Praktikum am Landgericht Bonn
Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Amelie Pühler veröffentlichen zu können. Die Autorin studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und berichtet über ihr absolviertes Pflichtpraktikum am Landgericht Bonn.
Nach mittlerweile drei Hausarbeiten und damit einhergehend einer Vielzahl an zitierten Urteilen und Beschlüssen war es an der Zeit, einen Einblick in die Rechtsprechung zu erlangen. So entstand der Wunsch, mein erstes juristisches Praktikum an einem Gericht zu absolvieren. Und soviel kann vorweg genommen werden: Meine Erwartungen wurden nicht nur erfüllt, sondern übertroffen; aber der Reihe nach:
I. Einblick in das Praktikantenprogramm
Der erste Tag begann für uns – neben mir nahmen 19 weitere Jurastudentinnen und -studenten an dem Praktikum teil – mit einer Begrüßung durch die für uns zuständige Richterin sowie der Vorstellung des Programms für die kommende Woche. Zu Beginn jeder neuen Woche erhielten wir ein neues Programm, sodass uns in den vier Wochen vielfältige Einblicke in die Arbeitsbereiche eines Gerichts sowie der Justiz als solcher ermöglicht wurden. Anstatt einem Richter für den gesamten Monat zugeteilt zu sein, waren wir als 20-köpfige Praktikantengruppe unterwegs, wobei auch der Austausch mit den anderen Praktikanten sehr bereichernd war, zumal einige von uns bereits mehrere Praktika absolviert hatten und viele Empfehlungen geben konnten.
Einen festen Bestandteil der Zeit am Landgericht Bonn stellten Besuche bei Sitzungen zivilrechtlicher Kammern sowie der Hauptverhandlung im Strafrecht dar. So lernten wir die Abläufe eines Prozesses in der Praxis kennen und konnten durch vorherige Zurverfügungstellung der Akten einen Einblick in die Verfahren erhalten. Es war wirklich spannend, auch einige Verfahren mit großer medialer Aufmerksamkeit so detailliert kennenzulernen, und gleichzeitig beeindruckend, wie unterschiedlich sich die richterliche Arbeit je nach Kammer darstellt. Neben Teilnahmen an Sitzungen verschiedener Zivilkammern am Landgericht, wie zum Beispiel der Kammer für Versicherungssachen oder der zuständigen Baukammer, sowie verschiedener Strafkammern, unter anderem der Jugendschöffenkammer sowie des Schwurgerichts, standen auch Exkursionen zu anderen Gerichten im Landgerichtsbezirk auf dem Programm. Am Amtsgericht Euskirchen haben wir einen Familienrichter an einem Sitzungstag begleitet und eine große Bandbreite an familienrechtlichen Bereichen, von Scheidungen über Sorgerechtsfragen bis hin zu Umgangsforderungen, kennengelernt. Darüber hinaus hat uns der Familienrichter die besonderen Anforderungen an seine Tätigkeit näher gebracht, indem wir das Befragungszimmer für Kinder besucht sowie mit dem Jugendamt gesprochen haben. Eine weitere Exkursion führte uns zum Amtsgericht Siegburg, wo wir einen Einzelrichter im Strafrecht begleiteten. Hier wurde insbesondere der Unterschied zwischen strafrechtlichen Verfahren am Landgericht, die sich meist über mehrere Verhandlungstermine erstreckten, und denen am Amtsgericht deutlich, welche eine unmittelbar an die Verhandlung anschließende Urteilssprechung nach sich führten. Aber auch ein Einblick in die Arbeit des OLG Köln als Revisionsinstanz wurde ermöglicht. Wir besuchten zwei Sitzungen, die sich nunmehr mit rechtlichen Fragen beschäftigten, also ein klarer Kontrast zu der Sachverhaltsaufklärungsarbeit der Amts- und Landgerichte, die wir bereits kennengelernt hatten. Es lässt sich ziemlich sicher sagen, dass der OLG Besuch nicht nur sehr spannend war, sondern uns alle aufgrund der großen juristischen Expertise des Senats schlichtweg beeindruckt hat.
Wer davon ausging, das Praktikum komplett im Gerichtssaal zu absolvieren, lag eindeutig falsch. Das Programm ermöglichte uns nämlich einen Blick über das Juristische hinaus, sodass wir weitere Aspekte der Justiz kennenlernen konnten. Der Besuch der JVA Siegburg führte uns vor Augen, wie unterschiedlich sich die Haft für die Gefangenen gestaltet: Wir erhielten Einblicke in die Arbeitsmöglichkeiten in der Haft, die verschiedenen Hafträume bis hin zum besonders gesicherten Haftraum und sprachen mit Gefangenen und Justizbeamten. Darüber hinaus sprachen wir an einem anderen Tag mit dem Ambulanten Sozialen Dienst der Justiz, der sowohl für Bewährungshilfe als auch für Führungsaufsicht, die Prozessbegleitung sowie den Opferschutz zuständig ist – auch hier wieder: spannende neue Perspektiven, viele Geschichten aus dem Alltag eines Bewährungshelfers und ein wachsendes Verständnis dafür, wieviel mit der Justiz zusammenhängt, was weit über die richterliche Tätigkeit hinausgeht. Besonders interessant war auch die Führung der Wachtmeister, die uns darüber informierten, wie die Akte ihren Weg durch das Gericht findet, inwieweit die Umstellung der Papierakte auf die digitale Akte funktioniert und uns zuletzt die Vorführungszellen im Untergeschoss des Gerichts zeigten; diese sind durch ein spezielles unterirdisches Gangsystem direkt mit den Gerichtssälen verbunden.
Nach vier Wochen voller vielfältiger Eindrücke schlüpften wir dann zum Ende des Praktikums selber in die Rollen des Gerichts sowie der beiden Parteien, indem wir einen Moot Court vorbereiteten und am letzten Praktikumstag auch durchführten. Das war auf jeden Fall ein krönender Abschluss, der uns einen kleinen Vorgeschmack auf die richterliche Tätigkeit ermöglichte. Im Anschluss wurden wir noch zu einem Abschluss-Mittagessen ins Restaurant eingeladen – eine großartige Möglichkeit, um das Praktikum zu reflektieren sowie auch nochmals mit zwei jungen Richtern ins Gespräch zu kommen und unsere Fragen bezüglich des Berufseinstiegs zu stellen.
Für diejenigen, die noch immer überlegen, ob ein Praktikum am Landgericht Bonn die richtige Entscheidung ist, sei noch hinzugefügt, dass sich die Kantine im obersten Stock des Gebäudes befindet, von wo aus man einen wunderbaren Blick über Bonn hat (und Currywurst genießen kann).
II. Das Bewerbungsverfahren
Und für diejenigen, die nun selber Interesse an einem solchen Praktikum haben, hier einige Informationen zum Bewerbungsprozess: Das Landgericht bietet zweimal im Jahr in den Semesterferien die Summer- bzw. Winterschool an. Die Bewerbungsunterlagen, welche Lebenslauf, Anschreiben, Notenübersicht, Abiturzeugnis und Immatrikulationsbescheinigung umfassen, sind per Mail an das Gericht zu übersenden, genauere Informationen sind auf der Internetseite des Gerichts zu finden. Im Anschluss erhält man per Mail eine Rückmeldung über den Ausgang der Bewerbung, ein Gespräch o.Ä. ist nicht vorgesehen. Rechtzeitig vor dem Praktikumsbeginn wurden mir der Praktikumsvertrag sowie alle weiteren Unterlagen postalisch zugeschickt.
Rückblickend bin ich sehr dankbar für die vielfältigen Eindrücke und insbesondere den Einblick in den richterlichen Arbeitsalltag und kann das Praktikum nur wärmstens empfehlen.
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