BVerwG: Kein Referendariatsplatz für Verfassungsfeinde
Rechtsstaatliche Resilienz ist derzeit in aller Munde, schon weil der Gesetzgeber das Bundesverfassungsgericht besser vor Verfassungsfeinden schützen möchte. Der Schutz der staatlichen Rechtspflege vor Extremisten war auch Gegenstand der nachstehend zu besprechenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 2 C 15.23 – Urt. v. 10.10.2024 – 2 C 15.23).
Unser Gastautor Micha Mackenbrock hat an der Universität Bonn Jura studiert und das erste Staatsexamen abgeschlossen. Nun ist er Mitarbeiter in einer mittelständigen Anwaltskanzlei und widmet sich seinem Promotionsvorhaben im Bereich Arbeitsrecht.
I. Der Sachverhalt
Der Kläger Matthias B. hatte in Würzburg Rechtswissenschaften studiert. Nach seinem ersten Staatsexamen wollte er im April 2020 sein Referendariat am OLG Bamberg (Bayern) beginnen. Sein Antrag auf Zulassung zum Referendariat wurde aber vom OLG abgelehnt. Begründet wurde dies mit seiner aktiven Mitgliedschaft bei der als vom Verfassungsschutz rechtsextrem eingestuften Partei „Der III. Weg“. Seine verfassungsfeindliche Gesinnung wurde auch bei von ihm gehaltenen Reden deutlich. Schon zuvor kandidierte Matthias B. für den Landtag für die NPD und war zeitweise in einem mittlerweile verbotenen Kameradschaftsdachverband tätig. Aus alldem können, so der Präsident des OLG Bamberg, geschlossen werden, dass Matthias B. derzeit ungeeignet für die Aufnahme zum Referendariat sei.
In einem anderen Bundesland (Sachsen) wurde Matthias B. nach langem Rechtsstreit jedoch zum Referendariat zugelassen. Der Kläger sei, so der Verfassungsgerichtshof Sachsen, in seinen Rechten verletzt, denn das Referendariat sei Voraussetzung für den Zugang zu den klassischen juristischen Berufen wie Rechtsanwalt, Richter oder Staatsanwalt. In § 7 Nr. 6 BRAO heißt es, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen sei, wenn die antragstellende Person die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft. Ein „strafbares Bekämpfen“ läge im Fall von Matthias B. aber (noch) nicht vor. Die rechtsextreme Gesinnung und sein aktives Handeln im „III. Weg“ reiche nicht aus, um den Tatbestand des § 7 Nr. 6 BRAO zu erfüllen. Für die Ausbildung zum Volljuristen, die durch eine Absolvierung des Referendariats bedingt ist, könnten keine höheren Voraussetzungen gelten, als für die eigentliche Zulassung zur Berufsausübung selbst. Somit sei Matthias B. in Sachsen zum Referendariat zuzulassen.
Daraufhin erhob Matthias B. eine Fortsetzungsfestellungsklage, damit auch seine Ablehnung im Bezirk des OLG Bamberg als rechtswidrig anerkannt wird. Mit diesem Begehren drang er in den ersten Instanzen nicht durch. Nun hatte sich das BVerwG letztinstanzlich mit der Sache auseinanderzusetzen.
II. Die Entscheidung des BVerwG
1. Allgemeine Maßstäbe
Die strengen Anforderungen an die Verfassungstreue im Beamtenverhältnis können nach Auffassung des BVerwG nicht gelten, da der Kläger sein Referendariat in Bamberg nicht als Beamter ableisten würde. Jedoch sind Referendare Teil der staatlichen Rechtspflege, sodass auch für sie Mindestanforderungen bezüglich der Pflicht zur Verfassungstreue gelten müssen. Insbesondere eine aktive Betätigung gegen die Grundwerte der Verfassung stünde einer Aufnahme als Referendar daher entgegen. Die Beteiligten eines Rechtsstreits hätten einen Anspruch dahingehend, „dass niemand an der Bearbeitung ihrer Angelegenheiten mitwirkt, bei dem begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder aktiv unterstützt“ (Urt. v. 10.10.2024 – BVerwG 2 C 15.23). Daher könnten für Referendare durchaus höhere Anforderungen als für Rechtsanwälte gelten.
2. Im Einzelnen: Aktive Mitgliedschaft bei „Der III. Weg“
Damit stehe schon die aktive Mitgliedschaft des Klägers in der Partei „Der III. Weg“ einer Zulassung zum Referendariat entgegen. Die Parteistruktur liefe auf ein nationalsozialistisches Führerprinzip hinaus. Zudem würden ihre Ziele vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft. Das Parteiprogramm basiere auf der Idee der Ungleichwertigkeit von Menschen und der daraus resultierenden rechtlichen Ungleichbehandlung, was nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
3. Kein entgegenstehendes Parteienprivileg
Das verfassungsrechtlich gewährleistete Parteienprivileg stehe dem Ausschluss des Klägers vom Referendariat nicht entgegen, so das BVerwG. Art. 21 II, IV GG schütze vor den Rechtsfolgen eines Parteiverbots, nicht aber vor mittelbaren Beeinträchtigungen von Parteimitgliedern: Parteimitlieder können auch schon vor einem erfolgreichen Parteiverbot als Verfassungsfeinde behandelt werden.
Somit hatte die Fortsetzungsfeststellungsklage von Matthias B. keinen Erfolg. Die Versagung der Zulassung zum Referendariat durch das OLG Bamberg war rechtmäßig.
III. Einordnung der Entscheidung
Für Matthias B. selbst hat seine Niederlage vor dem BVerwG keine unmittelbaren Auswirkungen. Er hat das Referendariat mittlerweile in Sachsen erfolgreich abgeschlossen und arbeitet nun als Rechtsanwalt. Dennoch zeigt das Urteil, dass der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat nicht dazu verpflichtet ist, Verfassungsfeinde zu Volljuristen auszubilden. Im Sinne rechtsstaatlicher Resilienz wäre es jedoch auch geboten, wenn die BRAO zukünftig dahingehend angepasst werden würde, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch schon bei einer verfassungsfeindlichen Gesinnung versagt werden kann. Das Urteil des BVerwG jedenfalls würde dem nicht entgegenstehen.
Es gibt wohl bei Vergabe von Referendariatsplätzen mitunter Wartelisten, welche sich mit nach dem Ergebnis im ersten Examen richten können. Aus dem Beitrag geht nicht klar hervor, ob sonst ein sicheres Recht auf ein Referandariatsplatz in Bamberg bestanden hätte, wenn keine anderen Bedenken wegen möglicher Verfassungsfeindlichkeit bestanden hätten.