis auf unseren Beitrag zu Standarddefinitionen). Besonders interessant wird der Themenkomplex allerdings erst, wenn man das Geschehen in dem Kontext einer jüngeren Entscheidung des BVerwG (6 C 12/11) sieht, die eine polizeiliche Untersagung von Fotoaufnahmen durch Presseorgane zum Gegenstand hatte (die Lektüre der Entscheidung ist dringend zu empfehlen, wir hatten dazu berichtet). Das BVerwG hat in diesem Urteil nämlich im Hinblick auf die gebotene Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit ausgeführt, die mit einer Bildaufnahme verbundene Möglichkeit einer gegen §§ 22, 23 KunstUrhG verstoßenden Veröffentlichung der Bilder müsse nicht notwendig immer auf der sog. ersten Stufe (durch ein Fotografierverbot) abgewehrt werden; dies könne vielmehr in vielen Fällen auch auf der sog. zweiten Stufe (des Gebrauchs der entstandenen Bilder), insbesondere durch eine ausreichende Verpixelung, geschehen.
Zur Anwendbarkeit dieser Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall hat das OVG sich wie folgt geäußert:

Abgesehen davon, dass der Kläger sich nicht auf die Pressefreiheit berufen kann, geht es im vorliegenden Fall auch (noch) nicht um eine Gefahrenabwehrmaßnahme auf der ersten Stufe wie z.B. ein Fotografier- bzw. Filmverbot, sondern – lediglich – um die einer möglichen weiteren polizeilichen Maßnahme vorgeschaltete Identitätsfeststellung. Der Auffassung des Klägers, dass das Verwaltungsgericht die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts falsch gewertet habe, kann daher nicht gefolgt werden.

Es liegt allerdings auf der Hand, dass man sich in einer Prüfungssituation (bei geringfügiger Abwandlung des Falls) mit diesen Fragen wird auseinandersetzen müssen. Wer die Rechtsprechung des BVerwG und die vorliegende Entscheidung des OVG kennt, dürfte insoweit allerdings keine Schwierigkeiten haben.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass Ausgangspunkt der Entscheidung ein Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung war. Dies ließe sich auch in der Klausur einbauen. Fallfrage wäre dann etwa:
Hat der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Erfolg?
Dies ist der Fall, wenn der Antrag zulässig und begründet ist. Gegen erstinstanzliche Urteile der Verwaltungsgerichte ist der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO statthaft (die Berufung selbst ist nach § 124 Abs. 1 VwGO nur dann statthaftes Rechtsmittel, wenn sie ausnahmsweise im Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen wurde). Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen lassen sich problemlos der Lektüre des § 124a Abs. 4 VwGo entnehmen. Der Antrag ist begründet, wenn ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Dabei ist dann vor allem § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu prüfen, wonach die Berufung zuzulassen ist, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Urteils bestehen, wenn das Urteil unrichtig ist. Dies ist der Fall, wenn die Klage zulässig und begründet war (vgl. auch § 128 Satz 1 VwGO). Dann ist man wieder im gewohnten Fahrwasser.
„„

02.07.2013/4 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-07-02 08:00:212013-07-02 08:00:21OVG Lüneburg: Bildaufnahmen von Polizeibeamten und Identitätsfeststellung
Zaid Mansour

VGH Baden-Württemberg: Zur „Gehsteigberatung“ für Schwangere

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Der VGH Baden-Württemberg hat entschieden, dass das gezielte Ansprechen von Frauen auf Schwangerschaft oder Abtreibung in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (sog. „Gehsteigberatung“) durch unbekannte Dritte weiterhin verboten bleibt  (Urteil vom 19.10.2012 – Az. 1 S 915/11). Die „Gehsteigberatung“ verletze aller Voraussicht nach das allgemeine Persönlichkeitsrecht der angesprochenen Frauen, so der VGH Baden-Württemberg.
Sachverhalt
Die Stadt Freiburg hat im zugrunde liegenden Fall dem Kläger (einem gemeinnützigen Verein) mittels einer sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung und unter Androhung eines Zwangsgeldes i.H.v. 250 €, verboten, in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle Personen auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen. Der Verein (Kläger) hat zunächst – ohne Erfolg – einstweiligen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung ersucht. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Klage im Hauptsacheverfahren ebenfalls abgewiesen. Der VGH bestätigte nunmehr – nachdem in der Berufungsverhandlung zahlreiche Zeugen angehört wurden – dieses Urteil.
Rechtliche Würdigung
Man wird zunächst bei der gutachterlichen (Begründetheits)Prüfung der Klage untersuchen müssen, auf welche Ermächtigungsgrundlage die Behörde ihre Untersagungsverfügung stützen konnte. Dabei sollte vorliegend nicht voreilig auf die polizeiliche bzw. ordnungsbehördliche Generalklausel rekurriert werden. Vielmehr sollte zunächst geprüft werden, ob entsprechende Vorschriften des Landesstraßenrechts einschlägig sind (die Landesstraßengesetze finden Sie hier). Nach Maßgabe der straßenrechtlichen Vorschriften kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Straßenbenutzung anordnen, wenn und soweit die Straße ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis benutzt wird (vgl. etwa § 22 Satz 1 StrWG NRW). Die landesrechtlichen Vorschriften des Straßenrechts legen fest, dass eine über den Gemeingebrauch der Straße hinausgehende Sondernutzung einer behördlichen Erlaubnis bedarf. Der Gemeingebrauch wird regelmäßig dahingehend definiert, dass der Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattet ist. Öffentliche Straßen sind nur Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen „Verkehr“ gewidmet sind (vgl. § 2 Abs. 1 StrWG NRW). Der klassische Verkehrsbegriff erfasst dabei nach allgemeinem Verständnis die Benutzung zum Zwecke der Ortsveränderung bzw. Fortbewegung von Menschen und Sachen, einschließlich des ruhenden Verkehrs. In Fußgängerbereichen umfasst dies auch sonstige verkehrsbezogene Nutzungen, wie etwa das bloße Herumstehen oder Ausruhen auf einer Bank. Allerdings wird nunmehr auch dem kommunikativen Aspekt des Gemeingebrauchs Rechnung getragen. Danach sind insbesondere Fußgängerzonen nicht nur zur Fortbewegung bzw. zum kurzzeitigen Verweilen bestimmt, sondern dienen auch dazu, Fußgängern die Möglichkeit zum Austausch und Verbreiten von Informationen und Meinungen zu geben. Das bloße Verteilen von Flugblättern und Ansprechen von Passanten wird dabei im Lichte von Art. 5 Abs. 1 GG generell als Gemeingebrauch gewertet. Gleiches gilt mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 GG für das Verbreiten religiöser bzw. weltanschaulicher Schriften und Missionierungstätigkeiten. Eine erlaubnispflichtige Sondernutzung wird hingegen regelmäßig bejaht, wenn die Leichtigkeit und Sicherheit des Fußgängerverkehrs etwa durch das Aufstellen von Schildern oder sonstigen Hindernissen beeinträchtigt wird oder wenn mit dem Verteilen von Flugblättern gewerbliche Zwecke verfolgt werden. Vorliegend dürfte das Verhalten des Klägers noch dem kommunikativen Verkehr und damit dem Gemeingebrauch zuzurechnen sein, sodass straßenrechtliche Eingriffsbefugnisse nicht einschlägig sind.
Bei der sodann anstehenden Prüfung der polizei- bzw. ordnungsbehördlichen Generalklausel kommt es zunächst primär darauf an, ob das dem Kläger zurechenbare Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Eine Gefahr liegt bei einem Lebenssachverhalt vor, der bei ungehindertem Ablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an polizeirechtlich geschützten Gütern führt.  Der Gefahrenbegriff setzt eine Prognose im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und der zeitlichen Nähe des Schadenseintritts voraus, wobei das zu erwartende Schadensausmaß Berücksichtigung finden muss.  Dabei gilt: Je größer das Ausmaß des Schadens, umso geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit und die zeitliche Nähe des Schadenseintritts zu stellen. Maßgeblich ist dabei die ex-ante Perspektive eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Beamten. Die öffentliche Sicherheit umfasst drei Schutzgüter: den Schutz von Individualrechten, den Schutz der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung und den Schutz des Bestandes und der Veranstaltungen des Staates und anderer Hoheitsträger.

Zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zähle auch das durch das Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Die gezielte Ansprache auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation durch unbekannte Dritte auf der Straße verletze das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen. In der Frühphase der Schwangerschaft befänden sich die meisten Frauen in einer besonderen seelischen Lage, in der es in Einzelfällen zu schweren Konfliktsituationen komme. Diesen Schwangerschaftskonflikt erlebe die Frau als höchstpersönlichen Konflikt. Diese Situation begründe ein hohes Schutzniveau für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Frauen hätten daher gerade in dieser Lebensphase ein Recht darauf, von fremden Personen, die sie auf der Straße darauf ansprächen, in Ruhe gelassen zu werden. Die für den Kläger tätige Gehsteigberaterin missachte mit der gezielten Ansprache auf eine Schwangerschaft das Persönlichkeitsrecht der Frauen. Erschwerend komme hinzu, dass die Ansprache in der Öffentlichkeit auf einer belebten Straße und in einer für unbeteiligte Dritte wahrnehmbaren Weise erfolge. Dies hätten zahlreiche Zeuginnen bestätigt. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts werde noch weiter verstärkt durch die den angesprochenen Frauen angebotenen Faltblätter mit teilweise einschüchternden und verstörend wirkenden Bildern von Föten und Teilen von Föten.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bedarf es sodann einer Abwägung zwischen den sich im konkreten Fall gegenüberstehenden Grundrechtspositionen. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts:

Der Kläger könne sich nicht auf den grundgesetzlichen Schutz der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) berufen. Denn die „Gehsteigberatung“ ziele allein auf eine individuelle Kommunikation mit Einzelpersonen. Im Rahmen der Abwägung müsse auch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) des Klägers im konkreten Fall gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Frauen zurücktreten. Denn auch bei einem Thema von besonderem öffentlichen Interesse wie dem eines Schwangerschaftsabbruchs schütze das Recht auf Meinungsfreiheit keine Tätigkeiten, mit denen anderen eine bestimmte Meinung aufgedrängt werden solle. Gerade hierauf ziele aber die Gehsteigberatung ab. Die Meinungsfreiheit des Klägers und seiner Mitglieder werde durch das Verbot der „Gehsteigberatung“ ferner nicht unverhältnismäßig beschränkt. Denn außerhalb der Humboldtstraße bleibe die Gehsteigberatung möglich. Eine allgemeine Kritik an der Möglichkeit der Abtreibung könnte darüber hinaus – ohne eine gezielte Ansprache von möglicherweise schwangeren Frauen – auch in der Humboldtstraße geäußert werden. Weiterhin komme dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen Vorrang auch gegenüber dem durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Klägers zu.
Das Einschreiten der Stadt sei auch im öffentlichen Interesse geboten, da eine unbestimmte Vielzahl schwangerer Frauen von der mit der „Gehsteigberatung“ einhergehenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen sei. Eine zeitnahe wirkungsvollere Abwehr der Beeinträchtigungen sei nicht zu erreichen. Schließlich leide die Untersagungsverfügung an keinen Ermessensfehlern.

Examensrelevanz
Die vorliegende Entscheidung ist geradezu prädestiniert, um in naher Zukunft in schriftlichen und/oder mündlichen Examensprüfungen abgefragt zu werden. Ihr kann mithin eine äußerst hohe Examensrelevanz beigemessen werden. Der Fall lässt sich verwaltungsprozessual wunderbar einbetten (vor allem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes; s. dazu hier). Das erforderliche polizeirechtliche Standardwissen, die vorliegend bei der rechtlichen Würdigung ebenfalls heranzuziehenden grundrechtlichen Erwägungen sowie die Aktualität des Falles, dürfte einige Prüfer sicherlich dazu verleiten den Sachverhalt in naher Zukunft abzuprüfen.

23.10.2012/4 Kommentare/von Zaid Mansour
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-10-23 14:22:072012-10-23 14:22:07VGH Baden-Württemberg: Zur „Gehsteigberatung“ für Schwangere
Dr. Christoph Werkmeister

BVerwG: Bierbike ist kein Gemeingebrauch

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Verwaltungsrecht

Kürzlich entschied das BVerwG mit Urteil vom 28.08.2012 (Az. BVerwG 3 B 8.12) über die hoch examensrelevante Frage, ob der Betrieb von sog. Bierbikes noch dem straßen- und wegerechtlichen Gemeingebrauch unterfällt oder ob dies unter die grundsätzlich erlaubnispflichtige Sondernutzung fällt.
Was war nochmal ein Bierbike?
Das BVerwG führte in seiner Entscheidung noch einmal prägnant für alle Uneingeweihten die Charakteristika eines Bierbikes aus:

Die von der Klägerin vermieteten „BierBikes“ sind vierrädrige Fahrzeuge mit einer Länge von rund 5,30 m, einer Breite von etwa 2,30 m und einer Höhe von ca. 2,70 m. Das Leergewicht beträgt rund 1 000 kg. Ein solches „BierBike“ bietet Platz für bis zu 16 Personen. Jeweils bis zu sechs Personen können auf Hockern an den beiden Längsseiten eines in der Mitte des Fahrzeugs angebrachten Tisches sitzen. Bis zu drei Personen finden Sitzmöglichkeiten auf einer Bank am Heck des Fahrzeugs. Gelenkt und gebremst wird das „BierBike“ von einem von der Klägerin gestellten Fahrer, der mit Blick in Fahrtrichtung im Frontbereich des Fahrzeugs sitzt. Das „BierBike“ ist mit einem Bierfass mit einem Fassungsvermögen von bis zu 50 Litern, einer Zapf- sowie einer Musikanlage ausgestattet. Angetrieben wird das Gefährt durch Pedale mit Freiläufen, die von bis zu zehn der an den Längsseiten sitzenden Benutzern bedient werden; die Fahrtgeschwindigkeit beträgt rund 6 km/h. Die Klägerin bietet ihre „BierBikes“ im Internet für jeden Anlass, z.B. Städtetouren, Firmen- und Abteilungsfeiern oder private Feiern aller Art an.

Die Entscheidung
Der Leitsatz der Entscheidung des BVerwG lautet:

Der Betrieb eines „BierBike“ auf öffentlichen Straßen ist straßenrechtlich dann nicht mehr Gemeingebrauch, sondern eine erlaubnispflichtige Sondernutzung, wenn eine Gesamtschau der äußerlich erkennbaren Merkmale aus der Perspektive eines objektiven Beobachters ergibt, dass es vorwiegend nicht zur Teilnahme am Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt wird.

Hiermit wird die bisher vom OVG Münster und vom VG Düsseldorf vertretene Rechtsauffassung zementiert. Wir berichteten bereits über diese Entscheidungen, so dass an dieser Stelle lediglich auf die älteren Beiträge verwiesen wird (s. instruktiv und ausführlich hier und überblicksartig hier).
Examensrelevanz
Die Bierbike-Entscheidungen liefen bereits 1:1 ohne großartige Abwandlungen im zweiten Staatsexamen in NRW. Aufgrund der neuen Entscheidung des BVerwG, die sicherlich bald auch in den gängigen Fachzeitschriften veröffentlicht wird, erlangt das Thema erneut Relevanz und wird sicherlich dem einen oder anderen Klausurersteller in den Justizprüfungsämtern (im Hinblick auf das erste sowie das zweite Staatsexamen) auffallen. Aus diesem Grunde sei es jedem Examenskandidaten angeraten, sich (noch einmal) ausführlicher mit der – durchaus überzeugenden – Argumentation der Gerichte zu diesem straßenrechtlichen Aspekt auseinander zu setzen.

13.10.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-10-13 07:22:002012-10-13 07:22:00BVerwG: Bierbike ist kein Gemeingebrauch
Dr. Christoph Werkmeister

VGH Mannheim zum Glasverbot am Bodenseeufer

Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung

Der VGH Mannheim hatte sich vor Kurzem mit der rechtlichen Haltbarkeit einer ordnungsrechtlichen Gefahrenverordnung auseinanderzusetzen (Urteil v. 26.07.2012 – 1 S 2603/11). Derartige Prüfungsaufträge waren in letzter Zeit öfter im Fokus der deutschen Oberverwaltungsgerichte, so dass die Grundzüge des Problemkreises unbedingt beherrscht werden müssen. Wir berichteten bereits zu diesem Thema im Kontext von Alkoholverboten auf öffentlichen Plätzen (s. dazu hier).
Sachverhalt
Im Sachverhalt, den der VGH Mannheim nun zu entscheiden hatte, ging es um eine auf Ordnungsrecht basierende Verordnung, wonach das Mitführen zerbrechlicher Behältnisse am Bodensee verboten war, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar war, dass deren Inhalt beim dauerhaften Verweilen konsumiert werden sollte. Die Verordnung galt für die Abend- und Nachtstunden an drei Abschnitten des Bodenseeufers und des Rheinufers. Mit ihr wollte die Stadt den Verletzungen vorbeugen, die Besucher sich durch umherliegende Scherben zuziehen können.
Entscheidung
Der Erlass einer polizei- oder ordnungsrechtlichen Gefahrenverordnung erfordert indes nach dem jeweils einschlägigen Landesrecht das Vorliegen einer abstrakten Gefahr. Die Schwelle zu einer solchen Gefahr ist erst dann überschritten, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das verbotene Verhalten regelmäßig und typischerweise erhebliche Rechtsgutverletzungen zur Folge hat.
Das sei vorliegend nach dem VGH Mannheim nicht der Fall. Zwar stehe außer Zweifel, dass von Glas- und Porzellanscherben ein gewisses Risiko ausgehe. Es habe sich indes nicht feststellen lassen, inwieweit es in dem betroffenen Gebiet in der Vergangenheit zu entsprechenden Schnittverletzungen gekommen sei. Es fehle an einer nachvollziehbaren Statistik oder auch nur Hochrechnung. Die Stadt Konstanz habe nicht belegen können, dass es nach Erlass mehrerer jeweils auf einen Monat befristeter Verordnungen in der Vergangenheit zu einem Rückgang der Verletzungen gekommen sei. Ebenso wenig sei der von ihr behauptete Anstieg des Scherbenaufkommens nach Auslaufen der einmonatigen Verordnungen nachgewiesen. Die wenigen aktenkundigen Verletzungen stellten sich daher als Einzelfälle dar.
Der VGH betonte in seiner Entscheidung, dass reine Vorsorgemaßnahmen durch die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Gefahrenverordnungen nicht gedeckt seien. Die Exekutive dürfe das besondere Mittel der Verordnung nur zur Abwehr polizei- und ordnungsrechtlicher Gefahren einsetzen. Im Bereich der Gefahrenvorsorge sei es demnach aber allein Sache des Gesetzgebers (und gerade nicht der Exekutive) Risiken zu bewerten und zu bewältigen.

11.08.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-08-11 09:20:172012-08-11 09:20:17VGH Mannheim zum Glasverbot am Bodenseeufer
Dr. Marius Schäfer

OVG Hamburg: Zurückweisung der Beschwerde des FC St. Pauli bzgl. des Verbots des Verkaufs von Eintrittskarten an Fans des FC Hansa Rostock

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht

1.  Vorüberlegungen
Der hier im Rahmen eines Eilverfahrens thematisierte Beschluss des OVG Hamburg vom 16.04.2012 (Az.: 4 Bs 78/12) befasst sich mit einer gängigen Fallgestaltung im Bereich des Polizei- und Ordnungsrechtes hinsichtlich der von als „gewaltbereit“ bezeichneten Fußballfans ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Eine Examensrelevanz beinhaltet dieser Beschluss aber nicht zuletzt auch deshalb, da das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, auf den diese Beschwerde des FC St. Pauli abzielt, regelmäßig in Prüfungen wiederzufinden ist.
2.  Sachverhalt (verkürzt)
Am 22.04.2012 sollte in Hamburg (Millerntor-Stadion) das mit Spannung erwartete Fußballspiel der 2. Fußballbundesliga zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Hansa Rostock stattfinden. Nicht nur die sportliche Brisanz dieser Partie, sondern auch die seit Jahren verfestigte und ausgeprägte „Feindschaft“ der Fangruppen dieser beiden Vereine, welche in den vergangenen Jahren immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen dieser Gruppierungen untereinander sowie auch mit der Polizei führte, ließ nunmehr abermals vermuten, dass es bei diesem sog. „Hochrisikospiel“ zu erneuten Ausschreitungen kommen könnte. Von daher erließ die zuständige Behörde, mit Schreiben vom 01.03.2012, ein sog. polizeiliches Verbot gegenüber dem FC St. Pauli, welches das Verbot der sonst üblichen Abgabe von Eintrittskarten an den Gastverein zum Inhalt hatte. Zudem wurde die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet.
Gegen dieses Abgabeverbot (Untersagungsverfügung) legte der FC St. Pauli Widerspruch ein und beantragte außerdem am 16.03.2012 beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 V 1 Alt.2 VwGO. Noch während des erstinstanzlichen Eilverfahrens erfolgte am 21.03.2012 die erneute Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde, mitsamt einer hierauf bezogenen, ausführlichen Begründung. Schließlich lehnte das Verwaltungsgericht aber den Antrag des FC St. Pauli zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab (Beschluss vom 02.04.2012), sodass sich der Fußballverein mit einer Beschwerde i.S.d. §§ 146 ff. VwGO an das OVG Hamburg gewendet hat.
3.  Lösung
Die Beschwerde ist nach § 146 I VwGO die statthafte Antragsart, wenn diese gegen eine streitentscheidende Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gerichtet ist, welche aber nicht in einem Urteil oder einem Gerichtsbescheid, sondern vielmehr u.a. in einer Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 80 V VwGO besteht (Hufen, Verwaltungsprozessrecht; § 42, Rn.4). Insofern bezieht sich die Beschwerde des FC St. Pauli auf die Ablehnung ihres Antrages auf die Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung, durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Eilverfahren nach § 80 V 1 Alt.2 VwGO. Das OVG entscheidet gem. § 150 VwGO über die Beschwerde durch einen Beschluss und prüft die angefochtene Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (Schenke, Verwaltungsprozessrecht; Rn. 1150) auf deren Rechtswidrigkeit und ob diese den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt (Hufen, Verwaltungsprozessrecht; § 42, Rn.7). Dabei kommt dem Beschwerdegericht im gleichen Maße eine Ermessensentscheidungsbefugnis zu wie auch der Vorinstanz (Kopp/Schenke, VwGO; § 150, Rn.1). Ist die Beschwerde unzulässig, so wird diese verworfen, während eine Zurückweisung derselben stattfindet, soweit diese unbegründet ist (Hufen, Verwaltungsprozessrecht; § 42, Rn.9).
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein eingelegter Widerspruch, wie der des FC St. Pauli gegen die vorliegende Unterlassungsverfügung, nach § 80 I 1 VwGO grundsätzlich den sog. „Suspensiveffekt“ herzustellen vermag. Da jedoch die zuständige Gefahrenabwehrbehörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat, ist die aufschiebende Wirkung nach § 80 II Nr.4 VwGO vorliegend entfallen. Der Antrag im erstinstanzlichen Eilverfahren des FC St. Pauli richtete sich insofern auf die Wiederherstellung dieser aufschiebenden Wirkung nach § 80 V 1 Alt. 2 VwGO. Das Verwaltungsgericht hatte sodann zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung fehlerhaft war bzw. ob sich im Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage feststellen lässt, dass das private Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung überwiegt. Letzteres ist i.d.R. dann der Fall, wenn sich der zugrunde zulegende Verwaltungsakt (VA) als rechtswidrig erweist, da an dem sofortigen Vollzug eines rechtswidrigen VA kein öffentliches Interesse bestehen kann.
Vor diesem Hintergrund stellte das OVG Hamburg fest, dass die Vollziehungsanordnung rechtmäßig ergangen ist. In Bezug auf die Begründungspflicht der Vollziehungsanordnung nach § 80 III 1 VwGO ließ das Verwaltungsgericht ausdrücklich offen, ob das am 21.03.2012 erfolgte Nachschieben einer (ausführlichen) Begründung überhaupt zulässig ist. Jedenfalls sei aber durch die erneute Anordnung der sofortigen Vollziehung am 21.03.2012 eine neue Vollziehungsanordnung i.S.d. § 80 II Nr.4 VwGO erlassen worden, die den Anforderungen des § 80 III 1 VwGO vollumfänglich gerecht wurde.
In materiell-rechtlicher Hinsicht, bezogen auf die zugrunde zu legende Untersagungsverfügung (VA i.S.d. § 35 1 VwVfG), folgte das OVG Hamburg der Vorinstanz und führte dabei aus, dass bei der summarischen Prüfung im Eilverfahren eine Folgenabwägung streitentscheidend sei. Im vorliegenden Fall sei zunächst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 3 I Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) gegeben, da beim Aufeinandertreffen der jeweiligen Fangruppierungen anlässlich des Fußballspieles vom 22.04.2012 mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen wäre, dass es zu „schweren Ausschreitungen und in deren Folge zu Verletzungen von Personen und zu Sachschäden kommen werde“. Diese Annahme sei deswegen zu erwarten, da sich in der Vergangenheit ein derartiges Muster eines solchen Verhaltens herausgebildet habe, was durch Verlaufsberichte der Polizei und insbes. durch sog. szenekundige Beamte (SKB) ausreichend dokumentiert wurde. Im Hinblick auf die vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen sei außerdem zu berücksichtigen, dass in unmittelbarer Nähe zum Stadion ein Volksfest („Hamburger Dom“) stattfinde, welches v.a. von Familien stark frequentiert sei. Demgegenüber solle allerdings zu beachten sein, dass der FC St. Pauli durch die Statuten der DFL dazu verpflichtet ist, ein Kartenkontingent von 10 % für die Gästefans zu reservieren. Auch dürfe das Interesse der (friedlichen) Gästefans auf Besuch des Fußballspieles nicht unberücksichtigt bleiben. Wägt man die hier gegenüberstehenden Interessen miteinander ab, so lasse sich feststellen, dass das Fußballspiel auch trotz der Untersagungsverfügung stattfinden könne und ein wirtschaftlicher Schaden des FC St. Pauli nicht entscheidend ins Gewicht falle, sodass die Interessen des Vereines, unter Heranziehung des Prognosespielraumes der Behörde, gegenüber dem öffentlichen Interesse an dem Schutz der Öffentlichen Sicherheit zurücktreten müsse.
Deutlich wird hier also, dass das OVG Hamburg die Ermessensentscheidung der Behörde nach § 3 I SOG gerade im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überprüft. Wenngleich das OVG Hamburg die getroffene Maßnahme als verhältnismäßig ansieht, so ist es aber dennoch fraglich, ob der FC St. Pauli hier überhaupt in Anspruch genommen werden durfte, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwenden, da die Gefahr de facto von den gewaltbereiten Fans der beiden Fußballvereine ausgeht, nicht jedoch vom Fußballverein FC St. Pauli. Ob der Veranstalter des Fußballspieles ein „Sonderrisiko“ schaffe oder gar als sog. „Zweckveranlasser“ anzusehen sei, lässt das OVG jedoch ausdrücklich offen. Jedenfalls könne der FC St. Pauli nach § 10 I SOG als sog. „Nichtstörer“ in Anspruch genommen werden, wobei dann insbes. eine „unmittelbar bevorstehende Gefahr“ zu verlangen sei. Aufgrund des nicht gerade geringen Zeitraumes zwischen der Untersagungsverfügung und dem Fußballspiel, sowie aufgrund eines gesteigerten Maßes bzgl. der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes erscheint die Annahme einer „unmittelbar bevorstehenden Gefahr“ allerdings insoweit nicht ganz unproblematisch. Diese sowie die vorangestellte Problematik sei allerdings nicht in einem derartigen Eilverfahren zu entscheiden, da das Gericht im Eilverfahren ausschließlich eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage vorzunehmen habe. Ebenso müsse in diesem Eilverfahren offen bleiben, ob es tatsächlich zutreffen könnte, dass die Polizei die Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung i.S.d. § 10 I SOG nicht durch ausreichend eigene Kräfte und Mittel („polizeilicher Notstand“) sicherzustellen vermag.
Letztlich erscheint es jedoch auch fraglich, ob die Unterlassungsverfügung überhaupt geeignet ist, die Gefahr tatsächlich abzuwenden, da das OVG Hamburg der Meinung ist, dass trotz des Kartenabgabeverbotes eine erhebliche Anzahl an durchaus auch gewaltbereiten Fans des FC Hansa Rostock den Weg nach Hamburg finden werde, um nichts desto trotz eine Auseinandersetzung mit den Fans des FC St. Pauli zu suchen. Jedoch sei die Eignung der polizeilichen Maßnahme nach § 4 I 1 SOG auch dann gegeben, wenn die Gefahr „nur vermindert oder vorübergehend abgewehrt wird“, was hier zu bejahen ist, da durch das Kartenabgabeverbot eine geringere Anzahl an Fans der Gastmannschaft zu erwarten ist. Selbst die geplante Abschlusskundgebung einer Versammlung der „Fanszene Rostock e.V.“ vermag an dieser Beurteilung nicht nachträglich etwas zu ändern.
Im Ergebnis stellt das OVG Hamburg fest, dass eine Entscheidung im Eilverfahren angesichts des offenen Ausganges des Hauptsacheverfahrens auf der Grundlage einer Abwägung der Folgen zu treffen sei, „die sich für den Antragsteller ergeben, sofern sein Eilantrag abgelehnt, er aber mit seinem Rechtsmittel gegen das Kartenabgabeverbot Erfolg haben sollte, und den Folgen, die im Fall einer Aussetzung des Sofortvollzugs der Untersagungsverfügung eintreten könnten und für den Fall der Bestätigung von dessen Rechtmäßigkeit nicht mehr rückgängig zu machen wären“ (sog. Doppelhypothese). Dabei folgt das OVG Hamburg den Entscheidungsgründen der Vorinstanz, sodass das Interesse des FC St. Pauli an der Abgabe der Karten gegenüber dem Interesse an der Gefahrenabwehr zurücktreten müsse und das Vollziehungsinteresse insoweit als vorrangig anzusehen wäre, zumal der FC St. Pauli nach § 10 III SOG eine angemessen Entschädigung geltend machen könne.
4.  Bewertung
Der Beschluss des OVG Hamburg überzeugt, da das Gericht zwar die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten in ausreichendem und gebotenem Maße berücksichtigt aber dennoch klar stellt, dass es sich lediglich um eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage handelt und eine abschließende Beurteilung in der Hauptsache erfolgen muss. Sodann stellt das OVG Hamburg auch zu Recht eine Folgenabwägung i.S.d. sog. Doppelhypothese an, um zu einer Entscheidung in diesem Eilverfahren zu gelangen. Von daher eignet sich dieser Beschluss besonders, um die Argumentation im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nachzuvollziehen, insbes. im Bereich einer gefahrenrechtlichen Abwehrmaßnahme.
 

04.05.2012/2 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2012-05-04 11:40:052012-05-04 11:40:05OVG Hamburg: Zurückweisung der Beschwerde des FC St. Pauli bzgl. des Verbots des Verkaufs von Eintrittskarten an Fans des FC Hansa Rostock
Dr. Christoph Werkmeister

VG Berlin: Ausreise zum bewaffneten Jihad rechtfertigt Reisepassentzug

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verwaltungsrecht

Eine examensrelevante Konstallation wurde vor Kurzem vom VG Berlin entschieden (Urteil v. 06.03.2012, Az. VG 23 K 58.10; VG 23 K 59.10). In der Sache ging es um den Entzug eines Reisepasses wegen Verdachts auf mögliche terroristische Aktivitäten.
Sachverhalt (leicht abgewandelt)
Der T ist Inhaber eines deutschen Reisepasses mit Visum für den Iran. Der T war vor 2 Jahren öfters im Kontakt mit Mitgliedern der terroristischen Vereinigung al-Quaida und engagierte sich auch aktiv bei Organisation und Rekrutierung im deutschen Raum. Seitdem hat der T allerdings den Kontakt zu der Organisation gemieden, da er seine Zeit doch lieber anderen Aufgaben – wie etwa der Kunst oder sportlichen Aktivitäten – widmen möchte. Der T hat nun vor, nach Istanbul auszureisen, um sich dort ein wenig von seinem Alltag zu erholen. Hieran wurde er allerdings von Kriminalbeamten am Flughafen gehindert. In seinem Gepäck befanden sich Ausrüstungsgegenstände für Outdoor-Aktivitäten sowie mehere tausend US-Dollar. Nach der versuchten Ausreise mied der T weiterhin den Kontakt zu den al-Quaida-Verbindungsmännern. Dem T wurde in der Folge von der zuständigen Behörde sein Reisepass entzogen. Hiergegen möchte sich der T ggf. wehren.
Rechtliche Würdignug
Einschlägiger Rechtsrahmen ist vorliegend das PassG. § 8 PassG regelt die Entziehung eines Passes, wobei dies dann möglich ist, sofern Tatsachen bekannt werden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Paßversagung rechtfertigen würden. Gemäß § 7 PassG ist der Pass wiederum zu versagen, sofern bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, daß der Paßbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.
Vorliegend ist somit fraglich, ob dieses Tatbestandsmerkmal im Falle des T gegeben ist. Zu beachten ist zuvorderst, dass auch unbestimmte Rechtsbegriffe, wie solche nach § 7 Abs. 1 PassG vollumfänglich gerichtlich überprüft werden können, ein behördlicher Beurteilungsspielraum ist nur in eng begrenzen Ausnahmefällen statthaft (s. zu den Kriterien hier).
Das VG bewertete die Situation dermaßen, dass die konkret ins Auge gefasste Ausreise mit erheblichen Gefahren im Hinblick auf terroristische Aktivitäten zusammen hänge. Angesichts des Schutz von elementaren Rechtsgütern sei diese Gefahr sogar so gravierend, dass auch der Ablauf von gut zwei Jahren keine andere Gefahrprognose rechtfertige. Auch nach der längeren Funkstille sei nach wie vor von einer festen Einbindung in den Personenkreis der al-Quadia-Mitglieder auszugehen. Für eine Abkehr von dieser Prognose fehle es an weiteren Beweismitteln, die den positiven Lebenswandel untermauern könnten. Das VG bejahte somit das weitere Fortbestehen der Gefahr, auch wenn eine Feststellung der Terrorgefahr nicht mit hinreichender Sicherheit möglich war.
Examensrelevanz
Besonders im öffentlichen Recht werden sehr gerne (für die meisten Prüflinge) unbekannte Gesetze abgeprüft. Im Ergebnis sind derartige Konstellationen dankbar, da eine Lösung oft anhand des Gesetzes und mittels der juristischen Auslegungscanone ermittelt werden kann.  Die Kenntnis der zugrundeliegenden Entscheidung wird aber insbesondere dann bedeutsam, wenn das Gericht Erwägungen anstellt, auf die man im Zweifelsfall nicht ohne Weiteres gekommen wäre.

07.03.2012/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-03-07 14:00:032012-03-07 14:00:03VG Berlin: Ausreise zum bewaffneten Jihad rechtfertigt Reisepassentzug
Dr. Christoph Werkmeister

VG Schleswig: Gefahrhundegesetz verfassungsgemäß

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Verwaltungsrecht

Das VG Schleswig entschied am 16.02.2012 über die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung des schleswig-holsteinischen Gefahrhundegesetz (Az. 3 A 212/10).
Schubladendenken bei Hunden?
Die infrage stehende Regelung (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG) gab vor, dass solche Hunde als „gefährlich“ im Sinne des Gesetzes gelten, welche ein anderes Tier gebissen haben, ohne aber selbst angegriffen worden zu sein. Weitergehende Voraussetzungen stellt § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG indes nicht. Die Gefährlichkeit hat u.a. zur Folge, dass eine Hundehaltererlaubnis nach § 3 Abs. 1 GefHG beantrag werden muss. In der Konsequenz bedeutet dies, dass u.U. ein Hund nach der vorgenannten Regelung als gefährlich eingestuft werden könnte, obwohl sich dieser nur ein einziges mal daneben benommen hat. Für viele Hundehalter also eine nicht hinnehmbare Regelung, weil sie zu pauschal formuliert ist. Liebe und zutrauliche Tiere könnten so in Einzelfällen in die Kategorie der gefährlichen Hunde eingeordnet werden, obwohl sie nur einen einmaligen – vielleicht sogar nachvollziehbaren – Ausraster erlegen waren.
Verfassungskonforme Auslegung
Das VG ging indes von der Verfassungsmäßigkeit der Regelung aus. Die Vorschrift greife zwar in den Schutzbereich des Art. 2 I GG im Hinblick auf den Hundehalter ein, es liege aber eine verfassungsmäßige Rechtfertigung vor. Der Gesetzgeber habe mit den Normen des  GefHG  nicht lediglich die Abwehr konkreter Gefahren (wie etwa in den ordnungsrechtlichen Generalklauseln vorgesehen) geregelt, sondern ausdrücklich auch potentiellen Gefahren für Menschen und Tiere vorbeugen wollen. Insoweit habe der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Diese Einschätzungsprärogative sei durch die infrage stehende Regelung nicht überschritten. In Anbetracht der zu schützenden Rechtsgüter sei die Vorschrift insbesondere nicht unverhältnismäßig und genüge darüber hinaus auch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG) wurzelnden Bestimmtheitsgrundsatz.
Die Regelung sei zwar durchaus sehr weitgehend, sie könne indes verfassungskonform angewendet werden. Das Verwaltungsgericht betonte in diesem Kontext, dass an die Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen äußerst strenge Anforderungen zu stellen seien. Die Behörde müsse deshalb besonders gründlich prüfen, bevor sie eine Entscheidung trifft.
Examensrelevanz
Die Ausführungen des VG Schleswig sind exemplarisch für eine Vielzahl von Konstellationen, die gerne in Staatsexamina abgeprüft werden. Oftmals ist genau wie hier die inzidente Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Ermächtigungsgrundlage gefordert. Der Bestimmtheitsgrundsatz spielt dabei sehr häufig eine Rolle, wobei eine Verletzung dieses Grundsatzes nur vereinzelt zu bejahen sein wird (s. einen solchen Einzelfall hier). Genau wie bei der Entscheidung des VG Schleswig ist allerdings auch stets an die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Norm zu denken, was insbesondere bei Ermessensvorschriften in Betracht kommt. Kann das Gesetz noch im systematischen Einklang mit der Verfassung ausgelegt werden, muss die Nichtigkeit zwingend verneint werden.
In verwaltungsgerichtlichen Urteilsklausuren für das zweite Examen, bei denen die Verfassungsmäßigkeit eines formellen Parlamentsgesetzes zu überprüfen ist, wird im Ergebnis regelmäßig von der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage auszugehen sein. Ansonsten müsste das Gericht gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG einen Antrag auf konkrete Normenkontrolle stellen, was vom Klausurersteller regelmäßig nicht gewollt sein wird. Bei Gesetzen im lediglich materiellen Sinne, also Rechtsverordnungen und Satzungen, kann hingegen im Einzelfall auch die Verfassungswidrigkeit bejaht werden.

17.02.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-02-17 07:00:302012-02-17 07:00:30VG Schleswig: Gefahrhundegesetz verfassungsgemäß

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