Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage – ein Grundlagenbeitrag
Die Fortsetzungsfeststellungsklage gehört zu den Klassikern im öffentlichen Recht. Insbesondere im Polizei- und Ordnungsrecht hat sie große Relevanz, da polizeiliche Maßnahmen ihrer Natur nach auf kurze Zeit angelegt sind und der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme oftmals erst nach deren Erledigung verlangt (Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn. 36; Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 62). Allerdings können auch im Baurecht Klausurkonstellationen auftreten, bei denen die Prüfung einer Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlich ist. So etwa im Fall einer Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung bei späterem Erlass einer Veränderungssperre (W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 109). Klausurgegenstand kann die Fortsetzungsfeststellungsklage ebenfalls im Kommunalrecht sein. Dies etwa dann, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Aufsichtsmaßnahme vom Kläger begehrt wird (Piecha, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 65 f.). Der Klausurbearbeiter, dem der prozessuale Einstieg in die Klausur durch eine souveräne Zulässigkeitsprüfung gelingt, hinterlässt direkt einen guten ersten Eindruck beim Korrektor.
Angesichts der Besonderheiten, die sich bei jener Klageart bereits in der Zulässigkeit ergeben, widmet sich der nachfolgende Beitrag den Strukturen und Besonderheiten der Zulässigkeitsprüfung nach § 113 I 4 VwGO.
I. Gesetzliche Regelung in § 113 I 4 VwGO
Gesetzlich geregelt ist die Fortsetzungsfeststellungsklage in § 113 I 4 VwGO. Der Beginn der Zulässigkeitsprüfung sollte mit dem sorgfältigen Lesen des Normtextes begonnen werden, aus dem sich viele der Zulässigkeitsvoraussetzungen ableiten lassen. Demnach gilt folgendes:
„Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.“, § 113 I 4 VwGO.
II. Statthaftigkeit, § 88 VwGO
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist somit statthaft, wenn der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes begehrt, § 113 I 4 VwGO (So auch Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 3).
1. Vorliegen eines erledigten Verwaltungsaktes
Ausgangspunkt der Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage ist somit das Vorliegen eines erledigten Verwaltungsaktes.
Der Begriff des Verwaltungsaktes richtet sich nach § 35 VwVfG und ist insbesondere vom Realakt abzugrenzen, der im Unterschied zum Verwaltungsakt nicht auf Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist (zum Begriff des Verwaltungsaktes ausführlich Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 420-496).
Der Begriff der Erledigung ist gesetzlich nicht definiert. § 113 I 4 VwGO und § 43 II VwVfG nennen lediglich Beispielfälle. (Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 11 f.). Die Erledigung des Verwaltungsaktes ist dann anzunehmen, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene Beschwer weggefallen ist und die gerichtliche Aufhebung des Verwaltungsaktes sinnlos wäre. Dies kann aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Fall sein (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1422). Dem Klausurbearbeiter sollten dabei insbesondere die folgenden Konstellationen bekannt sein.
Erledigung aus rechtlichen Gründen liegt insbesondere vor:
- Bei Rücknahme nach § 48 VwVfG oder Widerruf nach § 49 VwVfG des Verwaltungsaktes, § 113 I 4 VwGO, § 43 II VwVfG
- Bei Eintritt einer auflösenden Bedingung
- Beispielsweise, wenn der Verwaltungsakt festlegt, dass er im Fall des Eintritts eines bestimmten Ereignisses seine Wirkung verliert (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1422).
- Bei Fristablauf
- Exemplarisch, wenn feststeht, dass der Verwaltungsakt nur für eine bestimmt Zeit gilt (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1422).
Erledigung aus tatsächlichen Gründen liegt insbesondere vor:
- Bei Zeitablauf, § 43 II VwVfG:
- Beispielsweise erledigt sich das durch Verwaltungsakt bestimmte Verbot, eine bestimmte Demonstration an einem bestimmten Tag abzuhalten, nach Ablauf dieses Tages (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1422).
- Bei Wegfall des Regelungsobjekts
- Exemplarisch liegt ein Wegfall des Regelungsobjektes vor, wenn ein Gebäude, wie durch Verwaltungsakt angeordnet, abgerissen wird (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1422).
- Bei Tod des Adressaten des Verwaltungsaktes, soweit es sich um höchstpersönliche Rechte und Pflichten handelt oder ein Nachfolgetatbestand nicht erfüllt ist. Beispielsweise begründen sich bei der Ernennung zum Beamten höchstpersönliche Rechte und Pflichten, sodass mit dem Tod Erledigung eintritt (Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 405).
2. Unmittelbare Anwendung bei Erledigung nach Erhebung der Anfechtungsklage
Nach dem Wortlaut des § 113 I 4 VwGO und dessen systematischer Stellung findet die Fortsetzungsfeststellungsklage dabei nur auf den Fall der Erledigung des Verwaltungsaktes nach Erhebung einer Anfechtungsklage unmittelbar Anwendung (s. dazu Fechner, NVwZ 2000, 121, 122).
Der direkte Anwendungsbereich der Fortsetzungsfeststellungsklage ist somit doppelt begrenzt.
Erstens ist sie in zeitlicher Hinsicht auf die Erledigung nach Klageerhebung und vor einer Entscheidung des Gerichts über die Klage beschränkt (s. dazu Fechner, NVwZ 2000, 121, 122).
Zweitens ist die Fortsetzungsfeststellungsklage unmittelbar lediglich als Fortsetzung einer Anfechtungsklage nach § 42 I Var. 1 VwGO anwendbar. Damit ist die Fortsetzungsfeststellungsklage in direkter Anwendung auf die Konstellationen beschränkt, bei denen der Kläger ursprünglich die Aufhebung eines ihn belastenden Verwaltungsaktes begehrt hat, § 42 I Var. 1 VwGO(Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn. 37 – 39).
3. Analoge Anwendung bei Erledigung vor Erhebung der Anfechtungsklage
Allerdings kann es auch zu einer Erledigung des Verwaltungsaktes vor der Klageerhebung kommen. Insbesondere polizeiliche Maßnahmen haben sich regelmäßig bereits erledigt, bevor es zum Verwaltungsprozess kommt (Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn. 36, 42).
Die Fortsetzungsfeststellungsklage könnte in diesen Fällen nach § 113 I 4 VwGO analog statthaft sein. Eine Analogie setzt das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage voraus (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 365).
a) Planwidrige Regelungslücke
Eine planwidrige Regelungslücke läge vor, wenn keine andere normierte Klageart bei Erledigung vor Klageerhebung einschlägig wäre (Heinze/Sahan, JA 2007, 805, 807; Fechner, NVwZ 2000, 121, 123). Es wäre dann eine in Anbetracht des Art. 19 IV GG nicht zu rechtfertigende Rechtsschutzlücke gegeben (Fechner, NVwZ 2000, 121, 123). An einer planwidrigen Regelungslücke fehlt es somit, wenn der Kläger Rechtsschutz über die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 I Var. 1 VwGO erlangen könnte.
Dafür müsste der Kläger die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehren, § 43 I Var. 1 VwGO.
aa) Die allgemeine Feststellungsklage wird dem klägerischen Begehren nicht gerecht
Zwar stellt ein Verwaltungsakt selbst kein festzustellendes Rechtsverhältnis dar (s. dazu ausführlich Heinze/Sahan, JA 2007, 805, 806). Allerdings kommt als festzustellendes Rechtsverhältnis die Berechtigung der Behörde gegenüber dem Adressaten zum Erlass des konkreten Verwaltungsaktes in Betracht (Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 22; Ingold, JA 2009, 711, 713; Schenke, NVwZ 2000, 1255, 1257).
Indes wird eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 I Var. 1 VwGO, gerichtet auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Berechtigung der Behörde zum Erlass des konkreten Verwaltungsaktes, nicht dem klägerischen Begehren gerecht: Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes. Wird die Berechtigung der Behörde zum Erlass des Verwaltungsaktes festgestellt, lässt dies aber keinen zwingenden Schluss auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu. Insbesondere könnte der erledigte Verwaltungsakt etwa aufgrund eines Ermessensfehlers gleichwohl rechtswidrig sein (Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 23; Ingold, JA 2009, 711, 714).
bb) Die allgemeine Feststellungsklage würde zu System- und Wertungswidersprüchen im Rechtssystem führen
Entscheidend gegen die Statthaftigkeit der allgemeinen Feststellungsklage spricht zudem folgender Gedanke: Wäre die allgemeine Feststellungsklage statthaft, würde vom Zufall des Erledigungszeitpunkt abhängen, welche Klageart statthaft ist. Im Hinblick darauf, dass die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 I Var. 1 VwGO und die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I 4 VwGO unterschiedliche Sachentscheidungsvoraussetzungen haben, würde somit dem zufälligen Zeitpunkt der Erledigung ein maßgeblicher Stellenwert für die Abwicklung des Rechtsschutzes zukommen, was zu System- und Wertungswidersprüchen im Rechtsschutzsystem führen würde (W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 99; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1421; Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 445; Schenke, NVwZ 2000, 1255, 1257; Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 23).
cc) Zwischenergebnis
Die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 I Var. 1 VwGO ist bei Erledigung vor Klageerhebung nicht statthaft, sodass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.
b) Vergleichbare Interessenlage
Das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage ergibt sich aus der Erwägung, dass es aus der Sicht des Klägers vom Zufall abhängt, ob die Erledigung des Verwaltungsaktes vor Erhebung der Klage oder erst danach eintritt (Grosche/Wedemeyer, ZJS 2022, 889, 891).
4. Analoge Anwendung bei Erledigung nach Erhebung der Verpflichtungsklage
Denkbar ist allerdings auch, dass sich eine Verpflichtungsklage nach Klageerhebung erledigt. Es kommt somit eine analog Anwendung des § 113 I 4 VwGO auf die Verpflichtungssituation in Betracht. Die entsprechende Anwendung des § 113 I 4 VwGO auf die Verpflichtungssituation ist allgemein anerkannt (Sigrid, in: Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, § 113 Rn. 119), sodass längere Ausführungen in einer Klausur nicht erforderlich sind. Es genügt festzustellen, dass eine planwidrige Regelungslücke aufgrund der ansonsten bestehenden Rechtsschutzlücke, die im Hinblick auf Art. 19 IV GG nicht zu rechtfertigen ist, vorliegt (Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 28) und sich die vergleichbare Interessenlage daraus ergibt, dass es für den Kläger keinen Unterschied macht, ob eine Belastung durch einen potentiell rechtswidrigen erledigten Verwaltungsakt oder durch eine ihm potentiell zustehende zunächst versagte oder unterlassene Begünstigung vorliegt (Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn. 43; Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 28). Ergänzend kann als Argument angeführt werden, dass der Kläger nicht „um die Früchte seiner bisherigen Prozessführung gebracht werden soll“ (Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 113 Rn. 98). Im Hinblick auf die Prozessökonomie erscheint es angebracht, dem Kläger die Möglichkeit zu geben, die Verpflichtungsklage bei Erledigung nach Klageerhebung als Fortsetzungsfeststellungsklage fortzuführen (Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 435).
Zu beachten ist, dass mit einer Verpflichtungsklage der Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen begünstigenden Verwaltungsaktes begehrt wird, § 42 I Var. 2 VwGO. Mangels bestehenden Verwaltungsaktes kann die Bestimmung der Erledigung somit nicht wie in der Anfechtungssituation erfolgen (Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 28). Bei der Verpflichtungsklage kommt es entscheidend auf die Erledigung des Klagebegehrens an (Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 113 Rn. 113). Erledigung des Klagebegehrens liegt dabei dann vor, wenn der Verpflichtungsanspruch für den Kläger objektiv sinnlos wird und mit keinen Nutzen mehr für ihn verbunden ist (Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 113 Rn. 113).
5. Doppelte analoge Anwendung bei Erledigung vor Erhebung der Verpflichtungsklage
Problematisch ist die Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage zudem im Fall der Erledigung des Klagebegehrens vor Erhebung der Verpflichtungsklage. Es handelt sich um eine Kombination der soeben erläuterten analogen Konstellationen. Zunächst ist hier zu klären, ob § 113 I 4 VwGO analog auf die Verpflichtungssituation Anwendung findet (siehe Prüfungspunkt II.4.) und anschließend ist zu prüfen, ob § 113 I 4 VwGO analog für den Fall der Erledigung vor Klageerhebung anzuwenden ist (siehe Prüfungspunkt II.3.). Im Ergebnis ist von einer doppelt analogen Anwendung des § 113 I 4 VwGO auszugehen (Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 30).
III. Sonstige Sachentscheidungsvoraussetzungen
Merkposten:Bei der Prüfung der nachfolgenden Sachentscheidungsvoraussetzungen sollte der Klausurbearbeiter folgendes im Hinterkopf behalten: Im Fall der Erledigung nach Klageerhebung handelt es sich bei der Fortsetzungsfeststellungsklage um eine Fortsetzung der Ausgangsklage (je nach Fallkonstellation ist die Ausgangsklage eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage). Es müssen deshalb auch die Sachentscheidungsvoraussetzungen der Ausgangsklage gegeben sein (Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn. 54). Dies ergibt sich aus der Wertung, dass eine ursprünglich unzulässige Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nicht allein durch das regelmäßig zufällige Ereignis der Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes zu einer zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage werden kann (s. dazu auch Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1432).
1. Klagebefugnis, § 42 II VwGO analog
Zunächst setzt die Fortsetzungsfeststellungsklage unstreitig voraus, dass der Kläger nach § 42 II VwGO analog klagebefugt ist. Im Fall der Erledigung nach Klageerhebung ergibt sich dies aus der bereits dargestellten Erwägung, dass es sich bei der Fortsetzungsfeststellungsklage um eine Fortführung der Ausgangsklage handelt und somit auch die Sachentscheidungsvoraussetzungen der Ausgangsklage vorliegen müssen (Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 411; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn. 54).
Im Fall der Erledigung vor Klageerhebung ergibt sich das Erfordernis aus dem Grund, dass es sich bei der Fortsetzungsfeststellungsklage um einen Rechtsbehelf zum Schutz subjektiver Rechte handelt (Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 453).
2. Vorverfahren, § 68 I 1 VwGO analog
Aufgrund der Tatsache, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage bei der Erledigung nach Klageerhebung die Ausgangsklage fortsetzt, ist auch für die Fortsetzungsfeststellungsklage die Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 I 1 VwGO erforderlich (Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 412). Allerdings ist zu beachten, dass in Nordrhein-Westfalen ein solches Vorverfahren regelmäßig nach § 68 I 2 Hs. 1 VwGO i.V.m. § 110 I JustG NRW entbehrlich ist.
Für den Fall der Erledigung vor Klageerhebung ist es umstritten, ob die erfolglose Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 I 1 VwGO analog erforderlich ist.
Merkposten: Für den Fall, dass das Vorverfahren nach § 68 I 2 Hs. 1 VwGO i.V.m. § 110 I JustG NRW entbehrlich ist, kann im Ergebnis dahinstehen, ob das Vorverfahren erforderlich ist oder nicht!
Zu differenzieren ist zwischen dem unproblematischen Fall der Erledigung nach Ablauf der Widerspruchsfrist nach § 70 I VwGO und dem problematischen Fall der Erledigung vor Ablauf der Widerspruchsfrist nach § 70 I VwGO.
a) Erledigung vor Klageerhebung und nach Ablauf der Widerspruchsfrist
Erledigt sich der Verwaltungsakt nach Ablauf der Widerspruchsfrist nach § 70 I VwGO ist die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig (Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 454). Grund ist, dass der Verwaltungsakt mit Ablauf der Widerspruchsfrist in Bestandskraft erwächst und damit nicht mehr angreifbar ist (Braun, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 38; Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 454a).
b) Erledigung vor Klageerhebung und vor Ablauf der Widerspruchsfrist
Problematisch ist, ob die Durchführung eines Vorverfahrens vor Ablauf der Widerspruchsfrist notwendig ist.
Für die Erforderlichkeit der Durchführung eines Vorverfahrens wird angeführt, dass Vorverfahren würde auch nach Erledigung des Verwaltungsaktes zweckmäßig sein, da es zu einer Selbstkontrolle der Verwaltung, zur Entlastung der Verwaltungsgerichte und zum Rechtsschutz des Bürgers beitragen würde (W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 127). Die Widerspruchsbehörde könne die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und eine hierdurch bestehende Rechtsverletzung feststellen. Das eine solche Feststellung möglich sei, zeige § 44 V VwVfG (W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 127). Dagegen spricht allerdings, dass das Widerspruchsverfahren auf die Aufhebung beziehungsweise den Erlass des Verwaltungsaktes gerichtet ist und nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit von (erledigten) Verwaltungsakten zum Gegenstand hat (Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 454a). Im Fall der Erledigung besteht die Möglichkeit der behördlichen Aufhebung indes nicht mehr (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1431). Zudem kennt die VwGO einen Fortsetzungsfeststellungswiderspruch nicht (Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 454a; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1431).
Im Ergebnis ist bei Erledigung vor Ablauf der Widerspruchsfrist kein Vorverfahren nach § 68 I 1 VwGO statthaft. Ein gleichwohl eingelegter Widerspruch ist unzulässig (Schmidt, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 454a).
3. Klagefrist, § 74 VwGO, § 58 VwGO analog
Es stellt sich weiterhin die Frage der Fristbindung der Fortsetzungsfeststellungsklage. Im Fall der Erledigung nach Klageerhebung ist die Wahrung der Klagefrist nach §§ 74, 58 II VwGO analog erforderlich. Die unzulässige Ausgangsklage (Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage) kann nicht durch das zufällige Ereignis der Erledigung zu einer zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage werden (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1432).
Für den Fall der Erledigung vor Klageerhebung ist wiederum umstritten, ob die Klagefrist nach §§ 74, 58 II VwGO gewahrt werden muss.
Merkposten: Eine Erörterung des Streitentscheids erübrigt sich, wenn nach dem Sachverhalt die Klagefrist nach §§ 74, 58 II VwGO eingehalten wurde. Ob die Wahrung der Klagefrist erforderlich ist, kann in diesem Fall dahinstehen.
Zu differenzieren ist zwischen dem unproblematischen Fall der Erledigung nach Ablauf der Klagefrist nach §§ 74, 58 II VwGO und dem problematischen Fall der Erledigung vor Ablauf der Klagefrist nach §§ 74, 58 II VwGO.
a) Erledigung vor Klageerhebung und nach Ablauf der Klagefrist nach §§ 74, 58 II VwGO
Hat sich der Verwaltungsakt oder das Klagebegehren vor Ablauf der Klagefrist erledigt, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig. Der Verwaltungsakt ist bereits bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden. Wenn der Kläger es versäumt, fristgerecht eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage einzulegen, ist auch die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig (Stockebrandt, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 40).
b) Erledigung vor Klageerhebung und vor Ablauf der Klagefrist nach §§ 74, 58 II VwGO
Problematisch ist, ob im Fall der Erledigung vor Ablauf der Klagefrist nach §§ 74 , 58 II VwGO eine Fristbindung nach §§ 74, 58 II VwGO besteht oder das Klagerecht nur durch Verwirkung einzugrenzen ist.
Für das Erfordernis der Fristbindung wird die Rechtsnatur der Fortsetzungsfeststellungsklage als fortgesetzte Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage angeführt (Stockebrandt, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 41). Gegen die Fristbindung spricht allerdings, dass der Sinn und Zweck des Fristsetzungserfordernisses bei Erledigung des Verwaltungsaktes nicht mehr greift. Der Zweck der Fristsetzung besteht darin, die Bestandskraft des Verwaltungsaktes zu sichern (Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 113 Rn. 149). Der Verwaltungsakt kann allerdings nicht in Bestandskraft erwachsen, weil er sich bereits erledigt hat. Zudem wird die Verwaltung vor einer stark verspäteten Einreichung der Klage durch die Notwendigkeit des Vorliegens eines Feststellungsinteresses und dem Grundsatz der Verjährung geschützt (Stockebrandt, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 41).
Somit ist anzunehmen, dass eine Fristbindung nach §§ 74, 58 II VwGO nicht besteht und als zeitliche Begrenzung des Klagerechts die Verwirkung genügt.
4. Fortsetzungsfeststellungsinteresse, § 113 I 4 VwGO
Nach § 113 I 4 VwGO muss zudem ein „berechtigtes Interesse“ des Klägers an der begehrten Feststellung bestehen. Anders als bei der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 I VwGO genügt das Vorliegen eines anzuerkennenden schutzwürdigen Interesses rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art nicht. Der Rechtsschutz der VwGO ist grundsätzlich darauf gerichtet, gegen aktuell bestehende Rechtsbeeinträchtigungen vorzugehen, Art. 19 IV GG, sodass es im Fall der Erledigung der Belastung besonders zu begründen ist, weshalb ausnahmsweise dennoch eine gerichtliche Überprüfung möglich sein soll (Bühler/Brönnecke, Jura 2017, 34, 37, Valentiner, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, § 4 Rn. 51). Das berechtigte Interesse an der Feststellung wird bei Einschlägigkeit bestimmter Fallgruppen angenommen.
a) Konkrete Wiederholungsgefahr
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht, wenn eine Wiederholung der erledigten Maßnahme droht (Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn. 48).
Voraussetzung ist indes, dass konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, dass eine erneute Belastung durch einen vergleichbaren und absehbaren Sachverhalt in Betracht kommt (Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn. 48).
b) Rehabilitationsinteresse
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt zudem vor, wenn die begehrte Feststellung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, als Genugtuung oder zur Rehabilitierung notwendig ist, weil der Verwaltungsakt einen objektiv diskriminierenden Charakter hatte und das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen beeinträchtigt hat(W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 142).
Erforderlich ist, dass dem Verwaltungsakt stigmatisierende Außenwirkung zukommt und diese in der Gegenwart andauert(W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 142).
c) Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses
Weiterhin ist zu beachten, dass derjenige, der durch den inzwischen erledigten Verwaltungsakt wirtschaftliche Nachteile erlitten hat und deshalb auf Schadensersatz oder Entschädigung die Zivilgerichte nach Art. 34 3 GG, § 40 II 1 VwGO anruft, ein berechtigtes Interesse daran hat, dass das Verwaltungsgericht vorher die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts feststellt. An diese Feststellung ist das Zivilgericht gebunden, § 121 VwGO (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1427). In diesem Fall liegt somit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers vor.
Voraussetzung ist, dass die Erledigung erst nach Klageerhebung eingetreten ist und die nachfolgende zivilgerichtliche Klage nicht offensichtlich aussichtslos ist (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1427). Für den Fall, dass sich der Verwaltungsakt bereits vor der Klageerhebung erledigt hat, kann der Kläger direkt Klage zum Zivilgericht erheben. Ein berechtigtes Interesse des Klägers einen vorbereitenden Prozess vor dem Verwaltungsgericht zu führen besteht dann nicht (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1427).
d) Schwerer Grundrechtseingriff
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist zudem bei einem schwerwiegenden Grundrechtseingriff anzunehmen. Wichtig ist dabei, dass die Schwere des Grundrechtseingriffs dargelegt wird. Wäre jeder Grundrechtseingriff für das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses ausreichend, würde die Voraussetzung praktisch leerlaufen, denn bei belastenden Verwaltungsakten liegt grundsätzlich zumindest ein Eingriff in Art. 2 I GG vor (W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 146).
e) Verwaltungsakte, die sich typischerweise kurzfristig erledigen
Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist zudem zu bejahen, wenn sich der Verwaltungsakt oder das Verpflichtungsbegehren typischerweise so kurzfristig erledigen, dass andernfalls keine gerichtliche Überprüfung in einem Hauptsachverfahren möglich wäre (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1427). Als Beispiel kann man sich den polizeilichen Platzverweis nach § 34 PolG NRW merken (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1427).
IV. Zusammenfassung
Insgesamt stellt die Prüfung einer Fortsetzungsfeststellungsklage den Klausurbearbeiter vor einige Herausforderungen, die allerdings durch ein sorgfältiges Lesen des Normtextes und Verständnis der Grundstruktur der Klage gut zu meistern sind.
Zusammenfassend ergeben sich für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage folgende Besonderheiten:
- Im Rahmen der Statthaftigkeit ist zu prüfen, ob die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I 4 VwGO direkt oder analog angewendet wird, wobei im letzteren Fall das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage darzulegen ist.
- Im Fall der Erledigung nach Klageerhebung richten sich die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen nach denen der Ausgangsklage (Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage). Zusätzlich bedarf es nach § 113 I 4 VwGO eines besonderen Feststellungsinteresses.
- Bei Erledigung vor Klageerhebung ist, solange der Verwaltungsakt noch nicht bestandskräftig geworden ist, streitig, ob ein Vorverfahren nach § 68 I 1 VwGO erforderlich ist und ob eine Fristbindung nach §§ 74, 58 II VwGO besteht. Eines Streitentscheides bedarf es allerdings dann nicht, wenn das Vorverfahren bereits nach § 110 I JustG NRW entbehrlich ist oder die Frist nach §§ 74, 58 II VwGO eingehalten wurde. Wichtig ist zudem, dass sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus dem Interesse des Klägers an der Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses ergeben kann.
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