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Schlagwortarchiv für: Anfechtungsklage

Marie-Lou Merhi

Präventiver Verfassungsschutz versus Meinungs- und Pressefreiheit – Das BVerwG hebt das Verbot der COMPACT-Magazin GmbH auf

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„Unser Verbot ist ein harter Schlag gegen die rechtsextremistische Szene“. Dies verkündete die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser, als sie im Juli 2024 die COMPACT-Magazin GmbH öffentlichkeitswirksam verbot. Die Organisation sei ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene und würde sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne von Art. 9 II Var. 2 GG und § 3 I 1 Var. 2 VereinsG richten (Pressemitteilung des Bundesministerium des Innern v. 16.7.2024; abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/07/exekutive1.html, zuletzt abgerufen am 28.10.2025).

Doch der erstrebte harte „Schlag gegen die rechtsextremistische Szene“ blieb aus. Im Eilverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern wiederhergestellt (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764) und im Hauptsacheverfahren das Verbot des Presseunternehmens für rechtswidrig erklärt und aufgehoben (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542). Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich dabei unter anderem mit dem – äußerst examensrelevanten – Verhältnis von präventivem Verfassungsschutz mittels eines Vereinsverbots (Art. 9 II GG) einerseits und Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 I 1, 2 GG) andererseits auseinander (so auch Schiffbauer, GSZ 2024, 292, 301 Rn. 57).

Das Vereinsverbot nach Art. 9 II GG ist – ebenso wie die Möglichkeit der Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG und des Parteiverbots nach Art. 21 II, IV GG – Ausdruck des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes der wehrhaften Demokratie (BVerfG, Urt. v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13, NJW 2017, 611, 614 Rn. 418, 425; BVerfG, Beschl. v. 13.7.2018 – 1 BvR 1474/12, 1 BvR 670/13, 1 BvR 57/14, NVwZ 2018, 1788, 1790 Rn. 101; BVerwG, Urt. v. 29.1.2020 – 6 A 1/19, NVwZ-RR 2020, 738, 742 Rn. 35). Dieser Grundsatzgewährleistet, dass Verfassungsfeinde die vom Grundgesetz gewährten Freiheiten und deren Schutz nicht dazu nutzen, den Bestand des Staates oder die Verfassungsordnung zu gefährden, zu beeinträchtigen oder zu zerstören (BVerfG, Urt. v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13, NJW 2017, 611, 614 Rn. 418).

Als schärfstes Mittel gegen Vereinigungen ist das Vereinsverbot allerdings an strenge Voraussetzungen geknüpft. Im Folgenden werden diese Voraussetzungen, im Rahmen einer vereinfachten und gutachterlichen Darstellung der Begründetheit der Anfechtungsklage der COMPACT-Magazin GmbH, dargelegt.

Anmerkung: Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes war der Urteilstext des Bundesverwaltungsgerichts im Hauptsacheverfahren noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Darstellung beruht somit maßgeblich auf der bereits veröffentlichten Entscheidung im Eilverfahren (BVerwG, Beschl. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764) und der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Entscheidung im Hauptsacheverfahren (Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts v. 24.6.2025, https://www.bverwg.de/de/pm/2025/48, zuletzt abgerufen am 28.10.2025). Mittlerweile ist der Text der Entscheidung im Hauptsacheverfahren erschienen und dieser Lösungsvorschlag wurde dementsprechend inhaltlich ergänzt (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542).

I. Der Sachverhalt (verkürzt und vereinfacht dargestellt)

Die COMPACT-Magazin GmbH ist ein Presseunternehmen mit Sitz im Bundesland Brandenburg, das bundesweit die Monatszeitschrift „COMPACT-Magazin für Souveränität“ sowie weitere Zeitschriften, darunter „COMPACTSpezial“ und „COMPACTGeschichte“ verlegt. Sie ist darüber hinaus im Internet präsent. Das Unternehmen betreibt eine eigene Webseite mit einem Onlineshop und veröffentlicht auf seinem YouTube-Kanal fernsehähnliche Beiträge, zu denen vor allem eine werktägliche Nachrichtensendung gehört. Weiterhin organisiert sie Veranstaltungen und Kampagnen. Geschäftsführer der COMPACT-Magazin GmbH und zugleich Chefredakteur des „COMPACT-Magazin für Souveränität“ ist A.

Mit Verfügung vom 5.6.2024 hat das Bundesministerium des Innern unter Berufung auf §§ 3 I 1 Var. 2, 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 II Var. 2 GG die COMPACT-Magazin GmbH verboten. Nach den Feststellungen des Ministeriums richte sich die Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Zugleich hat das Bundesministerium des Innern die sofortige Vollziehung angeordnet. Die Verbotsverfügung wurde der COMPACT-Magazin GmbH am 16.7.2024 zugestellt und im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Eine Anhörung der COMPACT-Magazin GmbH erfolgte vor Erlass der Verbotsverfügung nicht.

Die COMPACT-Magazin GmbH hat am 24.7.2024 Anfechtungsklage gegen die Verbotsverfügung erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt.

Frage: Ist die Anfechtungsklage der COMPACT-Magazin GmbH begründet?

II. Die Entscheidung (verkürzt und vereinfacht dargestellt)

Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn die Verbotsverfügung rechtswidrig ist und die COMPACT-Magazin GmbH dadurch in eigenen Rechten verletzt ist, § 113 I 1 VwGO.

1. Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung

Die Verbotsverfügung könnte rechtmäßig sein. Die Verbotsverfügung ist rechtmäßig, wenn sie auf einer Ermächtigungsgrundlage beruht und sowohl formell als auch materiell rechtmäßig ist.

a) Taugliche Ermächtigungsgrundlage

Die Verbotsverfügung müsste nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 III GG) auf einer Ermächtigungsgrundlage beruhen. In Betracht kommen §§ 3 I 1 Var. 2, 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 II Var. 2 GG. Voraussetzung ist, dass die COMPACT-Magazin GmbH als Verein i.S.d. § 2 I VereinsG anzusehen ist und die Rechtsform als GmbH der Anwendung des Vereinsgesetzes nicht entgegensteht. Zudem muss sich das Verbot eines Presseunternehmens auf das Vereinsgesetz stützen lassen.

aa) Verein nach § 2 I VereinsG

Nach § 2 I VereinsG ist ein Verein ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.

Die Gesellschafter der COMPACT-Magazin GmbH haben sich freiwillig und für eine längere Zeit zusammengeschlossen, um gemeinsam zunächst nur die Zeitschrift „COMPACT-Magazin für Souveränität“ und später auch weitere Publikationen herauszugeben. Die gesellschaftsrechtlichen Regelungen des GmbH-Gesetzes geben für diesen Zusammenschluss eine organisierte Willensbildung vor. Die Gesamtwillensbildung erfolgt dabei durch den Geschäftsführer und Chefredakteur A, dessen Autorität von allen Mitgliedern anerkannt ist. (BVerwG, Beschl. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1766 Rn. 17 ff.)

Damit ist die COMPACT-Magazin GmbH ein Verein im Sinne des § 2 VereinsG.

Merkposten: Politische Parteien sind nach § 2 II Nr. 1 VereinsG ausdrücklich nicht vom Vereinsbegriff erfasst. Über die Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheidet nach Art. 21 II, IV GG das Bundesverfassungsgericht. Die Parteien werden dadurch gegenüber sonstigen Vereinigungen nach Art. 9 II GG privilegiert (sogenanntes Parteienprivileg) (Klafki in Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Art. 21 GG, Rn. 98).

bb) Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf eine GmbH

Die gewählte Rechtsform des Unternehmens als Gesellschaft mit beschränkter Haftung könnte der Anwendung des Vereinsgesetzes entgegenstehen. In Betracht kommt eine vorrangige Anwendung des gesellschaftsrechtlichen Auflösungsverfahrens (Groh, VereinsG, § 17 Rn. 1).

Das Verhältnis von vereinsgesetzlicher und sondergesetzlicher Auflösungsmöglichkeit regelt § 17 VereinsG (Groh, VereinsG, § 17 Rn. 1). Nach § 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung ausdrücklich in das Vereinsgesetz einbezogen, wenn sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten.

Das Bundesministerium des Innern stützt das Verbot der COMPACT-Magazin GmbH darauf, dass sich das Presseunternehmen gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte.

Somit steht die Rechtsform der COMPACT-Magazin GmbH der Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes nicht entgegen (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1765 Rn. 12).

cc) Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf ein Presseunternehmen

Weiterhin könnte der Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes entgegenstehen, dass es sich bei der COMPACT-Magazin GmbH um ein Presseunternehmen handelt.

(1) Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen

Es könnte an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein Verbot von Presseunternehmen fehlen, sodass sich da Verbot der COMPACT-Magazin GmbH nicht auf das bundesrechtliche Vereinsgesetz stützen ließe.

Das Vereinsgesetz beruht auf der Kompetenzgrundlage des Art. 74 I Nr. 3 GG, wonach der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Vereinsrecht inne hat. Für das Presse- und Medienrecht haben allerdings die Länder nach Art. 70 I GG die Gesetzgebungskompetenz inne.

Problematisch ist somit, ob das Verbot eines Presseunternehmens auf das bundesrechtliche Vereinsgesetz, das auf Art. 74 I Nr. 3 GG beruht, gestützt werden kann oder ob für ein solches Verbot das Land zuständig ist (Art. 70 I GG). In diesem Fall würde es einer landesrechtlichen Rechtsgrundlage bedürfen.

Die Zuordnung einer bestimmten Regelung zu einer Kompetenznorm des Grundgesetzes erfolgt nach dem unmittelbaren Gegenstand der Regelung, dem Normzweck, der Wirkung der Norm, dem Adressaten der Norm und der Verfassungstradition (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 24; BVerfG, Urt. v. 12.3.2008 – 2 BvF 4/03, NVwZ 2008, 658, 659; BVerfG, Beschl. v. 7.12.2021 – 2 BvL 2/15, NVwZ 2022, 704, 707 f. Rn. 65; Degenhardt, Staatsrecht I, § 3 Rn. 169 f.).

In erster Linie ist dabei für die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen entscheidend, ob Gegenstand des Verbots die hinter dem Presseerzeugnis stehende Organisation als solche (organisationsbezogenes Verbot) oder das Presseerzeugnis ist (inhaltsbezogene Regulierung). (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1765 Rn. 13; zu der Bezeichnung als organisationsbezogenes Verbot und inhaltsbezogene Regulierung: Brosius-Gersdorf/Gersdorf, NVwZ 2024, 1697, 1699). Ist Gegenstand des Verbots die hinter dem Presseerzeugnis stehende Organisation, ist der Bund nach Art. 74 I Nr. 3 GG zuständig, sodass das Vereinsgesetz Anwendung findet. Bei Verboten, die unmittelbar Presseinhalte zum Gegenstand haben, ist nach Art. 70 I GG das Land zuständig, sodass es einer landesrechtlichen Rechtsgrundlage bedarf. Bei Verboten, die unmittelbar Presseinhalte zum Gegenstand haben, ist das Land zuständig nach Art. 70 I GG, sodass es einer Rechtsgrundlage im Landesrecht für das Verbot bedarf.

Für die Differenzierung anhand des Gegenstandes des Verbots spricht zudem der Regelungszweck der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Vereinsrecht. Diese hat das von einem „Kollektiv ausgehende spezifische Gefahrenpotential im Blick“ (Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts v. 24.6.2025, https://www.bverwg.de/de/pm/2025/48, zuletzt abgerufen am 28.10.2025). Ein weit gefasster Anwendungsbereich des Vereinsgesetzes, der auch Presseunternehmen erfasst, entspricht somit der „gefahrenabwehrrechtlichen Intention des Vereinsgesetzes und seinem Charakter als Instrument des präventiven Verfassungsschutzes“ (BVerwG, Urt. v. 29.1.2020 – 6 A 1/19, NVwZ-RR 2020, 738, 741 f. Rn. 35).

Für ein weites Verständnis des Vereinigungsbegriffs im Sinne des Vereinsgesetzes spricht auch die Verfassungstradition. Sowohl die Reichsverfassung von 1871 als auch die Weimarer Reichsverfassung von 1919 legten den Begriff der Vereinigung weit aus und erfassten Zusammenschlüsse von Personen unabhängig von dem Zweck, den sie verfolgten. Dementsprechend fielen auch Presseunternehmen unter den Vereinsbegriff (ausführlich dazu BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 24 ff., 32: Das BVerwG betont dabei, dass es sich bei der Materie des Vereinsrechts um eine normativ-rezeptive Kompetenzzuweisung handelt, bei der maßgeblich auf das traditionelle, herkömmliche Verständnis von Inhalt und Reichweite des Normbereichs abzustellen ist.)

Die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern hat das Verbot der COMPACT-Magazin GmbH zum Gegenstand und damit die hinter den Medieninhalten stehende Organisation als solche.

Damit besteht eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 I Nr. 3 GG. Das Verbot des Presseunternehmens COMPACT-Magazin GmbH kann folglich auf das Vereinsgesetz gestützt werden.

(2) Grundsatz der Staatsferne der Presse

Fraglich ist, ob der Grundsatz der Staatsferne der Presse einem staatlichen Verbot eines Presseunternehmens – hier der COMPACT-Magazin GmbH – auf Grundlage des Vereinsgesetzes entgegensteht.

Der Grundsatz der Staatsferne der Presse ist Ausfluss der Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG und dient der Sicherung eines freien und offenen Prozesses der Meinungs- und Willensbildung. Dem Staat ist es verwehrt, Presse und Rundfunk zu betreiben. Unzulässig sind darüber hinaus alle mittelbaren oder subtilen Einflussnahmen, die geeignet sind, die Unabhängigkeit der Presse zu beeinträchtigen. Insbesondere verfassungswidrig sind Normen, die der Behörde Entscheidungsfreiräume eröffnen, die eine inhaltliche Bewertung von Presseerzeugnissen erfordern oder mittelbare Auswirkungen auf Presseerzeugnisse entfalten. (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 45; Cornils in Stern/Sodan/Möstl, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland im europäischen Staatenverbund, § 119 Rn. 111 ff.).

Das Vereinsverbot richtet sich nicht unmittelbar gegen die Presseerzeugnisse selbst, sondern gegen die hinter ihnen stehende Organisation, namentlich die COMPACT-Magazin GmbH. Zwar betrifft das Verbot mittelbar die von der Vereinigung herausgegebenen Presseerzeugnisse und könnte somit als staatliche Einflussnahme auf die Presse erscheinen. Indes zielt das Vereinsverbot nicht auf die inhaltliche Bewertung oder Steuerung der Presse ab und ist damit nicht mit einer Presse- oder Medienaufsicht vergleichbar. Vielmehr dient es dem präventiven Verfassungsschutz und hat zum Ziel, drohende Gefährdungen, die aus kollektiven Bestrebungen erwachsen können, rechtzeitig und wirksam entgegenzutreten. An die Presse- und Medieninhalte wird lediglich angeknüpft, um auf die womöglich verfassungsfeindlichen Ziele der dahinterstehenden Organisation zu schließen. (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 46).

Zudem wird der Grundsatz der Staatsferne dadurch gewahrt, dass das Vereinsverbot nach Art. 9 Abs. 2 GG kein behördliches Ermessen eröffnet. Liegt ein Verbotsgrund nach Art. 9 II GG vor, ist die Vereinigung zu verbieten. Dadurch wird einer politisch einseitigen Ausübung der Verbotsbefugnis entgegengewirkt. (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 46).

Im Ergebnis steht der Grundsatz der Staatsferne der Presse dem staatlichen Verbot der COMPACT-Magazin GmbH auf Grundlage des Vereinsgesetzes nicht entgegen.

Merkposten: Der Grundsatz der Staatsferne steht einem staatlichen Zugriff „auf die hinter Presse- und Medienerzeugnissen stehende Organisation nicht entgegen, wenn von ihr spezifische Gefahren für die Demokratie ausgehen.“ Das Bundesverwaltungsgericht leitet dies aus der Funktion des Art. 9 II GG als Instrument des präventiven Verfassungsschutzes ab. (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 46).

(3) Zwischenergebnis

Der Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes steht nicht entgegen, dass es sich bei der COMPACT-Magazin GmbH um ein Presseunternehmen handelt.

Anmerkung: Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich mit der Frage, ob das Verbot eines Presseunternehmens auf das Vereinsgesetz gestützt werden kann, sehr ausführlich auseinander (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 23-46). Aus Gründen der Übersichtlichkeit und zum Zwecke einer klausurorientierten Darstellung beschränkt sich die vorliegende Darstellung auf die wesentlichen Aspekte.

dd) Zwischenergebnis

§§ 3 I 1 Var. 2, 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 II Var. 2 GG sind taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Verbotsverfügung.

b) Formelle Rechtmäßigkeit

Die Verbotsverfügung müsste formell rechtmäßig sein. Das ist der Fall, wenn die zuständige Verbotsbehörde gehandelt hat und die Verfahrens- sowie Formvorschriften eingehalten worden sind.

aa) Zuständigkeit

Das Bundesministerium des Innern müsste für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig sein. Nach § 3 II 1 Nr. 2 VereinsG ist das Bundesministerium des Innern als Verbotsbehörde zuständig, wenn der Verein über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus durch nicht ganz unbedeutende Tätigkeit anhaltend in Erscheinung tritt (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1765 Rn. 15; BVerwG, Urt. v. 5.8.2009 – 6 A 3/08, BeckRS 2009, 39209 Rn. 12).

Das monatlich erscheinende „COMPACT-Magazin für Souveränität“ wird bundesweit vertrieben und erreicht Kunden im gesamten Bundesgebiet. Zudem wird die Nachrichtensendung „COMPACT. Der Tag“ über YouTube deutschlandweit verbreitet (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1765 Rn. 15).

Somit erstreckt sich die Tätigkeit der COMPACT-Magazin GmbH über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus. Das Bundesministerium des Innern ist nach § 3 II 1 Nr. 2 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig.

bb) Verfahren

Weiterhin müssten die einschlägigen Verfahrensvorschriften eingehalten worden sein.

Nach § 28 I VwVfG ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem die Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Es bedarf somit grundsätzlich einer Anhörung des vom Vereinsverbot betroffenen Vereins.

Eine Anhörung der COMPACT-Magazin GmbH hat vor Erlass der Verbotsverfügung nicht stattgefunden, sodass ein Verstoß gegen § 28 I VwVfG vorliegen könnte.

Allerdings ist nach § 28 II Nr. 1 VwVfG eine Anhörung entbehrlich, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr in Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Letzteres ist einerseits der Fall, wenn die „objektive Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung“ besteht und andererseits, wenn „die Behörde aufgrund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte“ (BVerwG, Urt. v. 3.12.2004 – 6 A 10/02, NVwZ 2005, 1435; Hermann in BeckOK VwVfG, § 28 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung besteht unter anderem, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass „sonst aufgrund des mit der Anhörung verbundenen Ankündigungseffekts Beweismittel und Vermögenswerte beiseitegeschafft und dem behördlichen Zugriff entzogen werden“ (BVerwG, Urt. v. 26.1.2022 – 6 A 7.19, NVwZ 2023, 423, 425 Rn. 36; BVerwG, Urt. v. 7.7.2023 – 6 A 4.21, NVwZ-RR 2024, 277, 278 Rn. 31; BVerfG, Beschl. v. 13.7.2018 – 1 BvR 1474/12, 1 BvR 670/13, 1 BvR 57/14, NVwZ 2018, 1788, 1797).

Vorliegend bestand ein Interesse daran, die Einbindung von Autoren und Redaktionsmitgliedern mit NPD-Bezug nicht offenkundig werden zu lassen. Zudem war angesichts bestehender handels- und steuerrechtlicher Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten zu erwarten, dass der mit einer Anhörung verbundene Ankündigungseffekt zur Beiseiteschaffung von Vermögenswerten geführt hätte (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 60). Damit bestanden hinreichende Anhaltspunkte, dass die COMPACT-Magazin GmbH im Falle einer Anhörung sowohl Beweismittel als auch Vermögenswerte dem behördlichen Zugriff entzogen hätte. Somit war die nach § 28 I VwVfG grundsätzlich erforderliche Anhörung nach § 28 II Nr. 1 Var. 2 VwVfG entbehrlich.

cc) Form

Zudem müsste die Verbotsverfügung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nach § 3 III 1 VereinsG erfolgt sein. Indem die Verbotsverfügung schriftlich ergangen ist und eine Begründung des Vereinsverbotes enthält, ist sie formgerecht im Sinne des § 3 III 1 VereinsG ergangen.

dd) Zwischenergebnis

Die Verbotsverfügung ist von der zuständigen Verbotsbehörde erlassen worden und es wurden die Verfahrens- und Formvorschriften gewahrt. Die Verfügung ist damit formell rechtmäßig.

c) Materielle Rechtmäßigkeit

Die Verbotsverfügung müsste materiell rechtmäßig sein. Die Verbotsverfügung ist materiell rechtmäßig, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 3 I 1 Var. 2, 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 II Var. 2 GG vorliegen.

Die COMPACT-Magazin GmbH müsste sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, §§ 3 I Var. 2, 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 II Var. 2 GG. Zudem müsste die verfassungsfeindliche Aktivität für die Ausrichtung des Vereins derart prägend sein, dass mildere Mittel gegen den Verein keinen effektiven Schutz versprechen (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der „Prägung“).

aa) Prüfungsmaßstab

Bei der Prüfung des Verbotsgrundes könnten die Wertungen der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 I 1, 2 GG zu berücksichtigen sein.

„Das Grundrecht, an dem sich ein Vereinigungsverbot messen lassen muss, ist in erster Linie die Vereinigungsfreiheit“ (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 155). Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist damit Art. 9 GG (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1767 Rn. 28; BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 155). Bei der Prüfung sind allerdings auch die Wertungen anderer Grundrechte zu berücksichtigen. Ein Vereinigungsverbot darf den Schutz durch andere Grundrechte nicht unterlaufen. Dementsprechend ist ein Vereinigungsverbot mit den Anforderungen des Grundgesetzes nicht vereinbar, wenn es nur Mittel ist, „Meinungsäußerungen oder Publikationen zu untersagen, die für sich genommen den Schutz des Art. 5 I GG genießen“ (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1767 Rn. 28; BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 155).

Die Compact Magazin GmbH kann sich als inländische juristische Person des Privatrechts auf die Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 I 1, 2 GG berufen, denn die genannten Grundrechte sind ihrem Wesen nach auf Presseunternehmen anwendbar, Art. 19 III GG (zur Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 III GG ausführlich: Ludwigs/Friedmann, JA 2018, 807).

Die Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH müssten vom sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG erfasst sein.

Eine Meinung ist jedes Werturteil, gleichgültig, auf welchen Gegenstand es sich bezieht und welchen Inhalt es hat. Unerheblich ist, ob sie öffentlich oder private Angelegenheiten betrifft, vernünftig oder unvernünftig, wertvoll oder wertlos ist. Selbst polemische oder verletzend formulierte Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des Grundrechts. Insbesondere im politischen Meinungskampf gibt die Meinungs- und Pressefreiheit das Recht auch in überspitzter Form Kritik zu äußern. (BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92 u. 1 BvR 221/92, NJW 1995, 3303; BVerfG, Beschl. v. 24.9.2009 – 2 BvR 2179/09, NJW 2009, 3503, 3503; Kingreen/Poscher, § 13 Rn. 796).

Die Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH enthalten überwiegend Äußerungen, die ein Element der wertenden Stellungnahme beinhalten, und damit als Werturteile einzuordnen sind. Dementsprechend sind die Äußerungen Meinungen im Sinne des Art. 5 I 1 GG und vom sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst.

Für die rechtliche Bewertung der von der COMPACT-Magazin GmbH veröffentlichten Äußerungen ist deren zutreffender Sinngehalt zu ermitteln.

Aus Art. 5 I 1 GG ergeben sich spezifische Anforderungen an die Deutung von Äußerungen. Maßgeblich ist der objektive Sinn, wie ihn ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum versteht. Dabei sind Wortlaut, Kontext und Begleitumstände zu berücksichtigen. Bei mehrdeutigen Äußerungen darf die zur Sanktion führende Deutung nur zugrunde gelegt werden, wenn andere, sanktionsrechtlich irrelevante Deutungen mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen ausgeschlossen wurden. (BVerfG, Beschl. v. 24.9.2009 – 2 BvR 2179/09, NJW 2009, 3503, 3504). Es ist diejenige Variante zugrunde zu legen, die noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 96).

Diese Maßstäbe sind bei der Deutung der Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH heranzuziehen. Die spezifischen Anforderungen an die Interpretation von Äußerungen, die sich aus Art. 5 I 1 GG ergeben, gelten auch im Rahmen der Überprüfung eines gegenüber einem Presse- und Medienunternehmen ausgesprochenen Vereinsverbotes (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1768 Rn. 31).

Im Ergebnis sind die dargestellten Maßstäbe – und damit die Wertungen der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 I 1, 2 GG – bei der Prüfung des Verbotsgrundes zu berücksichtigen.

Merkposten: Die Pressefreiheit (Art. 5 I 2 GG) ist nicht Spezialfall der Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG). Der Schutz von Meinungsäußerungen erfolgt somit, auch wenn sie in Presseerzeugnissen enthalten sind, durch die Meinungsfreiheit (Dazu ausführlich: BVerfG, Beschl. v. 9.10.1991 – 1 BvR 1555/88, NJW 1992, 1439, 1439; Kingreen/Poscher, § 13 Rn. 819). Aus diesem Grund kommt es für die rechtliche Bewertung der Äußerungen innerhalb der Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH entscheidend auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG an.

bb) Schutzgut der „verfassungsmäßigen Ordnung“

Der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung umfasst „die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 I GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit“ (BVerfG, Beschl. v. 13.7.2018 – 1 BvR 1474/12, 670/13, 57/14, NVwZ 2018, 1788, 1791 Rn. 107).

(1) Verstoß gegen die Menschenwürde

Die Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH könnten gegen die Menschenwürde (Art. 1 I GG) verstoßen.

Die Menschenwürde erfasst den „fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch“, der jedem Menschen zukommt (BVerfG, Beschl. v. 20.10.1992 – 1 BvR 698/89, NJW 1993, 1457, 1458 f.). Sie ist „egalitär“, das heißt unabhängig von Merkmalen wie der Herkunft, der „Rasse“, dem Lebensalter, dem Geschlecht oder der Religionszugehörigkeit. „Dem Achtungsanspruch des Einzelnen als Person ist die Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in der rechtlich verfassten Gemeinschaft immanent. Mit der Menschenwürde sind daher ein rechtlich abgewerteter Status oder demütigende Ungleichbehandlung nicht vereinbar. Dies gilt insbesondere, wenn derartige Ungleichbehandlungen gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 3 III GG verstoßen, die sich […] jedenfalls als Konkretisierung der Menschenwürde darstellen.“ (BVerfG, Urt. v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13, NJW 2017, 611, 620 Rn. 541; BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1767 Rn. 25).

Merkposten: Die Menschenwürde setzt der Meinungsfreiheit eine „absolute Grenze“ (BVerfG, Beschl. v. 11.3.2003 – 1 BvR 426/02, NJW 2003, 1303, 1304). Sie ist mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig. Die Meinungsfreiheit tritt somit bei menschenwürdeverletzenden Äußerungen immer zurück. Allerdings sind sämtliche Grundrechte – und damit auch die Meinungsfreiheit – Konkretisierungen des Menschenwürdeprinzips. Die Annahme, dass eine Äußerung die Menschenwürde verletzt, bedarf deshalb einer besonders sorgfältigen Begründung (BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92 u. 1 BVR 221/92, NJW 1995, 3303, 3304).

In den Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH zeigt sich ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept. Personen, die als „ethnisch fremd“ wahrgenommen werden, werden in ausgrenzender Weise als lediglich „Passdeutsche“ bezeichnet. Im Gegensatz zu „Biodeutschen“ bzw. „richtigen Deutschen“ wird ihnen abgesprochen, im Rechtsinne vollwertiger Teil des deutschen Volkes zu sein. Entscheidend für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk und den damit verbundenen staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten soll nicht die deutsche Staatsangehörigkeit sein, sondern vielmehr ethnische Kriterien.

Merkposten: „Das Grundgesetz kennt einen ausschließlich an ethnischen Kategorien orientierten Begriff des Volkes nicht. Für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk ist die Staatsangehörigkeit von entscheidender Bedeutung“ (BVerfG, Urt. v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13, NJW 2017, 611, 635).

An diesen ethnischen Volksbegriff anknüpfend schreiben zahlreiche Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH Ausländern und Migranten in ihrer Gesamtheit negative Eigenschaften und einen „Hang zur Kriminalität“ zu. Die Äußerungen richten sich dabei gegen Asylbewerber und Migranten in ihrer Gesamtheit. Die pauschalen Herabsetzungen bringen in einer Gesamtbetrachtung nicht nur eine Kritik an der Einwanderungspolitik zum Ausdruck. Die drastische Sprache verdeutlicht vielmehr, dass Ausländer und Migranten als nach ethnischen Kriterien ausgegrenzte Bevölkerungsgruppe verächtlich gemacht werden. (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1768 f. Rn. 33, 36).

Weiterhin sprechen die Publikationen von der Gefahr einer sogenannten „gezielten Umvolkung“. Es bestehe die Gefahr, dass in der Zukunft eine ethnisch nicht zugehörige Mehrheit gegen die Interessen der ethnischen Volksgemeinschaft handeln werde. Als Lösung wird das Konzept der „Remigration“ unterstützt. Dieses sieht unter anderem Ausreisepläne für deutsche Staatsangehörige vor, die nicht hinreichend „assimiliert“ sind. Durch starken Druck auf diese Personengruppe soll eine „Remigration, eine freiwillige Heimkehr“ erreicht werden. (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1769 Rn. 39).

„In der Gesamtbetrachtung deuten diese – mitunter subtilen – Indizien darauf hin, dass mit dem an die ethnische ˌVolksgemeinschaftˈ anknüpfenden „Remigrationskonzept“ nicht eine durch unterschiedliche Staatsangehörigkeiten veranlasste (legitime) Differenzierung angestrebt wird. Auch geht es nicht nur um beschleunigte Abschiebungen auf der Grundlage asyl- und ausländerrechtlicher Entscheidungen. Vielmehr ist über eine – schon für sich genommen gegen die Menschenwürde verstoßende – demütigende Ungleichbehandlung hinaus eine Rechtsverweigerung für einen Teil der deutschen Staatsangehörigen vorgesehen. Diesem Personenkreis sollen grundlegende Rechte wie Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit versagt sein; im Grunde soll jegliches Fremdsein unterdrückt und verwehrt werden. Den Betroffenen wird damit anknüpfend an ihre ethnische Herkunft, an ihre Religionsausübung und letztlich auch an Gesichtspunkte wie „Rasse“ der soziale Achtungsanspruch aberkannt; sie werden nicht als gleichberechtigte Mitglieder in der rechtlich verfassten Gemeinschaft angesehen.“ (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1770 Rn. 40). Den von der COMPACT-Magazin GmbH als „Passdeutsch“ Benannten wird damit ein rechtlich abgewerteter Status zugesprochen (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1769 Rn. 39).

Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung ist somit in Form einer Missachtung der Menschenwürde nach Art. 1 I GG tangiert.

Merkposten: Der grundgesetzliche Rechtsbegriff der verfassungsmäßigen Ordnung wird in Art. 9 II GG anders ausgelegt als in anderen Artikeln des Grundgesetzes (Stern/Sodan/Möstl, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland im europäischen Staatenverbund, § 109 Rn. 87).

  • Verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 I GG meint die verfassungsmäßige Rechtsordnung, das heißt, die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind.
  • Verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 20 III GG meint den gesamten Normenbestand des Grundgesetzes.
  • Verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 9 II GG meint die elementaren Grundsätze der Verfassung und ist damit so zu verstehen wie der Begriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ in Art. 18 GG und Art. 21 II GG. (BVerfG, Beschl. v. 13.7.2018 – 1 BvR 1474/12, 1 BvR 670/13, 1 BvR 57/14, NVwZ 2018, 1788, 1791 Rn. 107).

Die unterschiedliche Auslegung ergibt sich daraus, dass der Begriff von der Funktion abhängt, die er innerhalb der jeweiligen Norm zu erfüllen hat (BVerfG, Urt. v. 16.1.1957 – 1 BvR 253 56, NJW 1957, 297, 297). Während der Gesetzgeber an „die Verfassung schlechthin“ gebunden ist (Art. 20 III GG), wird der Bürger in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit durch jede formelle und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm legitim eingeschränkt. Der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 9 II GG ergibt sich wiederum aus dem sachlichen Zusammenhang zu Art. 18 GG und Art. 21 II GG (Barczak/Dreier, GG, Art. 9 Rn. 60). „Der Ausnahmecharakter der Instrumente präventiven Verfassungsschutzes gebietet eine Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind“
(BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 72).

(2) Verstoß gegen das Demokratieprinzip

Die Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH könnten gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 I, II GG) verstoßen.

„Die Demokratie ist eine Herrschaftsform der Freien und Gleichen. Sie beruht auf der Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger. […] Unverzichtbar für ein demokratisches System sind die Möglichkeiten der gleichberechtigten Teilnahme aller Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und der Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk“ (Art. 20 I, II GG). (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 145).

Die Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH zielen erkennbar auch darauf ab, den politischen Einfluss von Deutschen mit Migrationshintergrund bei Wahlen und Abstimmungen zu mindern. Dies widerspricht dem Anspruch aller deutschen Staatsangehörigen auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 145).

Ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 I, II GG) liegt somit vor.

(3) Zwischenergebnis

Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung ist somit durch die Missachtung der Menschenwürde und den Verstoß gegen das Demokratieprinzip tangiert.

cc) „Sich richten“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung

Weiterhin müsste sich die COMPACT-Magazin GmbH gegen die verfassungsmäßige Ordnung und damit die elementaren Grundsätze der Verfassung „richten“, §§ 3 I 1 Var. 2, 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 II Var. 2 GG.

Erforderlich ist dafür, dass die Vereinigung als solche eine „kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt, das heißt sie fortlaufend untergräbt“ (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1767 Rn. 26). Mit Blick auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG und das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 III GG genügt es nicht, dass die Vereinigung sich „kritisch oder ablehnend gegen die verfassungsmäßige Ordnung wendet oder für eine andere Ordnung eintritt“. Das Vereinsverbot ist „kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot und zielt weder auf innere Haltungen noch auf bestimmte politische Überzeugungen“ (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1767 Rn. 26).

In den Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH wird „die für erstrebenswert gehaltene ˌVolksgemeinschaftˈ, die sich nach ethnischen Kriterien definieren soll, ständig mit emotionalisierenden Formulierungen als in ihrer Existenz bedroht beschrieben, die eine besondere Dringlichkeit des Handelns aufzeigen (etwa ˌAsyl-Bombeˈ, ˌTsunamiˈ, ˌFlutˈ, ˌInvasionˈ). Zugleich wird in drastischen Worten die Notwendigkeit betont, der angeblich gezielten ˌUmvolkungˈ durch das ˌRegimeˈ, das ˌSystemˈ bzw. durch die ˌVolksfeindeˈ etwas entgegenzusetzen. Als zentrales Stilmittel dienen personifizierte Feindbilder; parallel hierzu werden den Rezipienten Handlungsoptionen in verbaler Militanz aufgezeigt (ˌKampfˈ, ˌUmsturzˈ, ˌKriegˈ). Bei einer Gesamtbetrachtung offenbart diese Rhetorik die Tendenz, das Vertrauen zu den Institutionen und Repräsentanten des demokratischen Staates in der Bevölkerung von Grund auf zu erschüttern und die für die verfassungsmäßige Ordnung elementare (Rechts-)Gleichheit aller Staatsbürger als eine zu überwindende Fehlentwicklung darzustellen. Die bewusste Radikalisierung der Rezipienten ist auf ein Wirksamwerden der verfassungsfeindlichen Ideologie in der Gesellschaft gerichtet. Dadurch wird die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben.“ (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1770 Rn. 41).

Die COMPACT-Magazin GmbH nimmt eine kämpferisch-aggressive Haltung ein und richtet sich damit gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

dd) Prägender Charakter (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal)

Weiterhin ist ungeschriebene Voraussetzung eines Vereinsverbots (Schiffbauer, GSZ 2024, 292, 302), „dass die verfassungsfeindliche Aktivität für die Ausrichtung der Vereinigung derart prägend ist, dass mildere Maßnahmen keinen effektiven Schutz versprechen“. Nur dann ist das Vereinsverbot unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt. Als mildere Mittel kommen etwa ein Verbot bestimmter Tätigkeit der Vereinigung und Maßnahmen gegen einzelne Mitglieder in Betracht. (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1767 Rn. 27).

Merkposten: Grundsätzlich erfolgt die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen des Ermessens. Allerdings räumt § 3 I 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 II GG der Verbotsbehörde auf Rechtsfolgenseite kein Ermessen ein. Somit kann das Verhältnismäßigkeitsprinzip, welches das gesamte Staatshandeln durchzieht, nur auf der Tatbestandsseite der Norm berücksichtigt werden (BVerwG, Urt. v. 25.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 154).

Problematisch ist somit, ob die Passagen, die die Menschenwürde und das Demokratieprinzip verletzen, die Schwelle der Prägung erreichen.

Dies ist nicht im Wege einer quantitativen, sondern einer „wertenden Betrachtung“ zu ermitteln. Entscheidend ist das Gesamtbild, welches sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1767 Rn. 27).

Die Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH enthalten zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema Migration. Wie bereits dargestellt, sind einige dieser Publikationen menschenwürdewidrig und verstoßen gegen das Demokratieprinzip (vgl. Gliederungspunkt B.I.3.b)). Der Großteil der von der COMPACT-Magazin GmbH veröffentlichten migrationskritischen bzw. migrationsfeindlichen Äußerungen lässt sich allerdings unter Berücksichtigung der durch die Meinungsfreiheit vorgegebenen Deutungsmaßstäbe (vgl. Gliederungspunkt B.I.3.a.) noch als polemisch zugespitzte Machtkritik und verfassungsrechtlich unbedenkliche Forderungen nach einer Verschärfung des Zuwanderungs- und Staatsangehörigkeitsrechts einordnen (BVerwG, Urt. v. 25.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 161).

Darüber hinaus enthalten die Publikationen der COMPACT-Magazin GmbH eine Vielzahl von Veröffentlichungen abseits des Migrationsthemas. Beispielsweise werden allgemeingesellschaftliche Themen erörtert, wie Filmkritiken, Buchbesprechungen und sportliche Ereignisse (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1770 Rn. 43). In weiten Teilen erfolgt damit eine Berichterstattung, die völlig unverfängliche Themen betrifft und keine verfassungsfeindlichen Aussagen erhält. (BVerwG, Urt. v. 25.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 163).

Zudem wird die Gefährlichkeit der verfassungsfeindlichen Positionen durch den erkennbaren Debattencharakter abgeschwächt. „Gerade der freie Diskurs über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im Widerstreit verschiedener und aus unterschiedlichen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen vollzieht. Auch die Kritik an den vorherrschenden politischen Verhältnissen ist legitim, ihrem besonderen Schutzbedürfnis dienen die Kommunikationsgrundrechte“ (BVerwG, Urt. v. 25.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 163).

Hinzu kommt, dass zumindest der A, Geschäftsführer der COMPACT-Magazin GmbH und zugleich Chefredakteur des „COMPACT-Magazin für Souveränität“, durch eine ausgeprägte Wendigkeit gekennzeichnet ist. Seine politischen Überzeugungen waren zunächst dem politisch linken Spektrum und inzwischen dem äußerst rechten Rand zuzuordnen. Dabei zeigt er eine große Offenheit gegenüber anderen Auffassungen oder neuen thematischen Schwerpunkten innerhalb dieses Spektrums. Im Zentrum seiner Haltung steht ein ausgeprägter „Widerstands-Ethos“; er positioniert sich vornehmlich „gegen“ bestehende Verhältnisse und orientiert sich an Themen, die mediale Aufmerksamkeit versprechen. Zwar äußert er gelegentlich völkische Ansichten, seine Äußerungen – etwa zu sogenannten Gastarbeitern – lassen jedoch durchaus auch eine ambivalente Haltung gegenüber Ausländern erkennen. Zudem hat er sich teilweise auch gegen eine pauschale Islamkritik ausgesprochen. (BVerwG, Urt. v. 25.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 162).

Die menschenwürdewidrigen und das Demokratieprinzip verletzenden Passagen bestimmten nicht das gesamte Handeln der COMPACT-Magazin GmbH. Die Schwelle der Prägung wurde nicht erreicht.

ee) Zwischenergebnis

Die COMPACT-Magazin GmbH richtet sich zwar gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der §§ 3 I 1 Var. 2, 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 II Var. 2 GG. Allerdings sind die verfassungsfeindlichen Aktivitäten für die Ausrichtung der COMPACT-Magazin GmbH nicht prägend. Die Verbotsverfügung ist somit materiell rechtswidrig.

2. Verletzung in eigenen Rechten

Die COMPACT-Magazin GmbH ist durch die rechtswidrige Verbotsverfügung in ihrer Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 I GG ebenso wie in ihrer Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 I 1, 2 GG verletzt.

3. Ergebnis

Die Verbotsverfügung ist rechtswidrig und verletzt die COMPACT-Magazin GmbH in eigenen Rechten, § 113 I 1 VwGO. Die Anfechtungsklage der COMPACT-Magazin GmbH ist damit begründet.

III. Einordnung der Entscheidung

Mit ihrer verwaltungsrechtlichen Einkleidung und ihren verfassungsrechtlichen Schwerpunkten deckt die Entscheidung ein breites Spektrum des öffentlichen Rechts ab.

Im Zentrum steht die Frage, ob das Verbot eines Presseunternehmens auf das Vereinsgesetz gestützt werden kann (vgl. Gliederungspunkt B.I.1.c)).

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt diesbezüglich: „Ein Vereinsverbot gemäß § 3 I 1 VereinsG kann als Instrument des ˌpräventiven Verfassungsschutzesˈ auch gegenüber zum Zweck der Verbreitung von Nachrichten und Meinungsbeiträgen gegründeten Medienorganisationen erlassen werden“ (amtl. Leitsatz zu BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764; sinngemäß der erste amtl. Leitsatz zu BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A. 4.24, BeckRS 2025, 27542 ).

Zusammenfassend ist bei der Prüfung eines Vereinsverbots im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit insbesondere folgendes zu beachten:

  • Bei der Prüfung des Verbotsgrundes sind die Wertungen der Meinungs- und Pressefreiheit zu berücksichtigen: Das Verbot eines Presseunternehmens ist mit den Anforderungen des Grundgesetzes nicht vereinbar, wenn es nur Mittel ist, „Meinungsäußerungen oder Publikationen zu untersagen, die für sich genommen den Schutz des Art. 5 I GG genießen (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1765 Rn. 28).“
  • Bei mehrdeutigen Äußerungen darf die zur Sanktion führende Deutung nur zugrunde gelegt werden, wenn andere, sanktionsrechtlich irrelevante Deutungen mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen ausgeschlossen wurden (BVerfG, Beschl. v. 24.9.2009 – 2 BvR 2179/09, NJW 2009, 3503, 3504). Es ist diejenige Variante zugrunde zu legen, die noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist (BVerwG, Urt. v. 24.6.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 96).
  • Der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung i.S.d. § 3 I 1 Var. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 II Var. 2 GG umfasst „die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 I GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit“ und ist damit so zu verstehen wie der Begriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ in Art. 18 GG und Art. 21 II GG (BVerfG, Beschl. v. 13.7.2018 – 1 BvR 1474/12, 670/13, 57/14, NVwZ 2018, 1788, 1791 Rn. 107).
  • „Die rechtliche Benachteiligung von Deutschen mit Migrationshintergrund stellt die verfassungsmäßige Ordnung in doppelter Hinsicht in Frage. Sie ist menschenwürdewidrig und verstößt gleichzeitig gegen das Demokratieprinzip.“ (BVerwG, Urt. v. 24.5.2025 – 6 A 4.24, BeckRS 2025, 27542 Rn. 158).
  • Ein „Sichrichten“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung setzt voraus, dass eine „kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung“ vorliegt (BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1767 Rn. 26).
  • Ungeschriebene Voraussetzung eines Vereinsverbots ist, „dass die verfassungsfeindlichen Aktivitäten für die Ausrichtung der Vereinigung derart prägend sind, dass mildere Maßnahmen keinen effektiven Schutz versprechen.“ Nur dann ist das Vereinsverbot „unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt“ (Schiffbauer, GSZ 2024, 292, 302; BVerwG, Beschl. v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24, NVwZ 2024, 1764, 1767 Rn. 27, 42).

10.11.2025/0 Kommentare/von Marie-Lou Merhi
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Marie-Lou Merhi https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Marie-Lou Merhi2025-11-10 08:11:162025-11-10 13:53:46Präventiver Verfassungsschutz versus Meinungs- und Pressefreiheit – Das BVerwG hebt das Verbot der COMPACT-Magazin GmbH auf
Redaktion

Anfechtungsklage

Karteikarten, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Uncategorized, Verwaltungsrecht

A. Zulässigkeit

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
  1. Keine aufdrängende Sonderzuweisung
  2. Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
II. Statthafte Klageart i.S.d. § 42 I 1 Alt. 1 VwGO

→ Maßstab: Klagebegehren (§ 88 VwGO)

→ Belastender VA (§ 35 VwVfG), der sich nicht erledigt hat

III. Klagebefugnis; § 42 II VwGO

→ Kläger muss geltend machen, durch den angefochtenen VA in seinen Rechten verletzt zu sein ­– ergibt sich aus Adressatentheorie

IV. Beteiligten- (§§ 61, 63 VwGO) und Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO)
V. Vorverfahren; § 68 I 1 VwGO

→ ggf. entbehrlich (z.B. in NRW: § 68 I 2 vor Nr. 1 VwGO i.V.m. § 110 I 1 JustG NRW)

VI. Klagefrist; § 74 I VwGO
VII. Klagegegner; § 78 I VwGO
VIII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

B. Begründetheit

Die Anfechtungsklage ist nach § 113 I 1 VwGO begründet, soweit der angefochtene VA rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen subjektiv öffentlichen Rechten verletzt ist.

23.10.2023/0 Kommentare/von Redaktion
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2023-10-23 10:00:002023-10-19 12:23:06Anfechtungsklage
Carlo Pöschke

Die isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Verwaltungsrecht

Die isolierte Anfechtung von belastenden Nebenbestimmungen gehört zu den prüfungsträchtigsten Problemen des Verwaltungsprozessrechts – vom Grund- und Hauptstudium bis zum Examen. Dabei hat das BVerwG eine seit vielen Jahren gefestigte Rechtsprechung vertreten. Nun ist Bewegung in die Angelegenheit gelangt, weil der 4. und 8. Senat unterschiedliche Anforderungen an die Begründetheit einer gegen die Nebenbestimmung gerichteten Anfechtungsklage angelegt haben. Dies führte dazu, dass der 4. Senat beim 8. Senat gemäß § 11 Abs. 3 S. 1, 3 VwGO angefragt hat, ob der 4. Senat an seiner Rechtsauffassung festhalte (BVerwG, Beschl. v. 29.03.2022 – 4 C 4.20, BeckRS 2022, 28357). Mit Beschluss vom 12.10.2022 (– 8 AV 1.22, BeckRS 2022, 28356) erklärte  der 8. Senat, dass er an seiner im Urteil vom 06.11.2019 (8 C 14/18, NVwZ 2021, 163) geäußerten Rechtsauffassung nicht festhalte. Kurzum: Der Streit innerhalb des BVerwG ist beigelegt, es bleibt alles beim Alten. Dieser Disput dürfte jedoch das Problem der isolierten Anfechtbarkeit wieder in den Blickwinkel der Prüfer gerückt haben, weshalb die damit verbundenen prozessualen Probleme in diesem Beitrag näher beleuchtet werden sollen. Dabei drängen sich vor allem zwei Fragen auf: (1) Welche Klageart ist statthaft, wenn der Kläger die Beseitigung einer Nebenbestimmung begehrt, der Hauptverwaltungsakt jedoch erhalten bleiben soll? (2) Welche Anforderungen sind an die Begründetheit dieser Klage zu stellen?

A. Statthafte Klageart

Begehrt der Adressat eines begünstigenden Hauptverwaltungsakts Rechtsschutz gegen eine belastende Nebenbestimmung, stellt sich die Frage, ob die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) oder die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft ist. Das BVerwG hat zu dieser Frage eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt, die zumindest in diesem Punkt auch durch die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem 4. und 8. Senat nicht in Frage gestellt werden sollte. Im Schrifttum wird hingegen ein weites Meinungsspektrum vertreten. Ehlers (in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2021, § 27 Rn. 27) spricht davon, dass „[i]m Wesentlichen […] sieben Auffassungen hierzu vertreten“ würden. So viele Ansichten können in der Klausur freilich nicht wiedergegeben werden, weshalb man sich notwendigerweise auf eine Auswahl der wichtigsten Strömungen beschränken muss.

I. Differenzierung nach der Art der Nebenstimmung

Teile der Literatur (Huck/Müller/Müller, VwVfG, 3. Aufl. 2020, § 36 Rn. 35; Pietzcker NVwZ 1995, 15) differenzieren im Einklang mit der älteren Rechtsprechung des BVerwG (Urt. v. 29.03.1968 – IV C 27/67, NJW 1968, 1842) nach der Enge der Verbindung zwischen Nebenbestimmung und Hauptverwaltungsakt. Dabei habe der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 36 Abs. 2 VwVfG bereits die Enge der Verbindung festgelegt: Die unselbständigen Nebenbestimmungen des § 36 Abs. 2 Gr. 1 VwVfG (Befristung, Bedingung und Widerrufsvorbehalt) würden mit dem Verwaltungsakt erlassen, stünden also in einer so engen Beziehung zum Verwaltungsakt, dass eine isolierte Anfechtung ausscheide. Stattdessen müsse Verpflichtungsklage auf Erlass eines nebenbestimmungsfreien Verwaltungsakts erhoben werden. Demgegenüber würden die selbständigen Nebenbestimmungen des § 36 Abs. 2 Gr. 2 VwVfG (Auflage, Auflagenvorbehalt)  lediglich mit dem Verwaltungsakt verbunden und könnten isoliert angefochten werden.

Um unter diese Ansicht subsumieren zu können, bedarf es regelmäßig einer Abgrenzung zwischen der Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) und der Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG): Im Rahmen dieser Abgrenzung kommt der von der Behörde gewählten Bezeichnung eine Indizwirkung zu. Entscheidend ist der Wille der Behörde, der von der Wichtigkeit der Erfüllung der Nebenbestimmung abhängen wird. Bleiben am Ende Zweifel, ist von einer Auflage auszugehen, da diese den Bürger weniger belastet als eine Bedingung (Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. 2020, § 12 Rn. 27).

II. Differenzierung nach der Art des Hauptverwaltungsakts

Andere Stimmen aus der Literatur (Schenke JuS 1983,182) stellen auf die Art des Hauptverwaltungsakts ab. Beruhe der Hauptverwaltungsakt auf einer Ermessensentscheidung, müsse eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines nebenbestimmungsfreien Verwaltungsakts erlassen werden. Nebenbestimmungen zu einem gebundenen Verwaltungsakt könnten hingegen isoliert angefochten werden. Begründet wird diese Differenzierung damit, dass der Erlass eines Ermessensverwaltungsakts und die Nebenbestimmung auf einer einheitlichen behördlichen Ermessensentscheidung beruhen würden und der Verwaltung im Fall der isolierten Anfechtung ein Restverwaltungsakt aufgedrängt würde, den sie so nie wollte.

III. Grundsätzliche Statthaftigkeit der Anfechtungsklage

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 22.11.2000 – 11 C 2/00, NVwZ 2001, 429; Urt. v. 06.11.2019 – 8 C 14/18, NVwZ 2021, 163) und ihm folgend die herrschende Lehre (Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. 2020, § 12 Rn. 27; NK-VwVfG/Weiß, 2. Aufl. 2019, § 36 Rn. 125) geht in inzwischen ständiger Rechtsprechung von der grundsätzlichen Anfechtbarkeit einer belastenden Nebenbestimmung aus. Leitsatzmäßig formuliert das BVerwG:

Gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts ist die Anfechtungsklage gegeben. Ob diese zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet. (BVerwG, Urt. v. 22.11.2000 – 11 C 2/00, NVwZ 2001, 429)

Die besseren Argumente sprechen für diese herrschende Meinung: Zum einen ist bereits der Formulierung „soweit“ in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO zu entnehmen, dass Verwaltungsakte teilweise rechtswidrig sein und somit auch nur teilweise aufgehoben werden können. Dann müssen sie aber auch teilweise anfechtbar sein (Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. 2020, § 12 Rn. 27; NK-VwVfG/Weiß, 2. Aufl. 2019, § 36 Rn. 125). Auch vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG ist die herrschende Meinung zu bevorzugen, da der Kläger durch die rechtsschutzintensivere Anfechtungsklage mit dem Aufhebungsurteil unmittelbar – ohne den bei Verpflichtungsklagen notwendigen Zwischenschritt einer behördlichen Entscheidung – einen nebenbestimmungsfreien Verwaltungsakt erhält. Zudem vermeidet diese Ansicht die Vermischung der Zulässigkeitsprüfung mit Elementen der Begründetheitsprüfung (Wysk/Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 42 Rn. 28). Schließlich überzeugt das von der nach der Art des Hauptverwaltungsakts differenzierenden Literaturansicht vorgebrachte Argument, bei einem Ermessensverwaltungsakt werde der Verwaltungsakt bei Aufhebung der Nebenbestimmung ein nicht gewünschter Restverwaltungsakt aufgedrängt, nicht. Denn die Verwaltung hat die Möglichkeit, auf einen nicht gewollten Restverwaltungsakt zu reagieren, indem sie ihn entweder aufhebt oder nachträglich eine neue, fehlerfreie Nebenbestimmung erlässt. Dies genügt, um ihren Ermessensspielraum zu wahren (BVerwG, Urt. v. 12.03.1982 – 8 C 23/80, NJW 1982, 2269; Urt. v. 06.11.2019 – 8 C 14/18, NVwZ 2021, 163).

B. Anforderungen an die Begründetheit der Klage

Durch die Auseinandersetzung zwischen dem 4. und 8. Senat des BVerwG wurde die Streitfrage, welche Anforderungen an die Begründetheit der gegen eine Nebenbestimmung gerichteten Anfechtungsklage zu stellen sind, wieder aufgewärmt. Bei einer „normalen“ Anfechtungsklage würde der Obersatz lauten: Die Anfechtungsklage ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Mindestanforderung der Begründetheit einer gegen eine Nebenbestimmung gerichteten Anfechtungsklage ist damit, dass die Nebenbestimmung rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.

I. Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmung genügt

Stelkens (in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 36 Rn. 60) lässt die oben genannte Mindestanforderung genügen. Für diese Ansicht wird ins Feld geführt, dass eine Berücksichtigung der Rechtswidrigkeit des Restverwaltungsakts das nach § 88 VwGO maßgebliche klägerische Begehren missachtet, das nur auf die Überprüfung der Nebenbestimmung gerichtet ist. Weiter ließe sich argumentieren, dass es Sache der Verwaltung und nicht des Gerichts ist, auf den rechtswidrigen Restverwaltungsakt zu reagieren, entweder durch dessen Aufhebung oder durch Erlass einer neuen, fehlerfreien Nebenbestimmung.

II. Weitergehende Anforderungen an die Begründetheit

Die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung stellt demgegenüber weitergehende Anforderungen an die Begründetheit der Anfechtungsklage. Zwar kritisiert die Literatur vereinzelt, dass das BVerwG seine Rechtsprechung nicht begründe und sie daher „gegen kritische Einwände ebenso immun wie andererseits ohne innere Überzeugungskraft“ sei (Eyermann/Happ, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 50). Diesem Einwand lässt sich jedoch entgegnen, dass es zu einem Konflikt mit Art. 20 Abs. 3 GG käme, wenn das Gericht die mögliche Rechtswidrigkeit des Restverwaltungsakts völlig außer Betracht ließe. Schließlich gilt es zu verhindern, dass das Gericht durch die Aufhebung der Nebenbestimmung einen rechtswidrigen Zustand herbeiführt und der Kläger den Restverwaltungsakt ausnutzt, bis die Verwaltung ihn aufgehoben oder eine neue, fehlerfreie Nebenbestimmung erlassen hat. Über die Frage, wie weit diese weitergehenden Anforderungen an die Begründetheit reichen, bestand (vorübergehend) Streit zwischen dem 4. und 8. Senat des BVerwG.

1. Verwaltungsakt kann ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßiger Weise bestehen bleiben

Der 4. Senat fasst die bisherige gefestigte Rechtsprechung des BVerwG wie folgt zusammen:

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die isolierte Anfechtungsklage gegen eine belastende Nebenbestimmung begründet, wenn die Nebenbestimmung rechtswidrig ist und der Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann […]. Die Voraussetzung „sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann“ betrifft nach Auffassung des Senats die materielle Teilbarkeit von Nebenbestimmung und Verwaltungsakt. Maßgeblich ist, ob zwischen der Nebenbestimmung und dem eigentlichen Inhalt des Verwaltungsakts „ein Zusammenhang besteht, der die isolierte Aufhebung ausschließt“ […]. Die Prüfung der isolierten Aufhebbarkeit ist bisher entsprechend eng geführt und thematisch auf den in Streit stehenden Gegenstand der Nebenbestimmung beschränkt worden […]. Es ging stets darum, ob die Genehmigung (Begünstigung) ohne die belastende Nebenbestimmung rechtswidrig wäre bzw. erteilt werden dürfte. Das heißt, die Formulierung „sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann“ zielt darauf, ob die Rechtsordnung eine Genehmigung (Begünstigung) ohne die angefochtene Nebenbestimmung erlaubt. […] Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der verbleibende Verwaltungsakt über die in Zusammenhang mit der Nebenbestimmung stehenden rechtlichen Anforderungen hinaus in jeder Hinsicht rechtmäßig ist oder ein Anspruch auf seinen Erlass besteht. (BVerwG, Beschl. v. 29.03.2022 – 4 C 4.20, BeckRS 2022, 28357)

2. Rechtmäßigkeit des Restverwaltungsakts

Auch der 8. Senat geht von dem Ausgangspunkt aus, dass die angegriffenen Nebenbestimmungen nur dann isoliert aufgehoben werden können, wenn der nach ihrer Aufhebung verbleibende Verwaltungsakt sinnvoller-  und rechtmäßigerweise nicht bestehen bleiben kann. Diese Voraussetzung sei nach dem Urteil vom 06.11.2022 jedoch nur dann erfüllt, wenn der verbleibende Verwaltungsakt für sich genommen rechtmäßig ist. Der 8. Senat verstand diesen Zusatz offensichtlich als bloße Konkretisierung des anerkannten Maßstabs, während der 4. Senat hierin eine Rechtsprechungsänderung erblickte, die ihn zu einer Anfrage an den 8. Senat veranlasste. Von Bedeutung sind diese differierenden Standpunkte immer dann, wenn nicht der Wegfall der Nebenbestimmung, sondern ein anderer, den Verwaltungsakt betreffender Grund für die Rechtswidrigkeit des Restverwaltungsakts ursächlich ist (Binder LTO v. 03.11.2022).

Gegen diese Ansicht spricht jedoch bereits – wie der 8. Senat zutreffend ausgeführt hat –, dass ansonsten der Rechtsschutz gegen rechtswidrige Nebenstimmungen entwertet würde. Denn der Adressat des Verwaltungsakts müsste entweder auf eine Anfechtung der Nebenbestimmung verzichten oder gleich den gesamten Verwaltungsakt mit Nebenbestimmung anfechten. Es ist jedoch die Aufgabe der Behörde, den rechtswidrigen Restverwaltungsakt nach § 48 VwVfG aufzuheben. Dabei sind auf Tatbestandsseite die Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zu berücksichtigen und auf Rechtsfolgenseite muss die Verwaltung pflichtgemäßes Ermessen ausüben. Diese Mechanismen zur Gewährleistung des Vertrauensschutzes würden nach der vom 8. Senat vorübergehend vertretenen Rechtsansicht umgangen (vgl. auch Kokott JuWissBlog Nr. 61/2022 v. 01.11.2022).

Vielleicht waren diese Gründe ausschlaggebend, weshalb der 8. Senat mit Beschluss vom 12.10.2022 (– 8 AV 1.22, BeckRS 2022, 28356) entschieden hat, an seiner Rechtsauffassung, dass eine belastende Nebenstimmung, die einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügt wird, im Anfechtungsprozess nur dann isoliert aufgehoben werden darf, wenn der verbleibende Verwaltungsakt für sich genommen rechtmäßig ist, nicht festzuhalten.

 C. Summa

Es ist zu begrüßen, dass der zwischenzeitliche Streit zwischen dem 4. und dem 8. Senat des BVerwG über die Anforderungen an die Begründetheit einer gegen eine Nebenbestimmung gerichteten Anfechtungsklage rasch beigelegt wurde. Nur so wird verhindert, dass die durch eine seit mehr als zwei Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung erzeugte Rechtssicherheit im Dickicht von eng verzweigten Meinungsstreits wieder untergeht. Im Ergebnis sollte man sich als Prüfling an folgenden zwei Leitlinien orientieren:


    • Eine rechtswidrige Nebenstimmung kann mit der Anfechtungsklage isoliert angegriffen werden, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet.
    • Die isolierte Anfechtungsklage gegen eine belastende Nebenbestimmung ist begründet, wenn die Nebenbestimmung rechtswidrig ist und der Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann.

07.11.2022/von Carlo Pöschke
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Carlo Pöschke https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Carlo Pöschke2022-11-07 09:00:002023-05-24 13:29:56Die isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen
Dr. Yannik Beden, M.A.

Verwaltungsrecht / Verwaltungsprozessrecht: Die 15 wichtigsten Definitionen für Klausur und Examen

Für die ersten Semester, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes

Wer das juristische Studium erfolgreich absolvieren will, muss Zusammenhänge verstehen und auch für Unbekanntes praktikable Lösungsansätze entwickeln können. Bloßes Auswendiglernen führt nicht zum Ziel. Trotzdem gilt, dass einige wesentliche Begrifflichkeiten in fast jedem Rechtsgebiet bekannt sein sollten – nicht zuletzt, um in der Klausur wertvolle Zeit einzusparen. Für die Klausur im Öffentlichen Recht ist eine überschaubare Anzahl an Begriffen, die jeder ambitionierte Student und Examenskandidat im Handumdrehen schnell abrufen können sollte, zu beherrschen. Die nachstehende Auflistung enthält diejenigen Definitionen, die für die Klausur im Verwaltungsrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht notwendig sind. Wer diese beherrscht, ist für den Ernstfall bestens gewappnet:
(1) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Nach der modifizierten Subjektstheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn die streitentscheidende Norm dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Eine Norm ist dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie einen Träger öffentlicher Gewalt in seiner Funktion als solcher in jedem Anwendungsfall berechtigt oder verpflichtet.
(2) Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art
Eine Streitigkeit ist jedenfalls dann nichtverfassungsrechtlicher Art, wenn die Streitbeteiligten nicht unmittelbar am Verfassungsleben teilnehmen und auch im Wesentlichen nicht um die Anwendung oder Auslegung von Verfassungsrecht gestritten wird (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit)
(3) Klagebefugnis Anfechtungsklage
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Die Rechtsverletzung muss tatsächlich möglich erscheinen (sog. Möglichkeitstheorie). Eine Rechtsverletzung kommt insbesondere bei einem Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts in Betracht (sog. Adressatentheorie), wobei im Einzelfall stets zu begründen ist, weshalb der Verwaltungsakt möglicherweise rechtswidrig sein und den Adressaten in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen könnte.  
(4) Klagebefugnis Verpflichtungsklage
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Das ist der Fall, wenn der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes hat, der Anspruch also nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.
(5) Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO
Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht.
(6) Feststellungsinteresse
Der Kläger muss ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses haben. Ein berechtigtes Interesse kann dabei jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein.
(7) Fortsetzungsfeststellungsinteresse
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern. Anerkannt ist ein solches Interesse jedenfalls für folgende Fälle: (1) Konkrete Wiederholungsgefahr, (2) Rehabilitationsinteresse, (3) präjudizielle Wirkung einer Feststellung und (4) tiefgreifende Grundrechtseingriffe.
(8) Erledigung eines Verwaltungsakts
Nach § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Er verliert folglich seine Wirksamkeit, wenn eine der in § 43 Abs. 2 VwVfG genannten Voraussetzungen eingetreten ist. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist.
(9) Subsidiarität i.S.v. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO
Die Feststellung eines Rechtsverhältnisses kann gem. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Feststellungsklage ist demnach insbesondere gegenüber der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und allgemeinen Leistungsklage subsidiär.
(10) Rechtsschutzbedürfnis
Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses folgt dem allgemeinen Grundsatz, dass die begehrte Leistung bzw. Handlung zunächst bei der Behörde zu beantragen ist. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt insbesondere, wenn der Kläger sein Ziel einfacher als durch Klageerhebung erreichen kann, die Klage keinen anzuerkennenden Zweck verfolgt, missbräuchlich ist oder der Kläger sein Klagerecht verwirkt hat.
(11) Sicherungsanordnung
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO ist statthaft, wenn der Antragsteller die vorläufige Sicherung eines von ihm behaupteten Rechts gegenüber einer drohenden tatsächlichen oder rechtlichen Änderung eines bereits bestehenden Zustands begehrt.
(12) Regelungsanordnung
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist statthaft, wenn der Antragsteller die vorläufige Erweiterung seines Rechtskreises begehrt, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder ein solche Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint.
(13) Anordnungsanspruch
Der Anordnungsanspruch im Verfahren nach § 123 VwGO bezieht sich auf den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird. Der Anordnungsanspruch entspricht folglich dem materiell-rechtlichen Anspruch, der im Hauptsacheverfahren geltend gemacht wird. Dies gilt sowohl für die Sicherungs- als auch Regelungsanordnung.
(14) Anordnungsgrund
Der Anordnungsgrund betrifft den Umstand, aus dem sich die Eilbedürftigkeit des Antragstellers ergibt, dieser mithin nicht bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren abwarten kann. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
(15) Objektive Klagehäufung
Nach § 44 VwGO können vom Kläger mehrere Klagebegehren in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist. Mehrere Klagebegehren liegen vor, wenn mehrere selbständige prozessuale Ansprüche in Rede stehen, mithin unterschiedliche Streitgegenstände in einer Klage adressiert werden.
 
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26.11.2020/0 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
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Dr. Matthias Denzer

Karteikarte Anfechtungsklage; § 42 VwGO

Karteikarten, Öffentliches Recht


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04.02.2019/0 Kommentare/von Dr. Matthias Denzer
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Matthias Denzer https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Matthias Denzer2019-02-04 17:11:142019-02-04 17:11:14Karteikarte Anfechtungsklage; § 42 VwGO
Redaktion

Schema: Die Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Verwaltungsrecht

Schema: Die Anfechtungsklage, § 42 I Fall 1 VwGO

A. Zulässigkeit der Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg, § 40 I 1 VwGO

1. Bindende Verweisung durch ein anderes Gericht, § 17a II 3 GVG

2. Aufdrängende Sonderzuweisung zum Verwaltungsgericht

Ergibt sich ggf. aus spezialgesetzlichen Regelungen.

3. Generalklausel, § 40 I 1 VwGO

a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

– Jedenfalls (+), wenn die streitentscheidende Norm dem öffentlichen Recht angehört.

– Nach der modifizierten Subjektstheorie (hM) ist eine Norm öffentlich-rechtlich, wenn sie ausschließlich einen Hoheitsträger gerade in seiner Funktion als Träger öffentlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet. Eine Norm ist dagegen privatrechtlich, wenn sie „jedermann“ berechtigt oder verpflichtet.

– Streitentscheidende Norm ist die Anspruchsgrundlage bzw. Ermächtigungsgrundlage

b) Nichtverfassungsrechtlicher Art
Stichwort: Keine doppelte Verfassungsunmittelbarkeit

4. Keine abdrängende Sonderzuweisung

II. Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, § 42 I 1. Fall VwGO

Anfechtungsklage statthaft, wenn Aufhebung eines (belastenden) VA begehrt wird.

1. Vorliegen eines VA

2. Keine Erledigung des VA

3. Wichtige Sonderfälle:

– Isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen
– Isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheids

III. Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen

1. Klagebefugnis, § 42 II VwGO
Geltendmachung der Verletzung eines subjektiven (Abwehr-)Rechts

– Es muss jedenfalls die Möglichkeit bestehen, dass der Kläger in einem subjektiven Recht verletzt ist. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn von vornherein offensichtlich das behauptete Recht nicht besteht bzw. nicht dem Kläger zusteht.

– Wenn der Kläger Adressat eines ihn belastenden VAs ist, besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass er in seinem Grundrecht aus Art. 2 I GG verletzt ist. Speziellere Freiheitsrecht sind jedoch immer vorrangig.

2. Ggf. Durchführung des Vorverfahrens, §§ 68 ff. VwGO

– Grds. erforderlich vor Erhebung der Anfechtungsklage, § 68 I 1 VwGO
– Ausnahmsweise entbehrlich, § 68 I 2 Nr. 1, 2 VwGO, § 75 VwGO

3. Klagefrist, §§ 74 I, 58 II VwGO

– Grds. gilt die Klagefrist des § 74 I VwGO
– Fristberechnung nach § 57 II VwGO, § 222 ZPO, §§ 187ff. BGB
– Bei fehlender oder fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung gilt Ausschlussfrist des § 58 II VwGO

4. Richtiger Beklagter, § 78 VwGO

IV. Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO

V. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

B. Begründetheit
(+), soweit der angegriffene VA rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, § 113 I 1 VwGO.

I. VA rechtswidrig

1. EGL

2. Formelle Rechtmäßigkeit

a)  Zuständigkeit (sachlich, instanziell, örtlich)
b)  Verfahren (insbesondere Anhörung, § 28 VwVfG)
c)  Form (§§ 37, 39 VwVfG)

3. Materielle Rechtmäßigkeit


a)  Voraussetzungen der EGL

b)  Allgemeine Rechtmäßigkeitsanforderungen

c)  Rechtsfolge:

– Bei gebundenen Entscheidungen: Ist die vorgesehene Rechtsfolge angeordnet worden?
– Bei Ermessensentscheidungen: Liegen Ermessenfehler vor?

II. Rechtsverletzung beim Kläger

–  Beim Adressaten: Spezielle Grundrechte oder zumindest Art. 2 I GG
–  Beim Dritten: Verstoß gegen drittschützende Norm oder Grundrecht

III. Aufhebungsanspruch nicht ausgeschlossen

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de

11.08.2016/2 Kommentare/von Redaktion
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2016-08-11 09:00:542016-08-11 09:00:54Schema: Die Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO
Dr. Jan Winzen

VG Göttingen: Werbe- und Hausverbot gegen juristische Repetitorien bestätigt

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Startseite, Verwaltungsrecht

Der seit geraumer Zeit andauernde Verwaltungsrechtsstreit um Werbemaßnahmen juristischer Repetitorien in den Räumlichkeiten der Uni Göttingen geht nach dem jüngsten Urteil des VG Göttingenvom 20.09.2012 (4 A 258/09) in eine neue Runde.

A. Verfahrensgang

Zwei kommerzielle Anbieter juristischer Repetitorien hatten u.a. in der juristischen Fakultät durch verschiedene Werbemaßnahmen auf sich aufmerksam gemacht (Handzettel, Plakate, persönliche Ansprachen etc.). Die Universität erließ gegen die Repetitorien und ihre Hilfspersonen ein Werbe- und Hausverbot (betreffend das Betreten des Juridicums zu Werbezwecken) und ordnete die sofortige Vollziehung an. Auf einen Eilrechtsschutzantrag hin, stellte das VG Göttingen die aufschiebende Wirkung der gegen das Hausverbot erhobenen Klage wieder her (4 B 10/10 – siehe dazu bereits hier). Das Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Universität sei nämlich gegen andere ebenfalls auf ihrem Gelände werbende juristische Repetitorien nicht in gleicher Weise eingeschritten.

Zwar suchte das daraufhin im Wege der Allgemeinverfügung gegenüber sämtlichen kommerziellen Repetitorien erlassene Haus- und Werbeverbot diese Bedenken auszuräumen. Die Beschwerde der Universität (§§ 146, 147 VwGO) gegen den Beschluss des VG Göttigen wies der u.a. für das Hochschulrecht zuständige zweite Senat des OVG Lünerburg (2 ME 167/10 ) dennoch mit der Begründung zurück, die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren maßgeblichen Erfolgsaussichten der Hauptsache seien – auch unter Berücksichtigung der nunmehr erlassenen Allgemeinverfügung – offen; die in diesem Fall vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Gunsten des Aussetzungsinteresses der Repetitorien aus (siehe ausführlich zur Begründetheit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hier – die Allgemeinverfügung konnte das Gericht in seine Entscheidung überhaupt nur einbeziehen, weil maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Sach- und Rechtslage im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nach hM stets der Zeitpunkt der Eilentscheidung – und nicht etwa der der letzten Behördenentscheidung – ist).

In seiner Entscheidung vom 20.09.2012 hat das VG Göttingen (4 A 258/09) die Rechtmäßigkeit des Hausverbots nunmehr in der Hauptsache bestätigt (allein das vorausgegangene Eilrechtsschutzverfahren enthält schon zahlreiche prüfungsrelevante Fragestellungen – insoweit wird aber auf die Lektüre der zitierten Beschlüsse und unseren Grundlagenbeitrag zu § 80 Abs. 5 VwGO verwiesen).

B. Begründetheit der Anfechtungsklage im Hauptsacheverfahren 

Die Anfechtungsklage hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist (die Zulässigkeit der Anfechtungsklage stand im vorliegenden Verfahren nicht Frage).

Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der angefochtene Verwaltungsakt (also das Werbe- und Hausverbot) rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.

I. Ermächtigungsgrundlage: § 37 Abs. 3 Satz 1 NHG

Die Ermächtigungsgrundlage für das Werbe- und Hausverbot im Universitätsbetrieb findet sich regelmäßig in dem jeweiligen Landeshochschulgesetz. Im vorliegenden Fall gilt § 37 Abs. 3 Satz 1 NHG. Danach wahrt das Präsidium die Ordnung in der Hochschule und übt das Hausrecht aus (vergleichbare Vorschriften finden sich etwa in Art. 21 Abs. 12 Satz 1 BayHSchG oder § 18 Abs. 1 Satz 4 HG NRW).

Es handelt sich bei den regelmäßig so formulierten Vorschriften der Landeshochschulgesetze keineswegs um bloße Aufgabenzuweisungen oder Zuständigkeitsnormen. Die „Ausübung“ des Hausrechts umfasst vielmehr die Wahrnehmung sämtlicher sich aus dem Hausrecht ergebenden Befugnisse. Zu diesen Befugnissen gehört insbesondere auch der Erlass eines den Inhalt des Hausrechts konkretisierenden Hausverbotes (so etwa das VG Braunschweig in einem Urteil vom 10.3.2005 – 6 A 159/03 Rz. 32 juris).

II. Formelle Rechtmäßigkeit

Im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit des Verbotes geht das Gericht nur sehr kurz auf eine möglicherweise unterlassene Anhörung ein:

Ob die Klägerin vor Erlass des Bescheides angehört worden ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist durch den Schriftwechsel der Beteiligten im Eil- und Klageverfahren, in dem beide Seiten ihre Standpunkte ausgetauscht haben, ein etwaiger Anhörungsmangel geheilt worden (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG, s.a. Nds. OVG, a.a.O.).

In der Klausur sollte man sich hier etwas mehr Zeit nehmen. Zumal der Sachverhalt dann sicherlich ausdrücklich von einer (zunächst) unterbliebenen Anhörung ausgehen wird und man zur Frage einer möglichen Heilung Stellung nehmen muss.

Fehlende Anhörung?

Das Werbe- und Hausverbot ist ein belastender Verwaltungsakt (das hätte man in der Klausur bereits im Rahmen der Statthaftigkeit festgestellt). Bevor ein belastender Verwaltungsakt erlassen wird, ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 28 Abs. 1 VwVfG). Ist laut Sachverhalt eine Anhörung nicht erfolgt, muss man zunächst die Ausnahmetatbestände des § 28 Abs. 2 VwVfG in den Blick nehmen. Der vorliegende Fall bereitet insoweit gewisse Schwierigkeiten, als das Hausverbot ja auch noch einmal im Wege einer Allgemeinverfügung ausgesprochen wurde. Von der Anhörung kann nämlich gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG insbesondere abgesehen werden, wenn die Behörde eine Allgemeinverfügung erlassen will. Das VG Göttingen ist auf diesen Umstand – wie gesagt – nicht weiter eingegangen. In einer Klausur müsste man aber an Hand der im Sachverhalt enthaltenen Angaben prüfen, ob es in diesem konkreten Fall vielleicht dennoch einer Anhörung bedurft hätte. Wegen der besonderen rechtsstaatlichen Bedeutung der Anhörung im Verwaltungsverfahren sind die Ausnahmetatbestände des § 28 Abs. 2 VwVfG eng auszulegen. Für die Allgemeinverfügung heisst das, dass der Eingriff nicht von besonderer Schwere und Intensität sein und auch keine Dauerwirkung entfalten darf (Hauptanwendungsfall sind die Verkehrszeichen). Mit guter Argumentation sind je nach Sachverhaltslage verschiedene Ergebnisse vertretbar.

Heilung?

Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Anhörung nicht nach § 28 Abs. 2 VwVfG entbehrlich (und das Hausverbot deshalb eigentlich formell rechtswidrig) war, ist die nächste wichtige Norm § 45 Abs. 1  Nr. 3 VwVfG. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Ein Nichtigkeitsgrund dürfte regelmäßig nicht vorliegen. Man muss sich also die Frage stellen, ob der Schriftwechsel der Parteien während des Verwaltungsstreitverfahrens die unterbliebene Anhörung geheilt haben könnte.

Die ständige Rechtsprechung zur Heilung einer unterbliebenen Anhörung ist relativ streng. Dem Betroffenen muss (wie im Rahmen des § 28 Abs. 1 VwVfG) Gelegenheit gegeben werden, sich – schriftlich oder mündlich – zu den für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen zu äußern. Darüber hinaus muss die Behörde ein etwaiges Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung ziehen.

Problematisch ist zudem, dass eine unterlassene Anhörung nach Sinn und Zweck der Heilungsnorm grundsätzlich nicht durch die Möglichkeit der Stellungnahme in einem gerichtlichen Eilverfahren nachgeholt werden kann. Eine Heilung soll insoweit aber ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn der Betroffene weiß, dass es (auch) um die Anhörung zum Zwecke der Entscheidung über den VA in der Hauptsache geht (siehe etwa bei Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 7. Auflage 2008, § 45 Rn. 87).

Anhand dieses Prüfungsmaßstabes sollte dann die Heilung der unterbliebenen Anhörung (so man nicht schon eine Ausnahme nach § 28 Abs. 2 VwVfG bejaht hat) und damit die formelle Rechtmäßigkeit des Hausverbotes bejaht werden können.

III. Materielle Rechtmäßigkeit

§ 37 Abs. 3 Satz 1 NHG setzt eine Beeinträchtigung der Ordnung der Hochschule voraus. Eine solche liegt nach Ansicht des Gerichts insbesondere vor, wenn Zweckbestimmung und Dienstbetrieb gestört werden. Es bedarf also einer Bestimmung des Zwecks der Hochschule im Rahmen der Juristenausbildung.

Es folgen umfangreiche Ausführungen zu den Aufgaben, die nach Ansicht des Gerichts einer Hochschule im Rahmen der Juristenausbildung zukommen. So heisst es etwa Eingangs noch recht allgemein gehalten:

Zu den Aufgaben der Beklagten gehört die Ausbildung und Hinführung der Studierenden zu einem berufsqualifizierenden akademischen Abschluss durch Bereitstellung eines entsprechenden Lehrangebots.

Problematisch ist nun aus Sicht des Gerichts, dass die Repetitorien in für die Bewältigung dieser Aufgabe wesentlichen Aspekten in Konkurrenz zur Hochschule treten:

Im Rahmen des juristischen Studiums bietet die Beklagte (neben den für den Studienabschluss notwendigen Lehrveranstaltungen) speziell zur Wiederholung und Examensvorbereitung für höhere Semester Repetitorien, Klausurenkurse und Probeexamina an. Die Klägerin wirbt für vergleichbare Veranstaltungen kommerzieller Art und richtet sich damit an dieselbe Zielgruppe.

Es könnte schließlich bei den Studenten der Eindruck entstehen, die universitäre Ausbildung allein reiche zur erfolgreichen Vorbereitung für das erste juristische Staatsexamen nicht aus:

Die Werbung für solche Veranstaltungen im räumlichen Bereich der Beklagten ist geeignet, bei den Studierenden den Eindruck zu vermitteln, dass das universitäre Lehrangebot für einen erfolgreichen Examensabschluss nicht ausreicht und die Beklagte ihr Lehrangebot selbst nicht für ausreichend hält.

Vor diesem Hintergrund liegt also eine grundsätzliche Beeinträchtigung der Zweckbestimmung der Hochschule, die zu dem Erlass eines Hausverbotes berechtigt, vor:

Bereits diese Beeinträchtigung des Vertrauens in die Leistungsfähigkeit der Beklagten stellt eine Störung der Zweckbestimmung der Beklagten dar, die grundsätzlich eine Nutzungsuntersagung rechtfertigt. Erst recht gilt dies, wenn der Lehrbetrieb unmittelbar, z.B. durch Überkleben offizieller Mitteilungen mit kommerziellen Plakaten oder den Zugang zu Hörsälen behindernde Verteilung von Werbemitteln, gestört wird. Die Beklagte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, gegen Werbetätigkeiten kommerzieller Repetitorien vorzugehen

Das Gericht untermauert diesen Befund sodann mit einigen lehrreichen Aussagen zur Gestaltung des Jurastudiums:

Dem steht nicht entgegen, dass auch bei einem umfassenden Lehrangebot der Beklagten die private Vor- und Nachbereitung durch die Studierenden erforderlich ist. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Wissenslücken entstehen können, die u.U. nicht mehr in Eigeninitiative, sondern mit Hilfe kommerzieller Nachhilfe- oder Lehrinstitute behoben werden. Im Regelfall ist die universitäre Ausbildung jedoch darauf ausgerichtet, dass neben den Lehrveranstaltungen die eigenständige Arbeit des Studierenden für den Studienerfolg ausreicht

Besonders prägnant dann der Verweis auf eine Aussage des Bundesverwaltungsgerichts aus den 1970er Jahren:

Erfahrungsgemäß können einigermaßen begabte, denkfähige und fleißige Studenten das Examen auch ohne Repetitor bestehen

Man muss sich also entscheiden, Rep oder Lehrveranstaltung:

Teilweise findet der Unterricht kommerzieller Repetitorien zudem zeitgleich zu den Lehrveranstaltungen der Beklagten statt, so dass sich die Studierenden für einen längeren, in der Regel über ein Semester hinausgehenden Zeitraum entscheiden müssen, ob sie sich mit Hilfe der Beklagten oder mit Hilfe des kommerziellen Repetitors auf die Prüfung vorbereiten.

Wird ein Richter nebenberuflich als Repetitor für Referendare tätig, ist dies im Übrigen mit der Werbung kommerzieller Repetitorien (im Hinblick auf das erste Staatsexamen) in der staatlichen Hochschule nicht vergleichbar, denn durch letztere werde

eine sachliche und räumliche Verbindung zur staatlichen Einrichtung geschaffen, welche die Annahme zulässt, die staatliche Einrichtung billige den Inhalt der Werbung, fördere die private Einrichtung und halte deren Besuch für nützlich oder gar geboten,

während die

auf die lehrende Person (des Richters) beschränkte Identität zwischen staatlicher und privater Ausbildung (…) in geringerem Maße eine Verbindung zur staatlichen Ausbildung her(stellt). Der Ausbilder wird erkennbar als Privatperson außerhalb der staatlichen Einrichtung und außerhalb seiner Dienstzeit tätig.

Außerdem (das dürfte wohl den meisten Referendaren bewusst sein)

dient die staatliche Referendarausbildung vorrangig dazu, den Referendar mit den Aufgaben der juristischen Praxis vertraut zu machen und nimmt – anders als die universitäre Ausbildung – nicht für sich in Anspruch, ein umfassendes Angebot zur Prüfungsvorbereitung bereit zu stellen.

Die auf diesem Wege festgestellte und mehrfach untermauerte Beeinträchtigung der Zweckbestimmung der Hochschule berechtigt grundsätzlich zum Erlass des Werbe- und Hausverbots.

Das auf Rechtsfolgenseite zu beachtende Ermessen hat die Hochschule nach Ansicht des Gerichts fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere musste sie das Haus- und Werbeverbot nicht etwa auf das Juridicum beschränken. Denn überall, wo sich Jurastudenten möglicherweise aufhalten könnten, erwecke die Werbung der Repititorien den Eindruck der Duldung durch die Hochschule.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nach Erlass der alle kommerziellen juristischen Repetitorien betreffenden Allgemeinverfügung ebenfalls nicht ersichtlich. Das Gericht erteilt dazu noch einige interessante Hinweise. Nicht zu beanstanden ist etwa, das nicht kommerzielle Repetitorien die Werbung in der Hochschule nicht untersagt wurde. Diese stehen nach Ansicht des Gerichts nicht in einer vergleichbaren Konkurrenzsituation zur Hochschule und sind außerdem schon deshalb nicht zu beanstanden, wenn und weil die von Mitarbeitern der Hochschule (in deren Aufgabenbereich) geleitet werden. Auch die teilweise durchgeführte (und nicht untersagte) Werbung für Verlagsprodukte kommerzieller Repetitorien war nicht zu beanstanden, da insoweit die Zweckbestimmung der Hochschule nicht beeinträchtigt ist.

Die Kombination von Werbe- und Hausverbot findet ihre Rechtfertigung in dem (von der Hochschule vorgetragenen) Umstand,

dass andernfalls Werbung durch das Verteilen von Handzetteln oder kostenlosen Skripten und durch persönliche Ansprachen nicht wirksam begegnet werden könnte. So sei es z.B. öfter vorgekommen, dass Mitarbeiter kommerzieller Repetitorien unmittelbar nach einer Lehrveranstaltung den Hörsaal betreten hätten, um für kommerzielle Veranstaltungen gleichen Inhalts zu werben. (…) Gegen ein derartiges Vorgehen könne die Beklagte nur durch ein sofortiges Eingreifen mittels eines Hausverbots vorgehen.

Schließlich ist das Hausverbot auch angemessen, da es auf das Betreten zu Werbezwecken beschränkt wurde.

Die Anfechtungsklage ist im Ergebnis unbegründet.

C. Fazit

Die Entscheidung des VG Göttingen betrifft sicherlich keinen klausurtypischen Sachverhalt. Das Verhältnis von staatlicher Universitätsausbildung zu privatem Repetitorium und dessen Bedeutung für die Juristenausbildung ist indessen ein Thema, zu dem nahezu jeder (angehende) Jurist eine Meinung haben dürfte. Als Aufhänger für eine Diskussion in der mündlichen Prüfung eignet sich die Entscheidung (bzw. der ihr zugrunde liegende Sachverhalt)  deshalb ganz gewiss. Anknüpfungspunkte für die Prüfung verwaltungsrechtlicher Grundlagen enthält der Sachverhalt zu Genüge (einstweiliger Rechtschutz, Ermächtigungsgrundlage, Verfahrensfehler, Rechtsfolgenseite, Ermessen, Verhältnismäßigkeit etc.).

Hingewiesen wird zudem noch auf eine Entscheidung des Kartellsenats des OLG Karlsruhe vom 13.05.2009 (6 U 50/08). Hier ging es um einen ähnlich gelagerten Fall an der Uni Freiburg, der im Ergebnis ebenfalls zu Gunsten der Hochschule entschieden wurde.

Eines der betroffenen Repetitorien soll bereits einen Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO) gestellt haben (siehe hierzu und zu weiteren interessanten Hintergrundinformationen den Bericht bei ). Wir werden über den weiteren Verlauf des Verfahrens berichten.

 

22.10.2012/7 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2012-10-22 12:30:132012-10-22 12:30:13VG Göttingen: Werbe- und Hausverbot gegen juristische Repetitorien bestätigt
Dr. Simon Kohm

Aktuell: § 19 AtomG – RWE klagt

Aktuelles, Öffentliches Recht, Staatshaftung, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Da gibts zur Zeit Überstunden bei den Energieabteilungen der Großkanzleien: Wie den aktuellen Nachrichten zu entnehmen ist, will RWE gegen die Stilllegung seiner AKW klagen; EON wohl nicht. Wir hatten über die verwaltungsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Umstände des „Moratoriums“ berichtet.
Angeblich enthielten die Bescheide keine Anordnung des Sofortvollzuges. Kommt mir irgendwie komisch vor, gerade bei dem Thema. Jedenfalls die Anfechtungsklage hat also aufschiebende Wirkung.
Ansonsten ist natürlich die politische Brisanz einer gerichtlichen Entscheidung zu beachten. Aber bis das beim VG/OVG//VGH wirklich auf den Tisch kommt (vorliegend kein Eilverfahren), kann ja auch noch Zeit vergehen. Der Bund wird bis zu diesem Zeitpunkt unter Umständen schon eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen haben, sodass sich die Anfechtungsklage von RWE erledigt hätte. Hier müsste dann umgestellt werden auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage.

01.04.2011/2 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2011-04-01 06:15:062011-04-01 06:15:06Aktuell: § 19 AtomG – RWE klagt

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