Schmerzensgeld vom Hochzeitsfotografen?
Es soll der schönste Tag im Leben sein: Die Hochzeit. Umso ärgerlicher, wenn der Hochzeitsfotograf seinen Job nicht zur Zufriedenheit des Brautpaars ausübt. Ob in diesem Fall dem Brautpaar ein Schmerzensgeldanspruch zusteht, hatte das LG Köln zu entscheiden (LG Köln 08.04.2024 – 13 S 36/22). Warum sich der Beschluss des Landgerichts in die schon bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung einfügt, erklärt unser Gastautor Micha Mackenbrock. Er hat das erste Staatsexamen an der Universität Bonn absolviert und widmet sich derzeit seinem Promotionsvorhaben im Arbeitsrecht.
I. Der Sachverhalt
Für den Tag ihrer Hochzeit hat ein Brautpaar einen Fotografen gegen Bezahlung engagiert. Nach der Hochzeit überreichte der Fotograf dem Brautpaar einen USB-Stick mit 170 Fotos von der Hochzeit. Doch damit war das Brautpaar unzufrieden: Es seien zu wenig Bilder gemacht worden. Zudem fehlten Bilder von wichtigen Momenten der Feier: Das Steigenlassen der Luftballons wurde fotografisch nicht festgehalten und auch einige Gruppenfotos befanden sich nicht auf dem USB-Stick.
Schwer enttäuscht verklagte das traurige Brautpaar den Fotografen vor dem Amtsgericht und forderte pro Person mindestens 1.000€ Schmerzensgeld, also insgesamt mindestens 2.000€.
II. Die Entscheidung
1. Kein Erfolg vor dem Amtsgericht
Das Amtsgericht zeigte sich schon skeptisch dahingehend, ob ein nicht hinreichendes Fotografieren überhaupt eine Pflichtverletzung darstellen könne, wenn darüber keine ausdrücklichen Absprachen zwischen den Vertragsparteien getroffen worden sind.
Jedenfalls aber würde die von den Klägern geltend gemachte „Enttäuschung und Trauer“ nicht ausreichen, um einen Schmerzensgeldanspruch begründen zu können. Enttäuschung und Trauer würden als solche nur eine geringfügige Beeinträchtigung des seelischen Wohlempfindens darstellen. Solche Bagatell-Beeinträchtigungen reichten nicht aus, um einen Schmerzensgeldanspruch auslösen zu können.
2. Erfolglose Berufung vor dem Landgericht
Gegen das Urteil des Amtsgerichts gingen die Kläger in Berufung, jedoch erfolglos. Das Landgericht folgte dem Amtsgericht und begründet seine Entscheidung damit, dass ein Schmerzensgeldanspruch bei vertraglichen Pflichten eine psychische Beeinträchtigung verlange. Zwar trugen die Kläger vor, dass sie große Enttäuschung und Trauer fühlen würden, und dass ihre Hochzeit wegen des Ärgers um die Fotos nun für immer negativ behaftet sei. All dies stelle jedoch keine tatsächliche, tiefergehende psychische Beeinträchtigung dar. Diese sei aber Voraussetzung für einen Schmerzensgeldanspruch.
Auch ein deliktischer Anspruch sei mangels Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts nicht gegeben.
III. Einordnung der Entscheidung
Die Entscheidungen des Amts- und Landgerichts sind nicht überraschend, sondern lassen sich in die Grundsätze einordnen, welche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entworfen worden sind.
1. Die Rechtsprechung zu „Schockschäden“
So beschäftigte sich der BGH Ende 2022 wiederholt mit einem Fall zum sogenannten „Schockschaden“ (BGH, Urteil vom 27.10.2022 – I ZR 139/21, NJW 2023, 983). In dem vom BGH zu entscheidenden Fall wurde die junge Tochter des Klägers von dem Beklagten mehrfach sexuell missbraucht. Als der Kläger dies erfuhr, wurde er depressiv, musste in psychologische Behandlung und wurde über ein Jahr lang arbeitsunfähig. Der BGH entschied, dass in diesem Fall eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 I BGB vorläge, da die psychische Beeinträchtigung pathologisch fassbar sei und folglich einen Krankheitswert erreicht habe. Daher wurde dem Kläger ein Schmerzensgeldanspruch zugesprochen.
Zudem stellte der BGH klar, dass eine allzu ausufernde Haftung auf Schmerzensgeld vermieden werden soll:
Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen worden ist. Hierfür muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; […]. Daran fehlt es in der Regel, wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist (BGH, Urteil vom 27.10.2022 – I ZR 139/21, NJW 2023, 983 (985).
Im Fall des Hochzeitsfotografen könnte man wohl argumentieren, dass es eben auch dem Schutzweck der Norm entspreche, dass das Brautpaar vor späteren Enttäuschungen bewahrt werden soll. Die Enttäuschung des Brautpaares hat aber eben nicht den pathologischen Krankheitswert erreicht, welchen der BGH fordert.
2. Das Vorliegen eines pathologischen Zustandes
Zudem setzt die Rechtsprechung hohe Anforderungen an das Vorliegen eines pathologischen Zustandes. Selbst massive Schlafstörungen, Weinkrämpfe, Alpträume, vorübergehende Kreislaufstörungen, Unkonzentriertheit und ein depressives und unruhiges Gemüt würden an sich keine psychopathologischen Ausfälle von einiger Dauer und einigem Gewicht darstellen. Erst dann, wenn diese Auswirkungen pathologisch fassbar seien, könne ein Schmerzensgeldanspruch zuerkannt werden (OLG Celle, Urteil vom 24.08.2022 – 14 U 22/22, BeckRS 2022, 21824, Rn. 28 f.).
Hier erreichte die Enttäuschung und Trauer des Brautpaares keinen pathologisch messbaren Wert, auch wenn das LG Köln feststellte, dass die negativen Gefühle des Brautpaares „nachvollziehbar“ seien.
IV. Fazit
Verständlicherweise lässt die Rechtsprechung Schmerzensgeldansprüche nur unter engen Voraussetzungen zu. Andernfalls liefe wohl jeder Gefahr, sich ständig und überall schadensersatzpflichtig zu machen. Soll etwa schon ein grummeliger, unfreundlicher Busfahrer, welcher Ärger und Unwohlsein bei den Fahrgästen auslöst, Schmerzensgeld leisten müssen? Das dies nicht richtig sein kann, erschließt sich von selbst.
Eine restriktive Handhabung entspricht daher vor allem auch dem in § 253 BGB deutlich werdenden Willen des Gesetzgebers, der Schmerzensgeldansprüche nur in Ausnahmefällen vorsieht.
Ok, vielleicht etwas schwierig problematisch. Es könnte noch anzudenken sein, dass eine Erfüllung aufgrund unterbliebener, nun unmöglicher Fotos, teils nachträglich unmöglich geworden ist. Dafür kannn bedeutsam sein, ob unterbliebene Fotos insgesamt gesehen angesichts besonderer Situationslage von wichtiger Bedeutung scheint. Unterbliebene und nun eventuell nachträglich unmögliche Fotos könnten aufgrund ihrer Einmaligkeit und unwiederholbaren Verlorenheit der Situation einen zu ersetzenden Teilschadenswert haben, welcher eine vorgesehene Vergütung übersteigt und daher gesondert ersatzfähig sein kann? Eine genaue Schadenshöhe könnte dabei noch zweifelhaft wirken und sollte eventuekll eher niedriger als der geforderte Betrag liegen?
Leicht korrigiert:
Ok, vielleicht etwas schwierig problematisch. Es könnte noch anzudenken sein, dass eine Erfüllung aufgrund unterbliebener, nun unmöglicher Fotos teils nachträglich unmöglich geworden ist. Dafür kann bedeutsam sein, ob unterbliebene Fotos insgesamt gesehen angesichts besonderer Situationslage von wichtiger Bedeutung scheinen. Unterbliebene und nun eventuell nachträglich unmögliche Fotos könnten aufgrund ihrer Einmaligkeit und unwiederholbaren Verlorenheit der Situation einen zu ersetzenden Teilschadenswert haben, welcher eine vorgesehene Vergütung übersteigt und daher gesondert ersatzfähig sein kann? Eine genaue Schadenshöhe könnte dabei noch zweifelhaft wirken und sollte eventuell eher niedriger als der geforderte Betrag liegen?
(Bei eventuell eher nicht vorliegender Unentgeltlichkeit könnte dagegen weiter noch an Haftungsbeschränkung zu denken sein usw.?)
(Ah, OK, in der Sachverhaltswiedergabe heißt es nun, wie erst jetzt bemerkt, dass die Hochzeitfotos gegen Bezahlung angefertigt werden sollten.)
Wenn eine grundsätzliche Haftungsmöglichkeit angenommen wird, sollte dies m.E. nicht nur eine Frage eines rein „immateriellen Schadens“ scheinen.
Es kann um den „materiellen Wert“ von nicht angefertigten Fotos als Gegenstand gehen.
Eine Frage kann sein, ob solcher gegenständliche Wert nachträglich ab dem Schadensereignis aufgrund einer nachträglichen besonderen Bedeutung eines schadensbegründend fehlenden Gegenstandes über einem möglichen Minderwert liegen kann?
Wenn für eine Schadensberechnung vergleichend die Vermögenslage nach einem Schadensereignis mit heranzuziehen sein soll, sollte dies unter Umständen nicht von vornherein in jedem Fall völlig ausgeschlossen scheinen?