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Dr. Stephan Pötters

AG München: Unerhebliche Werkmängel in Gesamtschau erheblich

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Das AG München (Urteil vom 7.2.13, Az: 275 C 30434/12) hat entschieden, dass auch einzelne unerhebliche Mängel, die allein nicht zum Rücktritt berechtigen würden, in einer Gesamtschau als erheblich angesehen werden können. Diesem examensrelevantem Urteil lag der folgende Sachverhalt (nach Pressemitteilung des AG München vom 17.7.2013) zugrunde:
Sachverhalt
Anfang Juni 2010 bestellte der spätere Kläger eine Aluminium-Haustüre. Diese wurde im September 2010 montiert und mit 5485,90 Euro abgerechnet. Der Besteller zahlte darauf die Hälfte, also 2742, 95 Euro. Bei näherer Überprüfung stellte er schließlich einige Mängel fest und monierte sie bei dem Werkunternehmer. Dieser lehnte eine Nachbesserung ab. Daraufhin holte der Auftraggeber ein Gutachten ein.
Der Gutachter stellte folgende Mängel fest: Undichtigkeit der Tür im Sockelbereich aufgrund einer fehlerhaften Installation/Einpassung der Haustüre, kein Einbau eines Standard-Profi-Zylinders mit Not – und Gefahrenfunktion, keine Einpassung der Verbindungsnähte des linken Seitenteils der Haustüre mittels der vom Profilsystemlieferanten Schüco vorgeschriebenen Fräsung, die Abdeckrosette beim Schlüsselloch befindet sich nicht genau mittig auf der Ausfräsung, da die Ausfräsung für den Profilzylinder im Profil und die Bohrung in der äußersten Profilwandung nicht exakt übereinander liegen, die Höhe des Edelstahlsockelblechs ist 5 cm höher als die Oberkante des Sockelprofils des Festfeldes.
Daraufhin trat der Besteller vom Werkvertrag zurück und verlangte seine 2742,95 Euro wieder. Der Türhersteller weigerte sich zu bezahlen.
Lösung
Der Besteller könnte hier einen Rückgewähranspruch gem. § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 634 Nr. 3, 636, 323 BGB zustehen und zwar Zug um Zug gegen Rückgabe der mangelhaften Haustüre. Eine Rücktrittserklärung i.S.v. § 349 BGB liegt hier vor. Problematisch waren damit allein die Voraussetzungen des gesetzlichen Rücktrittsrechts im Falle eines mangelhaften Werkes.

  1. Ein Mangel i.S.v. § 633 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 BGB ist hier gegeben. Das Sachverständigengutachten listet eine ganze Reihe von Mängeln auf, die zumindest eine Abweichung der Istbeschaffenheit von der üblichen Beschaffenheit (§ 626 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB) darstellen.
  2. Damit stehen dem Besteller grundsätzlich die Rechte aus § 634 BGB zu.
  3. Die für einen Rücktritt gem. § 634 Nr. 3 i.V.m. § 323 Abs. 1 BGB erforderliche Nachfristsetzung ist hier aufgrund der Weigerung des Werkunternehmers, die Tür nachzubessern, gem. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich.
  4. Ein Rücktritt ist jedoch gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht zulässig, „wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.“ Hier lag der Schwerpunkt des Falles. Das AG München entschied, dass hier von einer Erheblichkeit der Pflichtverletzung auszugehen sei, da die Mängel alle zusammengenommen nicht unerheblicher Natur seien. Bei der Beurteilung dieser Frage müsse eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei sei der für eine Mängelbeseitigung vorzunehmende Aufwand, die technische und ästhetische Beeinträchtigung sowie ein mögliches Mitverschulden eines Bestellers zu berücksichtigen. Von einer Erheblichkeit eines Mangels könne im Allgemeinen gesprochen werden, wenn die Kosten der Beseitigung des Mangels 10 % der vereinbarten Gegenleistung ausmachten.
    Manche der Mängel machten hier deutlich weniger als 10 % der vereinbarten Gegenleistung aus. Aber schon für den  3. Mangelpunkt – Verfüllung der offenen Fuge am stumpfen Stoß des Sockelprofils mit Dichtstoff – setzte der Sachverständige Nettokosten in Höhe von 760 € -1000 € (brutto zwischen 904,40 Euro und 1.190 Euro, also fast 1/5 der Gesamtkosten) an, sodass insoweit von der Erheblichkeit auszugehen sei. Auch eine Entfernung des Edelstahlsockelblechs sei nicht sinnvoll, da es zu einer Beschädigung der Lackierung kommen könnte. Es müsste daher entweder eine neue Haustüre angefertigt werden oder ein Blendrahmensockelprofil in entsprechender Höhenanfertigung zum Edelstahlsockelblech besorgt werden, soweit es ein Blendrahmensockelprofil in unterschiedlichen Höhen herstellerbedingt überhaupt gäbe. Dies würde erhebliche Kosten verursachen. Damit sei aber auch dieser Mangel nicht unerheblich.
    Insgesamt gab es also durchaus erhebliche Mängel. Außerdem ergibt sich zudem die Erheblichkeit im Wege einer Gesamtschau aller Mängel, sodass auch die für sich unerheblichen Mängel zum Rücktritt berechtigen.

Fazit
Insgesamt enthält der Fall keine großen Probleme. Er lässt sich aber gut mit anderen Klausurklassikern zum Gewährleistungsrecht kombinieren. Die Erheblichkeit des Mangels i.S.v. §323 V BGB ist außerdem ein Problem, dass nicht nur im Werkvertragsrecht, sondern ebensogut im Kaufrecht auftreten kann.

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20.06.2013/0 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
Schlagworte: Erheblichkeit der Pflichtverletzung, Mangel, Werkvertrag
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